Oft ist der Grat zwischen einer krachenden Niederlage und einem grandiosen Triumph ein schmaler. Georg Schaeffler kann ein Lied davon singen. Gestern drohte der Beinahe-Ruin und der Verlust des Familienunternehmens. Heute gehört dem 50-Jährigen das größte Privatvermögen Deutschlands. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin "Forbes" schätzt seinen Reichtum auf fast 27 Milliarden Dollar.
Trotz – oder gerade wegen – seiner außergewöhnlichen Stellung in Deutschlands Wirtschaftselite scheut Georg Schaeffler die Öffentlichkeit. Die größte Bühne überlässt er seiner dominanten Mutter Maria-Elisabeth. Ihr Gesicht wird – im Positiven wie im Negativen – mit dem Familienunternehmen aus Herzogenaurach verbunden, obwohl Sohn Georg inzwischen 80 Prozent der Anteile hält. Die restlichen 20 Prozent sind im Besitz von Maria-Elisabeth.
Die größten deutschen Autozulieferer
Freudenberg
Auf Platz 10 schafft es 2017 der Zulieferer mit einem Unternehmensumsatz von 4,21 Milliarden Euro. Das entspricht einer Umsatzsteigerung von 40,1 Prozent zum Vorjahr. Freudenberg liegt damit international auf Platz zwei der Wachstumschampions. Mehr Wachstum konnte nur der chinesische Zulieferer Weichai Power mit 68 Prozent erzielen. Freudenberg beliefert die Automobilindustrie mit Produkten aus den Bereichen Dichtungs- und Schwingungstechnik sowie Vliesstoffe und Filtration. Das Unternehmen steckt aber auch hinter Haushaltsprodukten wie Vileda und O-Cedar.
Quelle: Berylls
Eberspächer
4,48 Milliarden Euro Umsatz machte der Automobilzulieferer 2017. Das sind 3,6 Prozent mehr als 2016. Das Wachstum verdankt Eberspächer insbesondere der steigenden globalen Nachfrage nach Abgasreinigungstechnologien. In dem Geschäftsbereich „Exhaust Technology“ konnte Eberspächer den Umsatz um 4 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro steigern.
Brose
Auf Platz 8 der größten Automobilzulieferer Deutschlands liegt Brose. Mit einem Umsatz von 6,31 Milliarden Euro bleibt das Unternehmen aus Coburg international weiterhin auf Platz 40. Brose beschäftigt derzeit 26.000 Mitarbeiter in 23 Ländern und will weiter wachsen. Brose-Chef Kurt Sauernheimer kündigte Zukäufe im Wert von 2,5 Milliarden Euro an.
Hella KG Hueck
In der Automobilsparte bündelt Hella die drei Komponenten Entwicklung, Herstellung sowie Vermarktung. Der Konzern profitierte insbesondere von der hohen Nachfrage nach Licht- und Elektronikprodukten. 2017 erreichte das Unternehmen aus Lippstadt einen Umsatz von 6,39 Milliarden Euro. Seit 2015 ist der Konzern im MDax gelistet.
Thyssen-Krupp Automotive
Mit einer Umsatzsteigerung von 12,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr schafft die Automobilsparte von Thyssen-Krupp 2017 den Sprung unter die 30 größten Zulieferer weltweit. Damit beträgt der Umsatz des Unternehmens 7,73 Milliarden Euro. Zu Thyssenkrupp Automotive gehören weltweit acht Standorte mit 1500 Mitarbeitern.
Schaeffler
Seit 2015 ist der Familienkonzern aus Herzogenaurach noch wenig erfolgreich an der Börse. Dem auf Präzisionstechnik spezialisierten Zulieferer steht derzeit ein großer Umbau bevor, um den Sprung ins Elektrozeitalter zu schaffen. Bisher ist das Unternehmen noch mit rund 50 Prozent vom Verbrennungsmotor abhängig. In Folge des Umbaus werden 950 Stellen wegfallen. Den Umsatz konnte Schaeffler 2017 mit 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern und erreicht mit 10,87 Milliarden Euro Umsatz den fünften Platz im Deutschland-Ranking.
Mahle
Das Stuttgarter Unternehmen besteht aus vier Geschäftsbereichen: Motorsysteme und -komponenten, Filtration und Motorperipherie, Geschäftsbereich Thermomanagement, Geschäftsbereich Aftermarket und Division Mechatronik. 2017 machte der Autozulieferer insgesamt 12,78 Milliarden Euro Umsatz (2016: 12, 32 Milliarden).
ZF Friedrichshafen
Auf den vierten Platz schafft es ein deutsches Unternehmen: ZF Friedrichshafen verzeichnet einen Jahresumsatz von 33,53 Milliarden Euro und steigt danke eines Wachstums von 3,6 Prozent um einen Platz auf. 1915 gründete die Zeppelin-GmbH zusammen mit einer Zahnräderfabrik das Unternehmen am Bodensee gegründet mit dem Ziel, Zahnräder nach einer neuen Technologie herzustellen.
Continental
Auch der zweitplatzierte kann seine Vorjahresplatzierung halten. Der 1871 gegründete Konzern entwickelte sich von einem reinen Reifenhersteller zu einem der führenden Automobilzulieferer weltweit: 235.000 Mitarbeiter arbeiten an 400 Standorten in 61 Ländern, seit 2012 wird Conti im Dax gehandelt. Mit einer Beteiligung der Schaeffler Holding in Höhe von 46 Prozent ist Continental ein Schwesterunternehmen der Schaeffler AG. 44,01 Milliarden Euro Umsatz verzeichnete das Unternehmer im 2017 und damit 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr.
Bosch
1886 in Stuttgart gegründet, ist Bosch zu einem multinationalen Unternehmen mit 450 Tochtergesellschaften gewachsen. Neben Gebrauchsgütern und Industrietechnik ist Bosch 2004 in den Bereichen Automobilelektronik und -mechatronik erstmals zum weltgrößten Automobilzulieferer gewachsen. 2012 fielen die Deutschen kurzzeitig hinter Denso und Continental Automotive auf den dritten Platz zurück, konnten aber drei Jahre später ihre Spitzenposition zurückgewinnen. Dank eines Wachstums von 7,8 Prozent und einem Jahresumsatz von 47,38 Milliarden Euro bleibt Bosch auch in diesem Jahr auf dem ersten Platz. 2017 war die Automobilsparte für 61 Prozent des gesamten Konzernumsatzes des Unternehmens verantwortlich.
Die positiven Schlagzeilen, das war die Erfolgsgeschichte des von Georgs Vater aufgebauten Familienunternehmens. Nach dessen Tod im Jahr 1996 schrieben Ehefrau und Sohn Schaeffler das deutsche Mittelstands-Märchen weiter fort. Mit gezielten Zukäufen baute der einstige Hersteller von Nadellagern sein Angebot sukzessive aus und entwickelte sich zu einem breit aufgestellten Maschinenbau-Konzern, mit der deutschen Autoindustrie als wichtigsten Kunden.
An Continental verhoben
Die negativen Schlagzeilen stammen aus dem Jahr 2008, als Maria-Elisabeth in Kitzbühel im Pelzmantel auf Champagnerpartys mit Häppchen feierte, während zu Hause Tausende Angestellte um ihre Jobs zitterten. Aus der wohlhabenden, aber stets fürsorglichen Familienunternehmerin war in den Medien die kalte Zockerin geworden. Doch wie konnte es soweit kommen?
Rückblick: Im Sommer 2008 planen Maria-Elisabeth und Sohn Georg die nächste Übernahme. Über geschickte Finanzgeschäfte sichern sich die Schaefflers den Zugriff auf 36 Prozent des Automobilzulieferers und Reifenproduzenten Continental. Schaeffler unterbreitet den restlichen Aktionären ein Kaufangebot mit dem Ziel, den eigenen Anteil auf knapp 50 Prozent auszubauen. Doch dann ging etwas gewaltig schief.
Genau in diesen Tagen kam die Lehman-Pleite, weltweit stürzten die Kurse ab. Schaeffler wurden viel mehr Aktien angedient als geplant, und die Gruppe musste rund 90 Prozent der Conti-Anteile übernehmen – zum Übernahme-Angebotspreis von 75 Euro, obwohl der Kurs auf 20 Euro gefallen war.
Die Commerzbank hielt zu Schaeffler
Quasi über Nacht hatte das Familienunternehmen knapp elf Milliarden Euro Schulden – bei einem Umsatz, der bis zum Ende des Geschäftsjahres 2009 auf 7,3 Milliarden Euro geschrumpft war und einem Gewinn von weniger als 400 Millionen Euro. Hinzu kamen die Conti-Altschulden von gut zehn Milliarden Euro aus der Übernahme der ehemaligen Siemens-Tochter VDO im Jahr 2007.
Für Mutter und Sohn Schaeffler steht nach der Übernahme das Familienvermögen auf dem Spiel. 2009 haben Schaeffler und Conti einen gemeinsamen Schuldenturm in Höhe von 23 Milliarden Euro angehäuft. Die Gläubigerbanken, allen voran RBS und Commerzbank, müssen die Zinsen stunden, um den Herzogenaurachern etwas Luft zu verschaffen.
Die zehn besten deutschen Mittelständler
Um die Wachstumsstärke der mittelständischen deutschen Weltmarktführer zu vergleichen, bedient sich die WirtschaftsWoche eines Indexes des Ökonomen David L. Birch vom Massachusetts Institut of Technology in der Nähe von Boston. Dieser nach ihm benannte Index multipliziert den absoluten Umsatzzuwachs mit dem prozentualen. Das relativiert sowohl das prozentuale Wachstum junger Betriebe als auch das absolute Wachstum bereits großer Unternehmen.
Basis des Indexes waren im Ranking die Jahre 2002 bis 2012.
Branche: Maschinenbau
Mitarbeiter 2012: 1676
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 225,20/682,40
Durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 11,72 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1385,4
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Dentalindustrie
Mitarbeiter 2012: 2979
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 284,00/814,56
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 11,11 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1521,7
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: IT/ Software
Mitarbeiter 2012: 689
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 3,35/73,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 36,22 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1547,7
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Logistik
Mitarbeiter 2012: 2000
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 335,24/934,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 10,8 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1671,4
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Automatisierungstechnik
Mitarbeiter 2012: 2200
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 78,00/408,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 17,95 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1712,0
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Maschinenbau
Mitarbeiter 2012: 3700
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 104,04511,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 17,27 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1996,3
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Agrartechnik
Mitarbeiter 2012: 2432
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 250,00/858,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 13,12 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2083,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Sicherheitskameras
Mitarbeiter 2012: 336
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 3,00/81,60
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 39,14 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2137,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Schiffbau
Mitarbeiter 2012: 1400
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 300,00/984,90
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 12,6 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2248,5
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Automobilzulieferer
Mitarbeiter 2012: 4000
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 179,90/780,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 15,80 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2601,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Dass der Konzern der Pleite entging und Georg Schaeffler heute als reichster Deutscher auf der "Forbes"-Liste geführt wird, ist vor allem drei Dingen zu verdanken: Das Management trimmte mit einem harten Sparkurs die Unternehmen auf Effizienz. Dank des starken operativen Geschäfts hat sich der Aktienkurs von Conti seit 2012 von gut 50 Euro auf über 200 Euro mehr als vervierfacht. Und zu guter Letzt hielt die Commerzbank auch in den turbulenten Jahren zu seinen treuen Kunden.
Ironie des Schicksals: Heute könnte Schaeffler, obwohl vor einigen Jahren beinahe pleite, die Commerzbank mit seinem Privatvermögen locker aufkaufen.
Womit die Zulieferer zu kämpfen haben
Immer mehr Innovationen müssen von den Zulieferern selbst kommen. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben steigen dadurch stark an. Die Zulieferer müssen stärker in Vorleistung gehen und tragen damit ein höheres unternehmerisches Risiko.
Die Autokonzerne bauen immer mehr Werke in Asien oder Mexiko. Damit steigt der Druck auf die Zulieferer, ebenfalls in neue Standorte zu investieren.
Global agierende Autokonzerne schreiben ihre Aufträge immer öfter für die weltweite Produktion aus. Viele mittelständische Zulieferer können weder die geforderten Stückzahlen herstellen noch den Konzernen einfach ins Ausland nachfolgen.
Autokonzerne wie PSA und GM bilden immer öfter Einkaufsgemeinschaften, gleichzeitig steigt die Zahl von Modulbaukästen für die identische Teile in sehr hoher Stückzahl benötigt werden. Beides führt dazu, dass der Preisdruck steigt. Die Zahl der Zulieferer, die das leisten kann, sinkt.
2011 reduzierte Schaeffler seine Beteiligung von 75 auf gut 60 Prozent. Das drückte die Schuldenlast um mehr als zwei Milliarden Euro und ebnete Conti den Weg zurück in den Dax. Den Sprung schafften die Hannoveraner im September 2012. 2013 trennte sich Schaeffler von weiteren Conti-Aktien im Wert von fast einer Milliarde Euro – die Beteiligung liegt inzwischen bei 46 Prozent – und trug so nochmals einen großen Brocken des Schuldenbergs ab, der aktuell noch 5,8 Milliarden Euro beträgt. Entwickelt sich das Geschäft der Schaeffler Gruppe weiter wie bisher, kann der Konzern in wenigen Jahren schuldenfrei sein.
Am Donnerstag stellte Geschäftsführer Klaus Rosenfeld die aktuellen Zahlen vor. Der Automobil- und Industriezulieferer will mit weiter hohen Investitionen seinen Wachstumskurs beibehalten. Schon im vorigen Jahr hatte der Konzern seine Ausgaben für neue Technologien und Produktionsstätten um mehr als die Hälfte hochgefahren und damit dem Umsatz um acht Prozent auf 12,1 Milliarden Euro gesteigert. Die größere Autosparte habe von der guten Nachfrage in China und den USA profitiert. Das operative Ergebnis (Ebit) sprang um 51 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Damit verbesserte sich die Ebit-Marge auf 12,6 Prozent von neun Prozent im Vorjahr. Insgesamt gab Schaeffler im vergangenen Jahr 7,1 Prozent des Umsatzes für Investitionen aus. Diese Quote soll im laufenden Jahr erneut bei sechs bis acht Prozent liegen. Allerdings rechnet Schaeffler 2015 mit einem währungsbereinigten Umsatzplus von fünf bis sieben Prozent. Die Ebit-Marge soll erneut zwischen zwölf und 13 Prozent liegen.
Für die meisten Mittelständler eine Bilanz zum träumen. Für ein Unternehmen, das gerade noch ums Überleben gekämpft hat, umso mehr.