Gigafactory in Brandenburg Teslas Wettlauf gegen die Vegetationsphase

Gelände der Tesla-Gigafactory in der Gemeinde Grünheide. Quelle: dpa

Viele Bauprojekte in Deutschland werden verzögert oder verhindert, weil sie mit Naturschutz-Vorschriften kollidieren. Schon wird auch beim geplanten Tesla-Werk geunkt, Waldameisen oder Fledermäuse könnten es stoppen. Doch offenbar hat sich der US-Autobauer generalstabsmäßig auf den Krieg um die Tiere vorbereitet – und scheint auch die örtlichen Behörden auf seiner Seite zu haben.

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Die Gemeinde Grünheide könnte kaum idyllischer sein. Rund 13.300 Fußballfelder Wald und vier malerische Seen unterteilen die sechs Ortsteile mit etwa 8600 Einwohnern. Wer hier lebt, mag es beschaulich. Im Zentrum befinden sich ein paar kleine Geschäfte und das Rathaus. Gegenüber gibt es seit Mitte Januar eine neue Einrichtung, die so schnell verschwinden wird, wie sie gekommen ist: Das Tesla-Bürgerbüro. Denn der amerikanische Autobauer hat die Gemeinde im Berliner Osten zum Standort der weltweit vierten Gigafactory auserkoren.

Die Meinungen zu dieser Entscheidung sind geteilt: Die einen sehen darin eine Chance auf eine modernere Gemeinde, die anderen fürchten um den Erhalt der Natur, die den Ort bislang ausmacht. Trotz der Uneinigkeit sind im Bürgerbüro keine Anwohner. Lediglich zwei Männer aus Dresden sitzen dort und unterhalten sich mit einem Tesla-Mitarbeiter. Sie sind nicht direkt betroffen, haben sich aber schon eingehend mit dem Projekt Stuttgart21 befasst. Nun interessieren sie sich für das Vorhaben des US-Konzerns. Nach dem Gespräch zeigen sie sich begeistert: „Die sind wirklich vorbereitet. Sie haben sogar die Bäume gezählt, die auf dem Areal gefällt werden sollen“, berichtet einer von ihnen. Da könne sich Deutschland noch etwas abschauen: „Stichwort Borkenkäfer“.

Vegetationsphase sorgt für Zeitdruck

Der Name der Gigafactory spricht für sich. Innerhalb eines Jahres soll die erste Ausbaustufe erreicht sein und mit mehr als 3000 Arbeitern zunächst 150.000 Elektrofahrzeuge jährlich produzieren. Später soll die Gigafactory erweitert werden und gar 500.000 Autos mit insgesamt 8000 Mitarbeitern herstellen. Doch auch wenn der Kaufvertrag zwischen Tesla und dem Land Brandenburg schon notariell beurkundet ist, steht „vor allen Beteiligten […] noch ein großes Stück Arbeit“, wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Bekanntgabe sagte. Ob es beim Kaufpreis von rund 41 Millionen Euro bleiben wird, hängt von der Einschätzung eines unabhängigen Gutachterunternehmens ab – eine entsprechende Klausel sieht eine mögliche Anpassung des Betrags vor.

Zwischen Tesla und dem Bau der Fabrik stehen nun noch 90 Hektar Wald, Munitionsreste aus dem zweiten Weltkrieg und zwei Fledermauskolonien. Die Zeit drängt: Am 1. März beginnt in Brandenburg die Vegetationsphase, Rodungen sind dann verboten. Dennoch sieht es danach aus, als könnte der ambitionierte Zeitplan des US-Autobauers tatsächlich aufgehen. Die von den Dresdnern gelobte Vorbereitung scheint sich auszuzahlen.

So läuft die Munitionsräumung bereits auf Hochtouren. „Wir haben mit Tesla vorab gesprochen und begonnen, zuerst die Gebiete zu beräumen, auf denen als Erstes gebaut werden soll“, sagt Martin Burmeister, Pressesprecher des Brandenburgischen Innenministeriums. Derzeit sind täglich mehr als 85 Arbeiter mit der Sondierung und Beseitigung der Munition beschäftigt. Am Sonntag wurden bereits sieben Bomben aus dem zweiten Weltkrieg durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst erfolgreich gesprengt. „Ein Drittel der 300 Hektar sind schon beräumt. Wir gehen davon aus, bis zur vereinbarten Frist vom 31. März auf jeden Fall fertig zu werden“, sagt Burmeister.

Vor Beginn der Rodung müssten auch die Tiere umgesiedelt werden, die in dem Waldstück leben, auf dem Tesla bauen möchte. Auf dem Areal gibt es etwa Zauneidechsen, Glattnattern, Waldameisen, Fledermäuse und etliche Brutvögel. Alle Tiere innerhalb eines Monats umzusiedeln ist laut Christiane Schröder, der Geschäftsführerin des NABU Brandenburg, nicht möglich. Das sei aber auch nicht notwendig: „Auf der Fläche, die bis März gerodet werden soll, müssten lediglich die dort lebenden Fledermäuse umgesiedelt werden. Das ist in diesem Zeitraum auch machbar“, sagt Schröder. Auf dem Gelände wurden bislang zwei Bäume mit Fledermauskolonien festgestellt. Für ihre Umsiedlung müssen die Bäume bis auf den bewohnten Bereich abgetragen werden. Die Fledermauskästen werden dann in ein anderes Gebiet zu einem neuen Baum verlegt.

von Matthias Hohensee, Annina Reimann, Martin Seiwert, Jan-Lukas Schmitt

Auch an der Rodung dürfte das Projekt laut Forstexperten nicht scheitern. Die örtlichen Betriebe verfügten über die nötige Technik und das Know-How, um diese Aufgabe zu meistern.

Bürokratie bremst das Vorhaben

Doch wer in Deutschland bauen möchte, muss auch die verschiedenen bürokratischen Schritte einplanen. Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz hat Tesla einen Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn gestellt, um möglichst bald mit der Waldrodung beginnen zu können. Ungewöhnlich sei das nicht – eine vorzeitige Zulassung könnte erteilt werden, heißt es aus dem zuständigen Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz in Brandenburg. Die Pressesprecherin Frauke Zelt sagt: „Das Verfahren läuft. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung kann noch keine Aussage getroffen werden“.

Sollte dem Antrag nicht stattgegeben werden, dürfte die Rodung erst nach der Vegetationsphase im Herbst vorgenommen werden – aus Sicht des notorisch ungeduldigen Tesla-Chefs wäre das wohl ein Affront und ein herber Rückschlag für sein Europageschäft. Es bleibt also spannend. Nach Ansicht der beiden Dresdner geht es bei dem Projekt allerdings nicht nur um die Absatzzahlen des US-Konzerns. Vielmehr stünde das Prestige des Standorts Deutschland auf dem Spiel: „Nach Stuttgart 21 und BER müssen wir zeigen, dass wir auch schnell sein können und es sich lohnt, hier zu investieren“.



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