
Es war der 10. Februar 2012, und draußen vor der Windschutzscheibe trieb der Schnee. Wolfgang Thoma erinnert sich noch gut daran. Denn er saß damals im Führerhaus eines Lasters. Sollte er fahren? Oder doch besser warten? Für Thoma war die Antwort klar, nicht nur weil er aus dem Allgäu mit seinen harten Wintern kommt. Dies war schließlich kein normaler Lkw, in dem er hockte, es war der erste seiner Art. Also: Fahren!
Jener grimmige Wintertag markierte eine Premiere, auf die Thoma heute noch stolz ist. Der Geschäftsführer der Spedition Ansorge aus dem bayrischen Biessenhofen stellte damals den ersten 25 Meter langen Gigaliner in den Dienst. Der Feldversuch, initiiert vom Bundesverkehrsministerium, soll seitdem die Alltagstauglichkeit der überlangen Trucks prüfen.
Zur Halbzeit des auf fünf Jahre angelegten Experiments sind 39 Firmen mit 85 Langlastern unterwegs. Etwas mehr als 10 000 Kilometer Straße wurden dafür freigegeben – nur ein Bruchteil des deutschen Netzes, weil sieben Bundesländer ihre Teilnahme verweigern. Auch die Zahl von 400 Lkws, von denen der einstige Verkehrsminister Peter Ramsauer träumte, ist noch immer nicht erreicht. Thoma sagt trotzdem: „Unsere positiven Erwartungen wurden absolut erfüllt. Es läuft super.“
Angst vor den Monstertrucks
Das Interesse seiner Branche ist klar. Die Logistik steht nicht nur wegen steigender Treibstoffpreise und Lkw-Maut unter Kostendruck, auch bei qualifizierten Fahrern herrscht Mangel. Gleichzeitig wächst das Güteraufkommen Jahr für Jahr weiter. Die Gigaliner, so die Hoffnung, könnten mit ihrem Stauraum – 54 Paletten statt 34 in einem Standard-Lkw – Abhilfe bei gleich mehreren Problemen schaffen.





Dem Start vor gut zweieinhalb Jahren waren erbitterte Kämpfe vorausgegangen. Vor allem Bahn- und Umweltverbände, aber auch die Polizeigewerkschaft hatten sich gegen den Feldversuch gestemmt. Die „Monster-Trucks“, so der Kampfbegriff, würden die Sicherheit auf Deutschlands Straßen gefährden, die lädierte Infrastruktur weiter schädigen und obendrein das Ziel konterkarieren, mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu kanalisieren.
Unabhängige Experten halten die Einwände aus heutiger Sicht für unbegründet. „Die Lang-Lkws haben ihre Stärken im Punkt-zu-Punkt-Verkehr“, sagt Christian Kille, Professor für Handelslogistik an der Hochschule Würzburg. „Sie sind eine gute Ergänzung – vor allem wenn es um den Transport leichter Güter geht.“ Tatsächlich laden die teilnehmenden Spediteure vor allem voluminöse Dämmstoffe, Verpackungsmaterial oder Haushaltswaren wie Kühlschränke ein. „Unterm Strich“, meint Kille, „lässt sich so tendenziell Verkehr reduzieren, weil zwei von ihnen bei Vollauslastung drei herkömmliche Lkws ersetzen.“
Effizienzgewinne und Kraftstoffersparnis
25,25 Meter lang können die Maschinen maximal sein. Weil sie mit höchstens 44 Tonnen nicht schwerer sein dürfen als reguläre Transporte, aber meist über mehr Achsen verfügen, ist auch das Verschleiß-Argument hinfällig. „Solange die Politik sich den vereinzelten Wünschen nach höherer Tonnage entgegenstellt, sind Lang-Lkws keine zusätzliche Belastung für die deutsche Infrastruktur“, urteilt der Verkehrsberater Frank M. Schmid.
Vergangene Woche, pünktlich zur Nutzfahrzeug-IAA in Hannover, legte das Bundesamt für Straßenwesen den Zwischenbericht zum Feldversuch vor. Trotz eines vorsichtigen Tonfalls bestätigt die Behörde die Urteile von Spediteuren und Fachleuten: „Gravierende Probleme“ hätten sich bisher „nicht gezeigt“, heißt es in der Bilanz. „Probleme im Verkehrsablauf […] traten bisher nicht auf.“ Die Beamten bestätigen zudem die Erfahrungen der Firmen: Effizienzgewinne und Kraftstoffersparnis lägen „zwischen 15 und 25 Prozent“.
Wünsche haben die Unternehmer trotzdem – an die Adresse der Bundesländer, die ihre Straßen sperren. „Unsere Autobahnen sind alle Lang-Lkw-tauglich“, so Thomas Schwarz, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition aus dem württembergischen Herbrechtingen. „Diesen Flickenteppich sollte man schleunigst beseitigen.“