Google und Fiat Chrysler wollen gemeinsam die Entwicklung selbstfahrender Autos vorantreiben. Geplant sei der Aufbau einer Flotte von 100 autonomen "Pacifica"-Vans, kündigten der US-Internetkonzern und der italienisch-amerikanische Autohersteller in der Nacht zum Mittwoch an.
Es handelt sich um die bisher umfassendste Zusammenarbeit zwischen einem Silicon-Valley-Konzern und einem der großen Autobauer. Andere Hersteller wie Daimler, Ford und die Opel-Mutter General Motors haben Bedenken. Sie fürchten zum Zulieferer degradiert zu werden, während Technologieunternehmen die Gewinne abschöpfen.
Axel Schmidt, Geschäftsführer für den Bereich Automotive bei der Unternehmensberatung Accenture, erklärt die Motive und Auswirkungen für deutsche Autobauer.
WirtschaftsWoche: Google will kein Autobauer werden – aber Systeme zuliefern. Welches Interesse hat der IT-Konzern daran, zu einem Zulieferer zu werden?
Axel Schmidt: Nachdem was bisher bekannt ist, sind viele Details über die geplante Zusammenarbeit weiter offen. Klar ist aber das Interesse von Google: Im Gegenzug für sein Technologie-Knowhow will es die im Fahrzeug anfallenden Daten sammeln und auswerten. Damit wird es aber noch lange nicht zum Autozulieferer. Anders als die etablierten Zulieferer will Google kein autonomes Fahren als autonomes Fahren verkaufen – vielmehr stehen die Services im Mittelpunkt, die dann im selbstfahrenden Auto genutzt werden. Die Kooperation mit einem Autobauer ist daher die logische Weiterentwicklung.
Verhandlungen zwischen Google und anderen Autokonzernen wie Ford oder General Motors sind gescheitert. Warum hat FiatChrysler zugesagt?
Ganz einfach: Viele Hersteller haben bereits Projekte zum autonomen Fahren umgesetzt oder angekündigt. Durch die Kooperation mit Google kann FiatChrysler den Rückstand mit relativ kleinen Mitteln aufholen. Dazu kommt, dass FCA-Chef Sergio Marchionne wie kaum ein anderer Automanager für disruptive Ideen gemacht ist.
Beide Unternehmen haben betont, dass es trotz der Kooperation keinen Austausch von Technologie-Wissen geben soll. Was bringt die Zusammenarbeit dann?
Das Produkt an und für sich wird ausgetauscht. Google liefert die Systeme zu, sodass FiatChrysler den Van Pacifica autonom fahren lassen kann. Damit die Ingenieure alles zum Laufen bringen können, muss auch Knowhow weitergegeben werden – das ist unstrittig. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass FCA dabei einen Einblick in den zentralen Code bekommt und Google im Gegenzug alle Informationen über Motor und Fahrwerk erhält. Jeder behält also seine Geheimnisse.
Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos
Autopiloten sind in Flugzeugen Standard. Auch in Schiffen übernimmt zumindest außerhalb der Häfen oft der Computer das Ruder. Am Ende geht es auch beim autonomen Fahren um einen Autopiloten, der das Fahrzeug steuert. Doch der Autoverkehr ist komplex. Auf der Autobahn können die Prototypen der Industrie bereits ohne größere Probleme ohne Eingriffe des Fahrers unterwegs sein. Im Stadtverkehr wird es schon schwieriger. Halbautomatische Funktionen sind allerdings inzwischen Alltag. Ob Tempomaten, Einparkhilfen, Stauassistenten oder Abstandsregler - viele Funktionen entlasten den Fahrer bereits. Auch etwa Mähdrescher können längst eigenständig über das Feld fahren.
Eins der wichtigsten Argumente ist die Sicherheit. Die meisten Unfälle gehen auf Fahrfehler zurück. Weit oben in der Statistik: zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand oder Abbiegefehler. Automatisch gesteuerte Autos würden solche Fehler minimieren. Denn Risikofreude, Spaß an der Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung kennt ein Computer nicht. Er bremst, wenn der Abstand zu gering wird und nimmt nicht aus Unachtsamkeit anderen die Vorfahrt.
Die Entwicklung ist recht weit fortgeschritten. BMW etwa testet seit Jahren automatisch fahrende Autos, auch auf deutschen Autobahnen. Die Fahrzeuge können auch eigenständig überholen. Solche Tests müssen sich die Hersteller aber von Behörden genehmigen lassen. Audi ließ jüngst zur US-Technikmesse CES einen Wagen „autonom“ rund 900 Kilometer aus dem Silicon Valley nach Las Vegas fahren. Auch Daimler präsentierte auf der CES seine Vision für ein selbstfahrendes Auto der Zukunft. Der silberne Mercedes-Prototyp fuhr autonom auf die Bühne nach einer Tour durch die Wüste und die Hotel-Meile der Glücksspiel-Stadt. Zumindest für die Autobahn können sich manche Hersteller pilotiertes Fahren bereits in fünf bis sieben Jahren vorstellen.
Hier beginnen die Schwierigkeiten jenseits der Technik. Die erste Hürde ist das „Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr“ von 1968, das die Basis für die meisten Verkehrsregelungen ist. Darin gibt es zwar Hinweise zu Zugtieren, aber von selbstfahrenden Autos ist nicht die Rede. Dafür aber davon, dass jedes Auto einen Fahrer braucht, der am Ende verantwortlich ist. Dass Autofahrer am Ende Verantwortung und Kontrolle völlig abgeben werden, gilt eher als unwahrscheinlich. Noch fehlen dafür aber Regeln und Gesetze. Bei den bisher fahrenden Prototypen auf normalen Strecken müssen in Deutschland die Fahrer darauf geschult sein.
Europas größter Versicherer, die Allianz, würde auch selbstfahrende Autos versichern. Allerdings würde sich die Risikoeinschätzung ändern, denn das Risiko verlagere sich vom menschlichen Fehler des Fahrers zum Entwickler der Autopiloten. Allerdings glauben die Versicherer nicht daran, dass es vollständig selbstfahrende Auto geben wird. Ein Fahrer werde auch künftig einen Führerschein brauchen, und das Gefährt im Notfall oder in Situationen wo es nötig ist, kontrollieren zu können.
Sicherlich auch, um Kunden mit immer ausgereifteren Extras zu locken. Doch daneben spielt auch die mögliche Konkurrenz durch andere Spieler eine Rolle. So arbeitet etwa auch der Internetkonzern Google seit einigen Jahren an selbstfahrenden Autos.
Autobauer fürchten sich davor, zum Zulieferer oder Auftragsfertiger degradiert zu werden. Entkräftet das aktuelle Kooperationsmodell diese Befürchtungen oder fördert er sie sogar?
In der Branche sind sich alle einig, dass die Digitalisierung die Autobauer und ihre Geschäftsmodelle in den kommenden fünf bis zehn Jahren stärker verändern wird als jede Technologie in den vergangenen 50 Jahren. Ein Auto ist aber ein komplexes Produkt. Beim Verbrennungsmotor ist für ein branchenfremdes Unternehmen der Vorsprung der Autokonzerne nicht aufzuholen. Am Beispiel von Tesla sieht man aber, wie man innerhalb von zehn Jahren ein respektables Elektroauto auf den Markt bringen kann. Bei neuen Mobilitätskonzepten können viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen mitmischen – der Sieger muss kein deutscher Premiumhersteller oder eine heute bekannte Volumenmarke sein.
Ist das der Türöffner für eine tiefgreifendere Kooperation?
.Sowohl Google als auch FCA haben keine Exklusivität vereinbart. Für mich ist es nur logisch, dass beide weitere Partnerschaften eingehen werden. Ein weiteres Beispiel ist der Kartendienst Here, der von Audi, Daimler und BMW gekauft wurde: Hier sollen nicht nur andere Autobauer und Zulieferer mit ins Boot geholt werden, sondern es laufen auch Gespräche mit Technologieunternehmen. Alle haben erkannt, dass das Ökosystem für die vernetzte Mobilität nur im Zusammenspiel mit Partnern funktioniert. Autobauer werden neben dem Fahrzeug auch dazugehörige Services verkaufen – ob sie dabei jeden Schritt alleine machen oder mit IT-Firmen zusammenarbeiten, ist aus meiner Sicht noch nicht entschieden.