Salz, so weit das Auge reicht. Mittendrin surreal anmutende Lagunen, mal türkis, mal rot-violett, gesäumt von Flamingos, bizarren Steinformationen und hohen Kakteen. Der Salar de Uyuni, der größte Salzsee der Welt, ist für viele der Höhepunkt einer Südamerikareise. Natur pur, tagelang geht es mit dem Jeep durch das bolivianische Hochland. Aber noch lukrativer als das Geld der Touristen ist der Schatz, der unter der Kruste schlummert.
„Lithium ist das neue Erdgas“, sagt Boliviens linker Präsident Evo Morales. Der dienstälteste Staatschef Südamerikas ist schon seit 2006 im Amt und hat mit den Erdgasmilliarden die Armen mit Sozialprogrammen beschenkt - und die Metropole La Paz mit dem größten urbanen Seilbahnnetz der Welt. Nach jahrelanger Forschung und Abwägung will Bolivien nun verstärkt mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten, um den Schatz im Salzsee zu heben.
Denn Lithium wird gerade für Batterien von Elektro-Autos benötigt. Und daher ist es schon ein wenig historisch, was am Mittwoch in der baden-württembergischen Landesvertretung beschlossen worden ist. Das Unternehmen ACI Systems Alemania (ACISA) aus Zimmern ob Rottweil und das bolivianische Staatsunternehmen Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) bilden eine Gemeinschaftsfirma, mit einer 51-Prozent-Mehrheit für YLB. Von 2022 an wollen sie jährlich 30.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid in dem größten Lithiumvorkommen der Welt fördern. Grob geschätzt lassen sich damit bis zu 800.000 E-Autos pro Jahr mit Lithium-Batterien versorgen.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
85 Prozent des Lithiums sollen nach Deutschland gehen. „Durch das Joint Venture sichert sich Deutschland erstmals nach Jahrzehnten wieder den direkten Zugriff auf wichtige, nicht-heimische Rohstoffe“, sagt ACISA-Chef Wolfgang Schmutz. „Dies ist insbesondere für die deutsche Automobilindustrie von Bedeutung.“
Denn die Diesel-Krise zeigt: Gerade die deutsche Automobilindustrie muss rasch umsteuern. Bis 2023 will VW rund 44 Milliarden Euro für Zukunftstechnologien ausgeben; die VW-Tochter Audi plant mit 14 Milliarden Euro für die Entwicklung von Elektroautos und autonomen Fahren. Doch ohne Lithium, dem Schmierstoff für Batterien mit möglichst langer Reichweite von 300 Kilometern und mehr, geht nichts bei der E-Auto-Offensive. Daher hat sich auch der Preis je Tonne seit 2016 auf zeitweise mehr als 13.000 US-Dollar mehr als verdoppelt. Die deutsche Bundesregierung will für eine Batteriezellenproduktion im großen Stil bis zu eine Milliarde Euro an Forschungsgeldern bereitstellen.
1000 Arbeitsplätze sollen entstehen und 300 bis 400 Millionen Euro im ersten Schritt investiert werden - Acisa-Chef Schmutz betont, alles sei gut durchgerechnet und mit genug Kapital unterfüttert. Die Nachfrage nach Lithium könne sich bis 2025 vervierfachen, betont Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Die deutsche Industrie tut deshalb gut daran, sich ihren Bedarf frühzeitig zu sichern, um nicht in Rückstand und Abhängigkeit zu geraten.“ Er ist am Mittwoch auch dabei, spricht von einem „wichtigen Baustein für die Rohstoffversorgung“.
Und der Tourismus in Uyuni? Der Salzsee ist so riesig, dass die Touristen das nicht mitbekommen sollen. Aber Anwohner fürchten, dass am Ende die Förderung immer weiter ausgeweitet werden könnte.
Der Direktor des Lithium-Programms, Juan Carlos Montenegro, hat in Heidelberg Mineralogie studiert und betont: Nur 0,4 Prozent des Salzsees würden zunächst industriell ausgebeutet, das sind etwa 40 Quadratkilometer. Gerade in Argentinien, Chile und Bolivien liegen riesige Vorkommen - weil die sogar größer als vermutet sein könnten, waren Lithiumwerte an den Börsen zuletzt unter Druck geraten.





Aber das dürfte sich schon bald ändern. „Wenn man sich die Pläne etwa von VW, Audi und in China anschaut, ist die Lithiummenge sicher nicht zu klein“, sagt Heiner Marx, Vorstandschef des Thüringer Unternehmens K-Utec, das seine Ursprünge im Kali- und Steinsalzbergbau der DDR hat und für die salzverarbeitende Industrie weltweit Projekte plant. So auch eine erste YLB-Anlage im Salar, die rund 15.000 Tonnen Lithiumkarbonat im Jahr fördern soll. Und man setzt auf einen Zuschlag für die Planung der größeren Anlage, mit der ACISA mit YLB Lithiumhydroxid fördern will. Beide Verbindungen werden für die Batterieherstellung benötigt, wobei der Anteil von Lithium bei Lithiumhydroxid etwas höher ist.
So sind gleich zwei deutsche Unternehmen hier stark involviert. Doch die Konkurrenz ist groß im Ringen um einen Zugriff auf das „weiße Gold“. Wer den Aufbau der Produktionsstätten im Salzsee von Uyuni besucht, fühlt sich hier, auf 3600 Metern Höhe, mitten in China. Schriftzeichen, Karaoke, Hühnchen süß-sauer. Denn während Unternehmen wie K-Utec die High-Tech-Anlagen planen, bauen sie meist die Chinesen. Und China buhlt auch um einen direkten Zugriff auf die Lithiumförderung am Salar, aber bisher kommt erstmal nur ACISA zum Zuge, die andere Anlage will YLB alleine betreiben.
Eine Hürde für Investoren ist bisher vor allem, dass Anforderungen mehrfach geändert wurden, die Investitionsbedingungen sind nicht gerade stabil. Mangels Geld wurden die Planungen verkleinert. „Sie wollten einen weißen Elefanten, herausgekommen ist jetzt erstmal nur eine weiße Maus“, sagt ein Kenner der Planungen. Daher muss sich erst noch zeigen, ob hier für deutsche Unternehmen am Ende auch wirklich ein Schatz im Salzsee schlummert.