Große Pläne für die Post-Firma Streetscooter-Chef: „Das kann kein anderer anbieten“

Kompakte Autos, große Pläne: Jörg Sommer, Chef des Aachener E-Lieferwagenbauers Streetscooter, will künftig auch in China fertigen lassen Quelle: dpa

Der neue Streetscooter-Chef Jörg Sommer hat große Pläne für die Post-Firma: Der Aachener E-Lieferwagen soll bald international gebaut und verkauft werden. Ein Gespräch über potenzielle Kunden, Partner und ein Surfmobil.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Jörg Sommer wechselte im März 2019 vom kalifornischen Elektro-Nutzfahrzeughersteller Chanje an die Spitze von Streetscooter. Die Firma, 2010 an der Uni Aachen gegründet, gehört seit Dezember 2014 komplett der Deutschen Post. Streetscooter baut vollelektrische Kleintransporter, seit 2017 kooperiert das Unternehmen mit dem US-Autobauer Ford; mittlerweile fahren mehr als 11.000 der Fahrzeuge für die Deutsche Post. Sommer, studierter Betriebswirt und Maschinenbauer, arbeitete zuvor für Daimler, Renault und VW.

Herr Sommer, der Streetscooter stand bisher immer für einen praktischen Minimalismus. Das neue Modell hat im Gegensatz zum Vorgänger jetzt aber doch eine Klimaanlage. Wie kam es dazu?
Es ist die Philosophie von Streetscooter, sich ganz konsequent auf den Lieferverkehr zu konzentrieren. Im Postbetrieb ergibt eine Klimaanlage keinen Sinn, da der Zusteller hunderte Male am Tag ein- und aussteigt. Da sind Frontscheiben- und Sitzheizung viel effektiver. Aber jetzt haben wir internationale Kunden, zum Beispiel aus Japan. Da sind die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur viel höher, das Auto muss also andere Ansprüche erfüllen.

Sie wollen auch in den amerikanischen Markt. Welches Gefühl löst der Name in Rivian bei ihnen aus? Amazon hat gerade 100.000 Elektrolieferwagen bei dem Start-up bestellt…
Wir haben über 12.000 Fahrzeuge im Markt,  wir sind 100 Millionen Kilometer gefahren, wir haben 37.000 Tonnen Co2 gespart. Und wir kennen uns bei der Umstellung großer Flotten auf Elektromobilität aus. Rivian plant die ersten Fahrzeuge 2021 auszuliefern. Deshalb glaube ich, dass der Streetscooter in den USA ein wesentlicher Spieler werden kann.

Trotzdem, haben Sie von diesem Auftrag nicht auch geträumt?
Wir haben mit der Post einen sehr großen und zufriedenen Kunden. Und bis 2030 – das ist ja der Zeitraum, in dem es bei diesem Amazon-Auftrag geht – bewegen wir uns mit der Post in ganz ähnlichen Größenordnungen.

Die Geschichte des Streetscooters begann damit, dass die etablierten Autobauer keine elektrischen Lieferfahrzeuge im Angebot hatten…
Und auch heute gibt es immer noch keine wirklich relevanten Elektrolieferwagen im Markt.

Keine? Was ist mit Rivian, oder dem eVito von Mercedes-Benz? Auch VW hat mittlerweile Fahrzeuge im Angebot.
Inwieweit neue E-Nutzfahrzeuge anderer Hersteller die Anforderungen der Letzte-Meile-Logistik so gut erfüllen wie Streetscooter, müssen die Kunden beurteilen. Aber es geht doch um mehr als das Fahrzeug: Wenn ein Logistiker seine Flotte auf Elektroantrieb umstellen will, müssen Sie ganze Depots elektrifizieren und eine ausgeklügelte Ladestrategie entwickeln. Dazu braucht man Software, Technologie und Know-how. Das hat Streetscooter im Laufe der Jahre gelernt und das kann kein anderer anbieten.

In China wollen sie eine Fabrik bauen, die ab 2022 bis zu 100.000 Fahrzeuge im Jahr bauen soll. Wer soll die kaufen?
China ist die führende Nation in der Elektromobilität, der Markt ist extrem groß. Da sind unsere Planungen eher konservativ. Wir führen Gespräche mit großen Flottenbetreibern, und die sind sehr interessiert.

Deutsche-Post-Chef Appel erwartet für das Streetscooter-Geschäft 2019 einen deutlichen Verlust. Trotzdem soll der internationale Vertrieb intensiv ausgebaut werden – unter anderem mit Know-how aus dem Musk-Universum.
von Katja Joho

Können Sie eine so riesige Fabrik bauen, ohne Kaufverträge?
Wir suchen zunächst einen Standort für die Produktion. Und gleichzeitig sprechen wir mit großen Flottenkunden, um zu erfahren, wie wir unser Fahrzeug an chinesische Anforderungen anpassen müssen. Wir wollen den Streetscooter gemeinsam mit den Kunden für den Markt in China weiterentwickeln. Das Interesse ist groß.

In ihrem neuen Showroom in Berlin sieht man erstaunlich wenig Post-Gelb, alles ist weiß, auch ihre neuen Modelle sind weiß lackiert. Sieht so die Emanzipation des Streetscooters von der Post aus?
Meine Aufgabe ist, den Streetscooter in die nächste Wachstumsphase zu bringen und weiter zu internationalisieren. Da gehört auch eine größere Unabhängigkeit von der Deutschen Post dazu, ja.

Was ist die zukünftige Rolle der Post beim Streetscooter?
Die Deutsche Post DHL wird auch weiterhin ein wichtiger Kunde sein und ein strategischer Investor bleiben. Aber um das weitere Wachstum zu gestalten, suchen wir jetzt zusätzliche Partner.

Die Post ist schon eine Weile auf der Suche nach neuen Investoren für den Streetscooter. Sie suchen jetzt nach Partnern aus dem Logistikbereich. Liegt das daran, dass die Autokonzerne nicht interessiert waren?
Mein Team und ich sind angetreten mit dem Fachwissen, Streetscooter in die Welt zu führen. Und das ist unsere Strategie, damit haben wir die Post überzeugt und auch unsere anderen Partner. Wir wollen die Emissionen verringern in der Welt und den Verkehr in den Städten verbessern. Diese Vision wird von allen Beteiligten geteilt und verstanden.

Und VW wäre kein guter Partner für eine solche Vision gewesen? 2017 soll es Gespräche zwischen VW und der Post gegeben haben.
Es gibt viele tolle, gute Firmen in der Welt. Mein Blick ist unternehmerisch geprägt. Ich blicke nach vorne, zur Vergangenheit kann und will ich nichts sagen.

Oder Ford, auch da gab es Gerüchte über Verhandlungen?
Mit Ford haben wir eine sehr gute Kooperation, wir bauen ja ein Modell – den Streetscooter Work XL – auch mit Ford zusammen in Köln.  

Die neue Strategie der Deutschen Post ähnelt der alten: Konzernchef Frank Appel sieht das Unternehmen so gut aufgestellt „wie noch nie“, investiert aber sicherheitshalber zwei Milliarden Euro in die Digitalisierung.
von Stephan Knieps

Schaeffler?
Sie können alle Firmen durchgehen, aber Marktgerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht.

Aber mit Günter Schuh, dem Erfinder des Streetscooters, haben Sie sicherlich schon mal gesprochen? Auch er wurde als potenzieller Käufer gehandelt…
Wir haben schon mal miteinander gesprochen, schließlich sind wir beide ja in Aachen im Bereich der E-Mobilität tätig, jeder in seinem Segment.

Gibt es etwas, dass Sie persönlich am Streetscooter stört? Was würden Sie verbessern?
Ich bin 1,94 Meter groß und für mich ist das ein super Fahrzeug mit einer Menge Platz. Ich träume davon, mir das irgendwann mal als Surfmobil vor die Tür zu stellen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%