




Endlich mal gute Nachrichten für den Volkswagen-Konzern. Richter Charles Breyer hält die Lösung der VW-Ingenieure für die 480.000 in den USA vom Abgas-Skandal betroffenen Diesel mit 2,0-Litermotoren für akzeptabel. Jetzt müssen die Kunden entscheiden, ob sie ihre Autos reparieren lassen oder doch von VW zurücknehmen lassen möchten. So oder so dürfte Breyers Entscheidung für ein wenig Erleichterung bei Konzernchef Matthias Müller gesorgt haben. Ein Punkt weniger auf der langen Liste, die der 63-Jährige abzuarbeiten hat. Da zählt jeder Lichtblick.
Die Milliarden-Buße für VW im Überblick
Der Konzern hat mit US-Klägern einen Vergleich ausgehandelt. Demnach muss VW die knapp 15 Milliarden Dollar für verschiedene Dinge ausgeben: für einen Umweltfonds und die Förderung von emissionsfreien Autos etwa. Der weitaus größte Teil wird aber an Kunden fließen, die in den USA einen manipulierten VW oder Audi besitzen.
Die reine Entschädigung für Autobesitzer soll zwischen 5100 und knapp 10.000 Dollar pro Fahrzeug liegen. Das kommt darauf an, wie alt das Auto ist. Zusätzlich muss der Konzern den Kunden anbieten, ihre Autos zurückzukaufen. Die Diesel-Besitzer sollen dabei so viel Geld bekommen, wie ihr Auto vor Bekanntwerden der Manipulationen wert war.
Jein. Generell haben US-Kunden eine Wahlmöglichkeit: Entweder Rückruf mit einer Nachbesserung oder Rückkauf, also Rückgabe. Diese Varianten stehen in Deutschland und Europa nicht zur Auswahl. Dafür hat der Rückruf hierzulande schon begonnen und in den nächsten Wochen soll er weiter Fahrt aufnehmen, so dass zum Jahresende alle 2,5 Millionen Diesel in Deutschland nachgebessert sein könnten. In den USA hat VW bis Mai 2018 Zeit, um sich technische Nachbesserungslösungen von den Behörden absegnen zu lassen. Das gilt dort als deutlich kniffliger.
Wahrscheinlich nicht viel. Volkswagen hat wiederholt betont, dass eine Entschädigung wie in den USA in Europa und damit auch in Deutschland nicht infrage komme. Vorstandschef Matthias Müller selbst hat das mehrfach ausgeschlossen. Verbraucherschützer kritisieren, dass Kunden in den USA mehr bekommen sollen. Einige Anwaltskanzleien haben sich zum Ziel gesetzt, auch für betroffene Autobesitzer in Europa Schadenersatz zu erstreiten. Die Erfolgsaussichten sind aber aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme ungewiss.
Nein. Zum einen müssen sich nicht alle Kläger in den USA einem Vergleichsvorschlag anschließen und können individuell weiter klagen. Auch von drei US-Bundesstaaten sind inzwischen Klagen eingegangen. Zum anderen muss VW auch außerhalb der USA viele Verfahren bewältigen. In Deutschland fordern ebenfalls Kunden Entschädigungen oder Rückkäufe. Gerichte haben hier in ersten Instanzen unterschiedlich geurteilt. Zudem fühlen sich zahlreiche VW-Aktionäre von dem Konzern zu spät über die Manipulationen informiert. Sie wollen sich Kursverluste erstatten lassen.
Den gibt es jetzt auch in Form einer wieder gestiegenen Nachfrage nach Modellen aus Wolfsburg. War das erste Quartal noch mau, zogen die Märkte im zweiten wieder an. Der Konzern meldet ein Plus von 1,5 Prozent bei den Verkäufen weltweit. 5,12 Millionen Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Porsche, Skoda, Seat, MAN, Scania & Co. fuhren bei den Händlern vom Hof. „Das insgesamt solide Wachstum während des ersten Halbjahrs resultiert auch aus dem starken Juni-Ergebnis. Besonders die Regionen Europa und Asien-Pazifik fungierten als Impulsgeber“, sagt Fred Kappler, Leiter Konzern Vertrieb. Das erfreuliche Ergebnis spiegele das Vertrauen der Kunden in die VW-Produkte „auch in diesen herausfordernden Zeiten“ wider.
Weiter abwärts geht es allerdings auf dem südamerikanischen Markt. Bis Juni brachen die Verkäufe gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 25 Prozent auf knapp 224.000 Fahrzeuge ein – allein musste Volkswagen ein Minus von 33 Prozent hinnehmen. China rettet Volkswagen einmal mehr das Halbjahresergebnis – zumindest was den Absatz angeht. Mit 6,8 Prozent mehr verkauften Autos (1,7 Millionen Fahrzeuge) konnte sich VW erneut steigern. Allein im Juni lag der Absatz fast 19 Prozent über dem Vorjahr. Die Zahlen belegen, wie stark der Konzern von der chinesischen Konjunktur abhängig ist. Volkswagen setzt mittlerweile fast genauso viele Fahrzeugen im Asien-Pazifik-Raum ab wie in Europa.
Bei einem Blick auf die einzelnen Marken geht die Krone für die beste Entwicklung im ersten Halbjahr 2016 an die Volkswagen Nutzfahrzeuge mit 7 Prozent mehr Auslieferungen. Der Münchener Lkw-Hersteller verliert, dafür legt die schwedische Tochter Scania um 9 Prozent zu. Audi (+5,6 Prozent) und Porsche (+4,6 Prozent) legen im Pkw-Bereich am stärksten zu und dürften damit auch am meisten zum Gewinn beitragen. Die Töchter legen am Freitag ihre exakten Zahlen vor, Volkswagen wird am Donnerstag seine Halbjahresbilanz im Detail vorstellen.
Am 20. Juli haben die Wolfsburger bereits per Adhoc-Mitteilung darüber informiert, dass das operative Ergebnis des Konzerns vor Sondereinflüssen im ersten Halbjahr 2016 deutlich über den Markterwartungen liege. Nach Sondereinflüssen – sprich die erhöhten Rückstellungen durch die Vergleiche in den USA – beträgt das operative Ergebnis 5,3 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr rechnet Volkswagen mit einer operativen Rendite vor Sondereinflüssen von fünf bis sechs Prozent.
Derweil gehen die Ermittlungen im Dieselskandal weiter. „Die Zahl der Beschuldigten im 'Diesel-Verfahren' hat sich zwischenzeitlich von 17 auf 21 Beschuldigte erhöht. Es befinden sich nach wie vor keine Vorstandsmitglieder in diesem Kreis“, sagte der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem führt die Staatsanwaltschaft München Vorermittlungen wegen möglichweise illegaler Software in Audi-Dieselmotoren durch.
Für Konzernchef Müller bleibt das zweite Halbjahr so anstrengend wie das erste. Neben der Aufarbeitung des Skandals muss er dafür sorgen, dass die Kernmarke VW unter der Leitung von Herbert Diess weiter an ihrer Profitabilität arbeitet und der Konzern nicht zu sehr vom chinesischen Markt abhängig wird.