Hauptversammlung „BMW ist vom Vorreiter zum Nachzügler geworden“

BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse während der Bilanz-Pressekonferenz neben dem E-Automodell i4 im März 2021. Quelle: imago images

BMW preist seine Elektrostrategie – doch die Investoren des Autobauers sind nicht zufrieden. Der Plan sei halbherzig. An der Börse werde die Zukunft gehandelt, doch „die scheint BMW abhandengekommen“, sagt ein Investor.

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BMW ist schon oft seinen eigenen Weg gegangen. Das war so beim Heckantrieb, an dem die Münchner länger festhielten als fast jeder andere Autobauer. Das war so, als es um schmutzige Diesel ging. BMW löste das Abgasproblem zumindest in manchen Modellen technisch aufwändiger und gründlicher als seine deutsche Konkurrenten Volkswagen und Daimler. So konnte bis heute keine Strafverfolgungsbehörde BMW in dieser Sache Verfehlungen nachweisen.

Nun geht BMW auch beim Thema Antrieb einen eigenen Weg. Anders als die meisten Autohersteller scheut sich der Konzern, auf eine rein elektrische Fahrzeugarchitektur zu setzen. Stattdessen soll eine einzige Plattform Autos mit verschiedenen Antrieben – Verbrenner, Hybride, E-Autos und Wasserstoffautos – ermöglichen. So kann BMW flexibel auf Kundenwünsche reagieren und spart sich spezielle E-Auto-Werke. Aber: Der Traditionskonzern läuft Gefahr, technisch abgehängt zu werden.

Denn wer auf eine reine Elektroplattform setzt, gewinnt Platz im Innenraum. VW etwa kann seinen Kunden mit einem Elektromodell in Golf-Größe den Innenraum eines Passats anbieten – warum sollten BMW-Kunden das nicht auch einfordern? Und das ist nur einer der vielen Vorzüge eines konsequent als E-Auto geplanten Autos. Speziell auf Batterieantrieb ausgelegte Plattformen sind bei vielen wichtigen Kriterien – etwa den Fahreigenschaften, den Herstellkosten, der Reichweite oder der Sicherheit – überlegen.  

von Annina Reimann, Martin Seiwert, Stefan Hajek, Matthias Hohensee

So stellt sich die Frage, wie viele technische Kompromisse eine Marke wie BMW verträgt. Nicht viele, warnen BMW-Investoren und Analysten im Vorfeld der BMW-Hauptversammlung. Sie kritisieren, dass sich BMW beim Thema Elektromobilität nicht für eine Richtung entscheiden will. „Ein halbherziges Bekenntnis zur Elektromobilität reicht im aktuellen Elektro-Hype nicht, um an der Börse erfolgreich zu sein“, sagt Analyst Janne Werning von Union Investment. Die Konkurrenz aus Wolfsburg und Stuttgart ziehe BMW beim Aktienkurs davon. „Nach dem Milliardengrab i3 hat BMW der Mut verlassen. In der Elektromobilität ist BMW vom Vorreiter zum Nachzügler geworden“, so Werning.

Geht es nach BMW, werden Benzin, Diesel, Hybrid und Elektro noch lange parallel gebaut. Und der Wasserstoffantrieb soll demnächst noch dazukommen. Tatsächlich aber setzt die Autowelt längst auf Strom. Immer mehr Autokonzerne konzentrieren sich voll auf das Batterieauto – und planen ohne den Verbrenner. So ziemlich alle haben ihre Strategie dem Zeitgeist und Techniktrend angepasst – nur BMW tut sich schwer.

Zwar kündigte BMW-Chef Oliver Zipse Mitte März an, dass die Mittelklasselimousine i4 früher komme als geplant, dass BMW mit weiteren Elektromodellen „in die Breite“ gehe, dass das Unternehmen im laufenden Jahrzehnt mit doppelt so vielen E-Auto-Verkäufen rechne wie bisher – und vor allem, dass ab 2025 eine Produktwelt namens „Neue Klasse“ entstehen soll, in der sich alles um den E-Antrieb dreht. Und doch scheut sich BMW weiter, auf eine rein elektrische Fahrzeugarchitektur zu setzen.

„BMW sieht in flexiblen Produktionsstätten und Plattformen, die alle Antriebsarten nutzen können, einen Wettbewerbsvorteil. Der Kapitalmarkt sieht darin einen Gemischtwarenladen ohne klares Profil und straft BMW mit einem satten Bewertungsabschlag ab“, kritisiert Werning von Union Investment. An der Börse werde die Zukunft gehandelt, doch diese scheine „BMW abhandengekommen“. Er will deshalb von Vorstandschef Zipse wissen, wie er es künftig ändern wolle, dass BMW im Gegensatz zu VW-Konzernchef Herbert Diess und Daimlerchef Ola Källenius „am Kapitalmarkt noch kaum sichtbar und greifbar“ sei. Und wie lange er noch in die Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren investieren wolle.

Winfried Mathes, Spezialist Corporate Governance bei Deka Investment, findet die BMW-typische „Mehrgleisigkeit der Produktion von Elektroautos, Hybrid- und umweltfreundlicheren Verbrennerfahrzeugen“ derzeit die betriebswirtschaftlich sinnvollste Lösung, gibt aber zu bedenken: „In der Produktion ist Flexibilität gefragt, wenn sich die Nachfragesituation sehr schnell in Richtung Elektromobilität entwickeln sollte. Hier muss BMW vorsorgen, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.“

Mit der sogenannten Neuen Klasse wolle BMW ab 2025 nicht nur eine neue Fertigungsarchitektur einführen, so Mathes, sondern auch mit dem „ultimativen Elektroauto“ durchstarten: Mit einem neuen Betriebssystem, einer neuen Batteriegeneration und nachhaltigen, recycelbaren Materialien. „Das soll eine EBIT-Marge von acht bis zehn Prozent sichern. Da fragt man sich als Investor, warum die Neue Klasse nicht mehr verdient als ein Benziner“, kritisiert der Mathes. „Der Anspruch von BMW, das grünste Auto der Welt zu bauen, müsste sich eigentlich positiver auf die Profitabilität auswirken.“

Noch härter geht Arndt Ellinghorst, Analyst, Managing Director und Senior Vice President beim Investmenthaus Sanford C. Bernstein Limited, mit den Münchnern in Gericht. Während Daimler eine radikale Konzernaufspaltung vorantreibe und sich Volkswagen proaktiv von einem Industrie- zu einem Techkonzern wandle, bleibe in München anscheinend alles beim Alten, sagt Ellinghorst. „BMW ist in uralten und erzkonservativen Prozessen verhaftet.“

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Mit dem Elektroauto i3, das 2013 als damals fortschrittlichstes E-Auto auf den Markt kam, war BMW bei der Antriebstechnik führend, die nun zum Standard für alle Autobauer wird. Es ist diese frühere Größe, der mancher Investor nachtrauert. „BMW“, sagt Hendrik Schmidt, Senior Research Analyst Corporate Governance der Fondsgesellschaft DWS, „will wieder zurück an einen Punkt, an dem das Unternehmen bereits war: führend in der E-Mobilität und in der Nachhaltigkeit.“

 
Mehr zum Thema: Nun setzt auch BMW stärker auf Elektromobilität. Allerdings halbherzig. Verlieren die Münchner endgültig den Anschluss?

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