Hauptversammlung Daimler ist nicht mehr Maß aller Dinge

Trotz neuer Rekordverkäufe sieht Daimler-Chef Dieter Zetsche noch Wachstumspotential für seinen Konzern. Die Geduld von Großaktionären ist aber sehr strapaziert. Sie greifen Zetsche auf der Hauptversammlung an.

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Diese Modelle hat Mercedes im Programm
Der kleinste Benz im Programm ist die A-Klasse. In dieser Form wird es den Golf-Konkurrenten aber nicht mehr lange geben: Mit der neuen Generation, die Anfang März in Genf vorgestellt wird, verabschiedet sich Mercedes von der Sandwich-Bausweise und macht aus der A-Klasse einen gewöhnlichen Kompaktwagen. Quelle: dpa-tmn
Seit Herbst 2011 ist die neue B-Klasse im Handel. Der Komaptvan hat den Sandwichboden behalten - darin sollen später Brennstoffzellen untergebracht werden. Quelle: obs
Die günstigste C-Klasse ist ab 32.700 Euro erhältlich. Mit einem stärkeren Motor und entsprechender Ausstattung ist aber auch ein deutlich höherer Preis drin. Das scheint die Kunden aber nicht zu stören, denn die C-Klasse ist nach wie vor eines der meistverkauften Modelle der Schwaben. Quelle: dapd
Auch wenn es der Rangfolge der Baureihen nicht passt, kommt nach C eben der CL. Das große Coupé auf Basis der S-Klasse ist nur mit Acht- und Zwölfzylindern zu haben. Das gehört zum Luxus des Modells einfach dazu. Genauso wie der Preis von mindestens 120.000 Euro. Quelle: Daimler
Mit der ersten Generation des CLS hat Mercedes ein neues Fahrzeugsegment erfunden: das viertürige Coupé. Für viele bleibt er trotz dieser Bezeichnung auch in der zweiten Generation einfach eine elegante Limousine. Quelle: Mercedes
Das D lassen die Schwaben noch aus, weiter geht es mit der E-Klasse. Das aktuelle Modell mit dem typischen Vier-Augen-Gesicht ist seit 2009 auf dem Markt. Quelle: dpa
Die CLK-Baureihe hat Mercedes eingestampft, seit 2010 firmieren Coupé und Cabrio auch als E-Klasse. Sie tragen zwar beide eine von Limousine und Kombi eigenständige Frontpartie, sind aber sofort als Teil der Baureihe zu erkennen. Quelle: PR

Der Stuttgarter Autobauer Daimler eilt von Rekord zu Rekord und sieht noch weitere Wachstumschancen. „Unser Unternehmen ist auf dem Weg zur Bestform, aber noch nicht am Ziel“, sagte Vorstandschef Dieter Zetsche am Mittwoch laut Redemanuskript bei der Hauptversammlung in Berlin. „Wir trauen uns noch mehr zu, das gilt auch für den Aktienkurs.“ Im ersten Quartal hatte der Konzern so viele Autos verkauft wie noch nie zuvor. Der Absatz stieg um 12 Prozent auf 340.000 Stück. Auch die Lastwagensparte legte deutlich zu. Daimler verkaufte insgesamt rund 107.000 Fahrzeuge, 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei den Bussen läuft es dagegen nicht so rund. Der Absatz sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund ein Drittel auf 5000 Stück.

Doch das war bei weitem nicht der einzige Kritikpunkt von Großaktionären. So hat die Fondsgesellschaft Union Investment dem Daimler-Chef auf der Hauptversammlung die Leviten gelesen. Die Anteilseigner könnten sich zwar „über eine sehr ordentliche Dividende freuen“, sagte Fondsmanager Ingo Speich am Mittwoch in Berlin. Sie soll von 1,85 Euro je Aktie auf 2,20 Euro steigen.

Bei genauerem Hinsehen verblasse „aber der Glanz des Sterns im Schatten der übermächtigen Wettbewerber“, sagte Speich. Trotz eines Rekordabsatzes bei Pkw verkaufe Daimler weniger Pkw als BMW und Audi und verdiene weniger als die Wettbewerber. „Nicht Daimler, sondern BMW und Audi sind heute im Premiumsegment das Maß aller Dinge“, sagte der Fondsmanager. Das setzte sich im Auftaktquartal 2012 fort: BMW lieferte weltweit mehr als 400.000 Fahrzeuge der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce aus und erzielte damit einen Rekordwert, wie Vertriebschef Ian Robertson am Mittwoch in New York sagte.

Daimler verliere seit Jahren Marktanteile, während BMW und Audi „erfolgreich den Turbo gezündet“ hätten. Daher habe sich die Daimler-Aktie „im Jahr 2011 um 20 Prozent schlechter entwickelt als die Aktie von BMW“, rechnete der Fondsmanager vor. Rückblickend auf das vergangene Jahrzehnt könne man „von einer verlorenen Dekade“ für den einstmals größten deutschen Premium-Pkw-Anbieter sprechen, sagte Speich und verlangte vom Vorstand - unter Beifall des Publikums - auch einen Ausstieg aus der Formel-Eins-Rennserie nach dem Vorbild des Wettbewerbs BMW. Das Sponsoring der Rennserie kosten Millionen, zudem fahre Daimler mit seinem Mercedes-Rennstall hinterher.

„Daimler ist gut, aber die Wettbewerber sind besser“

Mercedes gegen BMW
Mercedes gegen BMW. Seit je her werden die Autos der beiden Premiumhersteller miteinander verglichen. Doch auch ein Vergleich der Unternehmenszahlen ist interessant. Das Duell im Überblick. Quelle: dpa
Umsatz pro verkauftes Auto: Die Schwaben setzen im Schnitt pro verkauftem Auto stolze 41.356 Euro um. Bei BMW ist es weniger: Hier beläuft sich der Umsatz pro Fahrzeug auf 38.432 Euro.1:0 für Mercedes. Quelle: Reuters
Umsatz pro Mitarbeiter: Um diesen Umsatz zu generieren braucht Mercedes aber deutlich mehr Mitarbeiter. Dieser beläuft sich bei den Stuttgartern auf 575.100 Euro pro Kopf, während bei den produktiveren Münchnern jeder Mitarbeiter im Schnitt für 695.100 Euro Umsatz sorgt.BMW gleicht zum 1:1 aus. Quelle: dpa
Entwicklungskosten pro verkauftes Auto: Mercedes hat eine deutlich höhere Fertigungstiefe als BMW. Soll heißen, dass die Schwaben mehr Bauteile ihrer Autos selbst fertigen - und damit auch selbst entwickeln. Während BMW beispielsweise sämtliche Getriebe einkauft - unter anderem von ZF, baut Mercedes im Werk Hedelfingen eigene Handschalt- und Automatikgetriebe. Lange Rede, kurzer Sinn: Pro verkauftem Auto gibt Mercedes 2.688 Euro für Forschung und Entwicklung aus, BMW nur 1.881 Euro.Mercedes geht wieder mit 2:1 in Führung. Quelle: Reuters
Betriebsergebnis pro verkauftes Auto: Beim Umsatz pro verkauftem Fahrzeug war Mercedes vor den Bayern. Beim Gewinn drehen die den Spieß allerdings um: Die Münchner verdienen pro Auto im Schnitt 4.606 Euro, bei Mercedes sind es nur 3.658 Euro.Erneuter Ausgleich für BMW - 2:2. Quelle: dpa
Produzierte Autos je Mitarbeiter: Hier hat BMW die Nase vorne. Umgerechnet produziert jeder Mitarbeiter 18,1 Fahrzeuge. Bei Mercedes sind es nur 13,9 Autos.Erstmals geht BMW mit 2:3 in Führung. Quelle: dapd
Absatzwachstum seit Ende 2006: Beide Autobauer blicken auf ein erfolgreiches Jahr 2011 zurück, und auch der Januar ist für Mercedes und BMW gut gelaufen. Doch seit Ende 2006 kann BMW das größere Absatzwachstum aufweisen. Die Münchner legten 17,7 Prozent zu, Mercedes nur 8,2 Prozent. Quelle: dapd

In den vergangenen zwölf Monaten haben die BMW-Aktien elf Prozent gewonnen, die Daimler-Titel dagegen elf Prozent verloren. Darin spiegelt sich unter anderem der Renditerückstand von Daimlers Kernsparte Mercedes-Benz Pkw zu den Oberklasse-Rivalen aus München und Ingolstadt wider. Mercedes-Benz verdiente 2011 operativ neun Prozent vom Umsatz, die Rivalen erzielten zweistellige Renditen. DWS-Fondsmanager Stefan Bauknecht kritisierte, Daimler habe in seiner Kernsparte Mercedes-Benz den Trend zu kleinen Geländewagen „verschlafen“. Zudem müsse der Konzern in den kommenden Jahren noch Kosten zur Reduzierung der Abgasemissionen schultern, um wieder Anschluss an die Wettbewerbern zu bekommen. Dadurch werde die Rendite belastet, wie Daimler für dieses Jahr bereits in Aussicht gestellt hat.

Der zur Deutschen Bank gehörende Fonds DWS ist Reuters-Daten zufolge mit 1,2 Prozent an Daimler beteiligt, der zur Volks- und Raiffeisen-Bankengruppe zählende Fonds Union Investment mit gut 0,6 Prozent. Größter Daimler-Anteilseigner ist die arabische Investmentgruppe Aabar mit neun Prozent. Daimler hatte das zurückliegende Geschäftsjahr mit Rekorden bei Umsatz, Absatz und Ergebnis abgeschlossen und will an die Aktionäreeine der höchsten jemals in der 125-jährigen Unternehmensgeschichte ausgeschütteten Dividenden zahlen. Der Überschuss legte um knapp 30 Prozent auf 6 Milliarden Euro zu, der Umsatz um 9 Prozent auf 106,5 Milliarden Euro.

„Daimler ist gut, aber die Wettbewerber sind besser“, sagte Michael Kunert von der Aktionärsvereinigung SdK und forderte die Ausschüttung von mindestens 50 Prozent des Konzerngewinns. Mit der vorgeschlagenen Dividende von 2,20 Euro je Aktie will Daimler für 2011 rund 40 Prozent des Gewinns ausschütten.

„Ergebnis durch aggressive Bilanzierung geschönt“

Nach Einschätzung von Fondsmanager Speich hat Daimler das jüngste Betriebsergebnis in Höhe von 8,8 Milliarden Euro Ergebnis mit „aggressiver Bilanzierung“ geschönt. Durch die Aktivierung von Investitionsaufwendungen in der Bilanz sei das operative Ergebnis rund 630 Millionen Euro höher ausgefallen als bei direkter Abschreibungen der Aufwendungen. Zetsche bestätigte am Mittwoch die Prognosen: Der Konzern erwartet, dass der Absatz in diesem Jahr insgesamt deutlich wächst und auch der Umsatz steigt. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern aus dem laufenden Geschäft soll aber bei rund 9 Milliarden Euro stagnieren. Hohe Investitionen drücken bei Daimler auf die Profitabilität.

„Wo wir nicht die Nummer eins sind, wollen wir es werden“, versprach Zetsche den Investoren. Die Wettbewerbsposition werde sich in den nächsten Jahren unter anderem durch drei neue Modelle der luxuriösen Mercedes-Benz S-Klasse verbessern. Doch auch seine Position als weltgrößter Nutzfahrzeughersteller spielt Daimler derzeit bei der Ertragskraft nicht voll aus und zuckelt den kleineren Rivalen Volvo und Scania hinterher. Dieser Rückstand soll bis 2013 durch die vermehrte Nutzung von gleichen Bauteilen in Lkw und die Expansion nach Indien und China wettgemacht werden.

Um den Führungsanspruch durchzusetzen, will der Daimler-Vorstand im laufenden und im kommenden Jahr nochmals tief in die Tasche greifen. 2012 und 2013 sind Investitionen in Forschung und Entwicklung in Höhe von knapp elf Milliarden Euro eingeplant, fast die gleiche Summe sollen in Sachanlagen fließen. „Innovation und Wachstum gibt es nachhaltig nicht zum Nulltarif“, rechtfertigte Zetsche die anstehenden Milliarden-Ausgaben zur Entwicklung verbrauchsärmerer Motoren, neuer Fahrerassistenz-Systeme oder neuer Leichtbau-Werkstoffe. Die Investitionen bedeuteten „natürlich“ kurzfristig eine Belastung, mittel- und langfristig sei das Geld aber „hervorragend“ angelegt, warb Zetsche für seinen Kurs.

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