Hessens Wirtschaftsminister Al-Wazir "Wer das Werk Rüsselsheim schließt, schließt Opel"

Der Verkauf von Opel an PSA hätte große Auswirkungen auf das Unternehmen, aber auch den Standort Rüsselsheim. Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir spricht im Interview über die Zukunft der Traditionsmarke Opel.

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Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen). Quelle: dpa

Als der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir gehört hat, dass der französische Autokonzern PSA Peugeot-Citroën den Rüsselsheimer Autobauer Opel kaufen will, war er vom Donner gerührt. Der Fahrzeughersteller ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in Hessen, hat jedoch seit 16 Jahren kein Gewinn mehr erwirtschaftet und brauchte 2008 sogar eine Bürgschaft von Hessen über 500 Millionen Euro. Der amerikanische Mutterkonzern General Motors (GM) will Opel wegen der anhaltenden Probleme loswerden.

WirtschaftsWoche: Herr Al-Wazir, Sie haben doch sicher einen Opel als Dienstwagen. Der Autohersteller ist ja einer der wichtigsten Arbeitgeber in ihrem Bundesland.
Tarek Al-Wazir: Aktuell fahre ich Audi A6, 2,0 Liter Motor, Diesel, Euro 6 mit 109 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer. Aber wir haben auch Opel im Fuhrpark. Seit ich Minister bin, werden die Autos im Wirtschaftsministerium vor allem nach ihrem CO2-Ausstoß ausgewählt. Früher fuhr der Minister hier 7er BMW. Den habe ich gleich beim Amtsantritt in einen 5er getauscht.

Wird das nächste Fahrzeug dann ein Opel sein?
Wahrscheinlich nicht. Opel ist im Dienstwagensegment ja nicht mehr sehr verbreitet. Ich glaube, dass ich schon das kleinste Auto im Kabinett fahre. Aber auch dieses Segment wird von Opel ja nicht mehr wirklich bedient. Wer weiß, was die Zukunft bringt, wenn ich da an den historischen Citroën DS denke…

Nähmaschinen, Laubfrosch und ein Raketenantrieb
Die Marke mit dem Blitz - Opel Quelle: dpa
Anfang mit Nähmaschinen Quelle: PR
Opels Markenlogo 1862 Quelle: PR
Fahrrad „Velociped“ Quelle: PR
„Patent Motorwagen System Lutzmann“ Quelle: PR
Erste Eigenkonstruktion: Modell 10/12PS Quelle: PR
Opel Zweizylinder-Luxus-Motorrad Quelle: PR

Als Parteimitglied der Grünen haben Sie privat sicher kein Auto, oder?
Doch, einen zehn Jahre alten VW Touran. Ein Familienauto halt.

Die CO2 Werte wollen sie wahrscheinlich nicht nennen.
Doch, die habe ich im Kopf. Der müsste 165 Gramm ausstoßen. Das war damals einer der ersten Diesel, der den Partikelfilter serienmäßig drin hatte. Aber wir überlegen gerade, was unser nächstes privates Auto wird.

Das wird aber doch sicher ein Opel sein.
Ehrlich gesagt entscheidet das meine Frau – und die hat sich noch nicht entschieden. 

Zur Person

Dann sind Sie entschuldigt.
Ich bin auf das neue Elektroauto von Opel, den Ampera-e gespannt. Sobald der auf dem Markt ist, werden wir ihn sicher in unserem Ministerium auch in den Fahrzeugpool aufnehmen. Die spannende Frage ist: Wird der Ampera-e am Ende der Verhandlungen zwischen General Motors und Peugeot wirklich noch mit dem Opel-Blitz am Kühlergrill ausgeliefert? Oder doch als Chevrolet Bolt der Opel-Mutter General Motors?

Wie bewerten Sie den Wunsch von Peugeot, Opel zu kaufen?
Ich weiß noch genau, wie die Nachricht auf meinem Handy mitten in einer Fraktionssitzung im Landtag aufpoppte. Bei Opel bangen wir seit 15 Jahren mit. Mein erster Gedanke war: Nicht schon wieder. Nun aber sehe ich es auch als Chance, dass Opel künftig Teil eines Konzerns werden könnte, der zwar vor allem in Europa stark, aber eben auch weltweit unterwegs ist. Ein Teil der Opel-Probleme rührt ja daher, dass Opel der Mutter General Motors in vielen Ländern keine Konkurrenz machen durfte. Das dürfte sich nach einem Verkauf wohl ändern.

Also kann es mit Opel nun nur noch bergauf gehen?
Ein Selbstläufer wird das nicht. Eines der Hauptprobleme von Opel ist aktuell, dass der wichtigste Markt Großbritannien ist. Dort hat Opel unter der Marke Vauxhall mehr Autos verkauft als in Deutschland. Die Folgen des Brexit, etwa das schwache Pfund, haben Opel erneut Verluste beschert. Das Problem verschwindet durch den Verkauf nicht.

Peugeot hat für die deutschen Standorte bis Ende 2018 Beschäftigungsgarantien versprochen. Geht das weit genug?
Ich glaube nicht, dass man von Peugeot zum jetzigen Zeitpunkt viel mehr verlangen kann, als General Motors bereit war zu geben. Opel hat seit dem Jahr 1999 keinen Gewinn gemacht, das darf niemand vergessen.

„Der Kern von Opel ist Rüsselsheim“

Deshalb müssen bei Opel ja auch die Kosten sinken.
Das ist aber ein schmaler Grat. Ich erinnere daran, dass Opel in den Neunzigern ein drastisches Sparprogramm aufsetzte, um den Profit zu erhöhen. Zuverlässigkeit und Qualität wurden für kurzfristige Kostensenkungen und minderwertige Produkte aufs Spiel gesetzt. Mein Onkel hatte, als ich ein Kind war, einen Opel Rekord und der fuhr und fuhr und fuhr. Das nächste Familienauto war ein Opel Vectra, der eher einen Hartplastik-Charme hatte und nicht lange hielt. Jetzt fährt man dort einen VW Golf. Da sieht man, dass kurzfristiges Sparen langfristig teuer werden kann. Aber zum Glück bietet Opel heute wieder gute und attraktive Autos an.

Das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim entwickelt viel für General Motors. Wird das nun zum Problem für den Standort?
Der Kern von Opel ist Rüsselsheim. Wer das Werk hier schließt, schließt Opel. In Rüsselsheim arbeiten zwar inzwischen mehr Menschen in der Entwicklung als in der Produktion. Es gibt mehr Ingenieure als Arbeiter am Band. Der Prozentsatz der Angestellten in Forschung und Entwicklung ist deshalb in Rüsselsheim höher als in der Wissenschaftsstadt Darmstadt, die 25 Kilometer entfernt ist. Aber Entwicklungszentrum und Produktion gehören zusammen.

Womit rechnen Sie, falls der Deal doch noch scheitert und Opel bei GM bleibt?
Dann geht die Welt nicht unter. Aber die entscheidende Frage für Opel ist die Zukunftsperspektive für das Entwicklungszentrum. Auch GM müsste die Frage beantworten, welche Rolle Opel künftig in der Unternehmensgruppe spielen soll. Die Kompetenz in Rüsselsheim liegt aktuell darin, effiziente Verbrennungsmotoren zu entwickeln. Das wird in zehn Jahren für die Zukunft der Marke nicht mehr entscheidend sein. Da geht es dann um andere Fragen: Um Know-how beim autonomen Fahren und um alternative Antriebe wie die Elektro-Mobilität. Die Zukunft von Opel hinge dann davon ab, ob General Motors diese Antriebe und diese Technik auch in Rüsselsheim entwickeln ließe. Unter dem PSA-Dach gilt das natürlich genauso. Und auch da gilt die Frage, wo Opel künftig positioniert wäre. VW hat das ja erfolgreich von Audi über VW, Seat bis hin zu Skoda vorgemacht. Die spannende Frage ist, wo Opel in einer Mehrmarkenstrategie im PSA-Konzern positioniert wäre.

Opels Produktionsstandorte in Europa

Wäre es denkbar, dass das Land bei Opel einsteigt und so hilft, den Standort zu sichern?
Das würde die Probleme von Opel nicht lösen. Es ist auch gar nicht nötig, dass das Land als Retter aufritt. Opel macht zwar noch Verlust, ist aber dennoch in einer sehr viel besseren Verfassung als in der letzten Opel-Krise, als wir mit einer Bürgschaft aushelfen mussten. Das steht diesmal gar nicht zur Debatte.

Die Deutsche Börse wollte mit der Börse in London fusionieren. Doch letztere will jetzt Auflagen der EU-Kommission nicht erfüllen. Für wie wahrscheinlich halten sie es, dass die Fusion noch durchkommt?
Die Londoner Börse selbst schätzt die Wahrscheinlichkeit ja nicht mehr als sehr hoch ein. Aber klar ist auch: Noch hat die EU-Kommission nicht entschieden.

Das Land Hessen ist für die Börsenaufsicht zuständig und hätte die Fusion auch torpedieren können. Sind Sie froh, dass der Schwarze Peter für das drohende Aus nun vermutlich in London landet statt bei Ihnen?
Da geht es nicht um froh oder nicht froh. Wenn man in so einer Position ist wie ich, dann sollte man bei solchen Themen nicht emotional sein.

Diese Autobauer haben die zufriedensten Kunden
Volvo Quelle: dpa
Toyota Quelle: dpa
Opel Adam Quelle: obs
Skoda Fabia Quelle: obs
Toyota Auris Quelle: dapd
Skoda Superb Quelle: obs
Kia Sportage Quelle: obs

Für wie gefährlich hielten Sie als Wirtschaftsminister es denn, wenn unsere Börse doch noch nach London geht?
Ganz banal: Wir haben nach dem Börsengesetz, Paragraf 6, zu entscheiden und eine Prognose zu treffen, was die Fortentwicklungsperspektive der Börse am Standort angeht. Auch da warten wir, ob und wenn ja über welchen Antrag wird am Ende zu entscheiden haben.

Sie müssen als Börsenaufseher auch darüber entscheiden, ob Carsten Kengeter geeignet ist, die Deutsche Börse zu leiten. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen ihn wegen möglichen Insiderhandels. Ist er noch zu halten?
Auch für Herrn Kengeter gilt die Unschuldsvermutung. Wir werden den Fortgang der Ermittlungen natürlich beobachten.

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