Historisches Quartal Teslas Erfolg ist ein Glaubenskrieg geworden

Elon Musk will Tesla Model 3 bald nach Europa bringen Quelle: imago images

Tesla schreibt schwarze Zahlen – diesmal dauerhaft, wie Elon Musk versichert. Damit das so bleibt, will Tesla das Model 3 bald nach Europa bringen. Doch Hedgefonds-Größen prophezeien noch immer die baldige Pleite.

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Andrew Left hängt sein Fähnchen immer nach dem Wind. Er ist stolz darauf. Schließlich ist es seine Geschäftsphilosophie. „Als Shortseller muss ich stets hinterfragen, wo der Markt tatsächlich steht“, bekräftigt der Gründer des auf Leerverkäufe fokussierten Investors Citron Research. Der ehemalige Finanz-Blogger gehörte bislang zu den größten Kritikern von Tesla-Chef Elon Musk. Das ist er auch weiterhin – allerdings nur, was die Person Musk angeht. Doch bei „Tesla als Unternehmen“ hat der 48-Jährige seine Meinung geändert. „Das Model 3 dominiert eindeutig den Markt“, staunt Left. Wegen der persönlichen Kapriolen Musks – öffentlicher Haschkonsum, leichtfertige Versprechungen, wüste Verleumdungen eines britischen Tauchers und Hang zu Verschwörungstheorien – gerate das jedoch leicht in den Hintergrund.

Seit Anfang der Woche ist Left nun auch öffentlich zum Tesla-Cheerleader avanciert. Anscheinend rechtzeitig. Seit Mittwochnachmittag kalifornischer Zeit ist klar: Musk hat nicht nur sein Versprechen vom Mai eingelöst, Tesla im dritten Quartal in die Gewinnzone zu führen. Und das sogar ziemlich deutlich, mit 312 Millionen Dollar Plus statt 619 Millionen Dollar Miese im Vergleich zum Quartal des Vorjahres.

Er hat dank boomendem Absatz seines Model 3 auch den Umsatz auf 6,8 Milliarden Dollar geschraubt, mehr als das Doppelte des Vergleichszeitraums vom Vorjahr. Der steigende Absatz spült Kapital in Teslas Kassen, allein 881 Millionen Dollar im dritten Quartal. Damit stehen Tesla inklusive seiner Reserven rund drei Milliarden Dollar zur Verfügung. Nicht schlecht für ein Unternehmen, dem Gegner wie die Hedgefonds-Größen David Einhorn und Jim Chanos die baldige Pleite prophezeien.

Tesla-Aktie schießt vor Quartalsbericht knapp 13 Prozent in die Höhe

Kein Wunder also, dass Musk am späten Mittwochnachmittag in einer Telefonkonferenz triumphierte: „Wir haben im dritten Quartal mehr Autos verkauft als im gesamten Jahr 2016“. Und sogar mit den Tränen kämpfte, als er daran erinnerte, dass Tesla-Besitzer beim Übergeben der Model 3 an Neukunden ihre Hilfe angeboten hatten. „Ich kenne keine Firma, wo Kunden sich so um die Zukunft des Unternehmens kümmern“.

Musk wirbt mit der Wende

Musk hatte die Verkündung der Quartalszahlen kurzfristig anberaumt und um mindestens eine Woche vorgezogen. Denn bei Tesla liegen Höhen und Tiefen bekanntlich nah beieinander. Ein einziger spektakulärer Verkehrsunfall hätte gereicht, um die Stimmung zu trüben. Nun treibt die stabile Hochwetterlage an guten Nachrichten die Aktie von Tesla an. Im nachbörslichen Handel legte sie um bis zu 13 Prozent zu und hievte sich mit 324 Dollar wieder deutlich über die 300 Dollar Marke. Der Höchststand von 380 Dollar von Anfang August liegt damit zwar noch in einiger Ferne, aber es ist gerade mal 14 Tage her, als sie bei 250 Dollar notierte.

Unterdessen wirbt Musk mit einer Wende: Diesmal soll es dauerhafte Profite geben, „bis auf Quartale wie beispielsweise das erste Quartal 2019, wo wir nennenswert Schulden rückzahlen müssen.“ Die Schulden belaufen sich auf rund 1,3 Milliarden Dollar.
Für Dynamik soll zudem der Start des Model 3 in Europa sorgen, der schon in ein paar Monaten perfekt sein soll. „Es gibt mindestens so viel Nachfrage in Europa wie in Nordamerika, vermutlich sogar mehr“, lautet das Urteil von Musk. Für Tesla ist das Timing ideal. Denn im Januar halbiert sich der Steuerrabatt für US-Kunden von 7500 Dollar, der Kaufanreiz sinkt – höchste Zeit also, einen neuen Markt zu erobern.

Auf keiner Industrie wird so viel rumgehackt wie auf den Autobauern. Gewinnwarnungen wie bei Daimler, Abgasskandal, Prozesse und Zölle sorgen für Kursverluste. Für Anleger könnte bald ein guter Kaufzeitpunkt kommen.
von Markus Zschaber

Hinzu kommt, dass sich die Lage in der „Produktionshölle“ verbessert hat. Das Werk in Fremont braucht laut Musk inzwischen bei der Fertigung des Model 3 dreißig Prozent weniger Zeit. Ende September erreichte die wöchentliche Produktion dadurch 5300 Stück, im Schnitt waren es im dritten Quartal 4300. Derzeit produziert Tesla pro Tag Elektroautos im Wert von 75 Millionen Dollar, also rund eine Milliarde Dollar alle zwei Wochen.

Die Nachfrage nach dem Model 3 ist ungebrochen. Allerdings hat Tesla gerade überraschend eine neue Variante ins Programm genommen, deren Reichweite statt 310 Meilen nur 260 Meilen beträgt. Noch immer auf sich warten lässt die 210 Meilen Basisvariante für 35.000 Dollar, die Musk im März vor zwei Jahren versprochen hatte. Zum Ärger vieler Tesla-Kunden, die sich vor zweieinhalb Jahren vor den Tesla-Geschäften stundenlang in die Schlange gestellt hatten, um das „Günstigmodell“ zu reservieren. Derzeit, entschuldigt der Tesla-Chef, müsse man graduell den Preis für das Model 3 herunterfahren, deshalb habe man die neue Variante ins Programm genommen. Mit anderen Worten: Tesla braucht die Mehreinnahmen zum Überleben.

Hedgefonds-Milliardär Einhorn sagt Schiffbruch voraus

„Wir sind momentan darauf fokussiert, unser Wachstum selbst zu finanzieren und keine neuen Schulden aufzunehmen, sondern diese zurückzuzahlen“, bekräftigt Musk.
Hat Tesla also die Wende geschafft? Nein, beharren Kritiker wie Hedgefonds-Milliardär Einhorn von Greenlight Capital. Für ihn gleicht Tesla einer Person, die sich einer Extrem-Diät unterzieht. Zunächst purzelt das Gewicht scheinbar wie von selbst. Bei Tesla war es im zweiten Quartal zunächst der volle Fokus auf das Hochfahren der Tesla-3-Produktion, die dank zusätzlichen Schichten und Anlagen um jeden Preis nach oben gedrückt wurde. Und dann im dritten Quartal der eiserne Fokus auf Umsatz und Profit. Wie bei den Extrem-Diäten ist die große Frage: Kann Tesla diese Disziplin durchhalten? Oder kommen die Pfunde umso stärker zurück und machen alles noch schlimmer? Laut Einhorn soll die Quittung schon im gerade laufenden vierten Quartal kommen, dem er einen Einbruch bei Umsatz und Profit prophezeit.

Mehr noch: Einhorn vergleicht Tesla mit der Situation der berüchtigten Investmentbank Lehman Brothers, deren Zusammenbruch im September 2008 die weltweite Finanzkrise einläutete und deren Pleite von Einhorn vorausgesagt worden war. Allerdings hat ihn in letzter Zeit das Glück verlassen. Der 49-jährige Milliardär, der lange Zeit als einer der einflussreichsten Investoren der Wall Street galt, hat in diesem Jahr eine Pechsträhne: Sein wichtigster Fonds hat seit Jahresbeginn 26 Prozent an Wert verloren. Vor allem wegen Wetten gegen Tesla, aber auch gegen Amazon und Netflix.

Ruhiges Fahrwasser? Für Tesla nicht in Sicht

Klar ist, dass sich die Tesla-Kontroverse längst zu einer Art Glaubenskrieg entwickelt hat, bei der sich fanatische Fans und sogenannte Hasser gegenseitig bekämpfen.
So war es schon bei Apple-Gründer Steve Jobs, der um die Jahrtausendwende als Anführer eines Kults und geborener Blender galt. Ebenso wie Amazon-Schöpfer Jeff Bezos, der kurz nach dem Dot.com Crash als Schwindler und Hasardeur gescholten wurde.

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Bei Tesla kommt erschwerend hinzu, dass ruhiges Fahrwasser nicht in Sicht ist. Denn Musk muss und will weiterhin teure Risiken eingehen. In China wird gerade eine neue Akkufabrik aus dem Boden gestampft, ein Fertigungswerk wird folgen. Der Zugriff auf Akkus bestimmt das Wachstum, wie Audi-Chef Bram Schot mit der verspäteten Markteinführung des e-Tron gerade erfahren muss.
Tesla wird noch lange in der Investitionsphase bleiben. Wie bei der geplanten Akkufabrik in Europa – wahrscheinlich in Deutschland – sowie weiteren Fertigungskapazitäten für das Model 3 auf dem alten Kontinent. Die Produktion von Model S und Model X sieht Musk für absehbare Zeit exklusiv im Stammwerk in Kalifornien.

Für 2020 ist der Produktionsstart des Sattelschleppers Tesla Semi geplant, kurz zuvor die des Model Y. Der Mini-SUV soll wie das Model 3 in Fremont gefertigt werden. Parallel läuft der Ausbau der von SolarCity übernommenen Solarpanel-Fertigung.

Der nach dem Vorwurf der Marktmanipulation vereinbarte Vergleich zwischen Tesla-Chef Elon Musk und der US-Börsenaufsicht ist perfekt. Aber neue Projekte zeigen, dass der Tech-Milliardär schwer berechenbar bleibt.

Daneben warten weitere Herausforderungen: etwa der Angriff neuer, vom chinesischen Kapital befeuerter Konkurrenten wie Nio oder Byton. Und auch die traditionelle Autobranche mit Volkswagen und General Motors wird notgedrungen ebenfalls die E-Autoproduktion hochdrehen müssen.
Left steht derweil stolz zu seiner Rolle als Opportunist. Die Klage gegen Tesla wegen der angeblich gesicherten Finanzierung eines Rückzugs von der Börse hält er natürlich aufrecht. Denn damit lässt sich vielleicht noch was verdienen. Und Tesla kann sogar zahlen.

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