Hyundai Elektromarke Ioniq „Wir wollen in die Domäne von Toyota einbrechen“

Mit der Elektro-Submarke Ioniq hat Hyundai Großes vor – in Europa soll Hybrid-Pionier Toyota ausgebremst werden. Marketing-Chef Sengpiehl erklärt seine Strategie, die er mit Hilfe von Google und Facebook entwickelt hat.

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Jochen Sengpiehl, Chief-Marketing-Officer von Hyundai Europe (links) und WirtschaftsWoche-Redakteur Franz Rother. Quelle: Hyundai

Ioniq soll die neue Submarke von Hyundai für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben und neue Mobilitätskonzepte werden – und in Europa vor allem Toyota ausbremsen. Jochen Sengpiehl, Chief-Marketing-Officer von Hyundai Europe, erläutert im Gespräch mit wiwo.de seine Markteinführungsstrategie, die er mit Hilfe von Google und Facebook entwickelt hat. Er will Besitzer von alten Dieselautos mit einer Abwrackprämie zum Kauf eines Elektroautos animieren und ein kostenloses Carsharing-Systems mit E-Mobilen in europäischen Großstädten aufziehen.

WirtschaftsWoche: Herr Sengpiehl, der neue Hyundai Ioniq wird gleich in drei Antriebsvarianten angeboten – als Hybrid, als wieder aufladbares Hybridauto und als Elektromobil. Welches Modell ist Ihr Favorit?
Jochen Sengpiehl: Wen fragen Sie – den Marketing- oder den Privatmann?

Fragen wir erst mal den Marketingmann.
Für den ist nach den Stückzahlen die Hybridversion der klare Favorit. Die Elektrovariante ist für uns zunächst einmal nur Markenbotschafter. Ich gehe davon aus, dass die Stückzahlen der rein elektrischen Version erst einmal hinter den beiden Hybridversionen zurückbleiben werden.

Zur Person

Gehts vielleicht etwas konkreter?
Ich schätze mal, dass etwa 60 Prozent der Verkäufe auf den klassischen Hybrid entfallen werden, 20 bis 25 Prozent auf die Elektroversion und gut 10 Prozent auf den Plug-in.

Koreanische Dreifaltigkeit
Der Ioniq wird dafür gleich mit drei unterschiedlichen Antriebsvarianten an den Start gehen. Hybrid (links) und Elektroauto (Mitte) sollen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Der Plug-in-Hybrid folgt im Herbst 2017. Quelle: Hyundai
Der Hybrid fällt äußerlich nicht aus der Rolle. Dass er halbelektrisch unterwegs ist, sieht man ihm nur am blauen Zierstrich und der dezenten Beschriftung an. Der Kühlergrill schließt sich automatisch, wenn der Motor keine Kühlung benötigt. So verbraucht der Ioniq noch weniger. Quelle: Hyundai
Anders als seine hybriden Zwillinge setzt der Ioniq Electric auf eine geschlossene Front. So macht es auch Tesla beim Facelift des Model S. Farbige Akzente in Blau oder Kupfer an der Front sollen die Antriebsarten unterscheidbar machen. Quelle: Hyundai
Die Tropfenform des Ioniq ist gewollt. Damit erreicht er beim Luftwiderstand einen Spitzenwert von 0,24 Cw. Auffällig ist sein Design allerdings nicht. Quelle: Hyundai
Beim Design des Innenraums fällt der Ioniq kaum aus dem Rahmen. Insbesondere in der Hybridversion setzt man bewusst auf gefälliges, schlichtes Design, das vor allem auf Funktionalität ausgerichtet ist. Blaue Farbakzente sollen signalisieren: Mit alternativem Antrieb unterwegs. Quelle: Hyundai
Die elektrische Variante hat gar keine Gangschaltung mehr. Die Fahrmodi (Fahren, Rückwärts, Parken, Leerlauf) werden per Knopfdruck eingelegt. Alles findet sich - wie man es vom Verbrenner kennt - aber dort, wo normalerweise der Schaltknüppel sitzt. Quelle: Hyundai
Auch den Unterboden hat Hyundai verkleidet, um das Auto aerodynamisch zu optimieren. Das Resultat ist ein Normverbrauch von 3,4 Litern Benzin auf 100 Kilometer. Quelle: Hyundai

Um welche Stückzahlen geht es insgesamt?
Weltweit plant Hyundai Motor dieses Jahr einen Absatz von 30.000 Ioniq Hybrid, davon 15.000 Einheiten für den koreanischen Markt und die übrigen verteilt auf den Rest der Welt.

In Europa wird der Ioniq ab September eingeführt, daher rechnen wir in diesem Jahr mit rund 3.000 Fahrzeugen mit Hybridantrieb und weiteren 1.300 der voll-elektrischen Variante. Die wichtigsten Märkte für den Ioniq in Europa sind: Deutschland, UK, Frankreich, Niederlande und Norwegen.

Das ist aber eine extrem kleine Stückzahl. Warum planen Sie nicht mehr ein?
Für 2017 planen wir in Europa deutlich höhere Stückzahlen ein. Die Nachfrage nach dem Model ist schon exorbitant groß. Einige Kunden haben das Auto sogar bestellt, noch ehe der Preis feststand.

Die Elektroversion kostet in Deutschland 33.300 Euro – vor Kaufprämie. Der Hybrid wird ab 23.900 Euro angeboten. Wie viel bleibt Ihnen da an Gewinn pro Fahrzeug?
Wir verdienen mit dem Auto Geld.

Automotive Performance 2016

Darunter kann man sich viel vorstellen. Wie hoch ist denn die Marge?
Wir haben den Ländern eine relativ hohe Marge zugestanden, damit diese ihre Infrastruktur finanzieren können: 1600 Händler müssen für die Einführung der elektrifizierten Antriebe vorbereitet werden. Sie müssen ihre Mitarbeiter schulen, spezialisierte Werkzeuge verwenden, sowie Ladestationen und entsprechende Infrastruktur errichten. Trotzdem erhalten wir uns einen soliden, positiven Deckungsbeitrag.

Aber wenn man die Elektromobilität demokratisieren und Autofahrer motivieren will, sich von ihren alten Dieselfahrzeugen zu verabschieden, muss man zur Markteinführung bei der Preissetzung bescheiden sein. Wir diskutieren beispielsweise, ein Art Abwrack- oder Eroberungsprämie für alte Dieselfahrzeuge anzubieten. Denn jeder Ioniq Hybrid ist sauberer und effizienter als Fahrzeuge mit Dieselantrieb im C-Segment.

"Mit dem Hybrid zielen wir auf den Prius"

Die Debatte über die Zukunft des Diesels spielt Ihnen schon ordentlich in die Karten, oder?
Davon gehen wir aus. Die Autos sind natürlich schon zu einer Zeit entwickelt worden, als Dieselgate noch nicht in Sicht war. Wir haben das Projekt Ioniq in der letzten Phase beschleunigt, allerdings unabhängig von der Dieselthematik. Denn wir haben mit dem Ioniq Großes vor.

Nämlich?
Mit der Hybrid-Version zielen wir natürlich auf den Toyota Prius und den Auris. Die Elektroversion konkurriert mit dem Nissan Leaf, dem Marktführer hier in Europa, sowie dem E-Golf von VW. Aber im Wesentlichen wollen wir natürlich in die Domäne von Toyota einbrechen.

Dazu müsste Hyundai aber die Jahresproduktion des Ioniq bald hochfahren – 30.000 Autos werden dafür nicht langen.
Das rechnen wir gerade durch. Ich habe in meinem Leben noch keinen Autohersteller kennengelernt, der seine Fabriken so effizient steuert wie Hyundai. Wenn die Nachfrage nach dem Ioniq die Planung deutlich übersteigt, werden sicher auch ganz schnell die Stückzahlen erhöht. Die brauchen wir auch, denn Ioniq ist mehr als nur ein Modell.

Sondern?
Wir werden unter dem Namen Projekt Ioniq zukünftige Mobilitätskonzepte in einer Art Think Tank erforschen. Unter dem Namen Ioniq könnten also in der Zukunft weitere alternativ angetriebene Modelle eingeführt werden, wie zum Beispiel den zukünftigen Brennstoffzellenautos, die neue Generation selbstfahrender Autos, das Carsharing-System oder elektrogetriebene Fahrzeuge mit zwei oder drei Rädern.

Wir sind erst ganz am Anfang. Koreaner gehen Schritt für Schritt vor. Aber alles wird sich unter dem Namen Ioniq um nachhaltige Mobilität drehen. Die Submarke bringt also alles mit, was die Kernmarke bislang noch nicht hat.

Nämlich?
In den zurückliegenden 25 Jahren hat sich Hyundai in Europa stark über das Preis-Leistungsverhältnis definiert – als Anbieter von viel Auto fürs Geld. Jetzt kommen wir zur richtigen Zeit und vor dem Hintergrund der weltweiten Dieseldebatte mit einer Fahrzeugfamilie, die auf Elektrifizierung setzt und unseren Kunden damit eine intelligente Möglichkeit gibt, um die Einschränkungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren in den Großstädten zu umgehen. Wir reichern also unser Markenbild um Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit an.

Ioniq wird also so etwas wie die grüne Marke von Hyundai?
Wir haben uns das Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen unserer Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent zu senken. Wir werden dazu als Hyundai Motor Group – Kia und Hyundai – bis 2020 insgesamt 28 neue Modelle auf den Markt bringen, die die Elektrifizierung weiter vorantreiben werden. Zudem wollen wir mit unserer Ioniq-Familie Elektromobilität demokratisieren, sie erschwinglich für jedermann machen.

Zum einen über einen günstigen Preis, zum anderen geschieht das über ein großes Garantiepaket, wie es derzeit kein anderer Hersteller bietet: nämlich fünf Jahre auf das Fahrzeug – ohne Kilometerbeschränkung – und acht Jahre oder 200.000 km auf die Batterie. Auf diese Weise wollen wir den europäischen Pkw-Markt kräftig durchschütteln – und Hyundai weltweit zu einem ganz großen Player machen: Spätestens 2020 wollen wir der größte und profitabelste asiatische Automobilhersteller sein.

Noch sind Elektroautos und Hybridfahrzeuge Nischenprodukte in Europa. Wie wollen Sie die Autofahrer denn bewegen, auf einen alternativen Antrieb umzusteigen?
Das ist in der Tat eine spannende Frage. Nach unseren Untersuchungen, die wir in verschiedenen Ländern Europas durchgeführt haben, gibt es in allen Milieus inzwischen ein sehr hohes Interesse an Elektromobilität. Aber bislang haben nur wenige den Schritt gewagt und sich tatsächlich ein Elektroauto gekauft.

"Es ist erstaunlich, welche Infos Google alle liefert"

Bei den hohen Preisen solcher Fahrzeuge war das ja auch kein Wunder.
Der hohe Preis ist sicher ein Grund. Der andere ist die schlechte Informationslage: Die Menschen wissen zu wenig darüber, was ein Elektroauto kann. Hyundai verkaufte sich bislang vor allem in den preissensiblen Milieus. Mit dem Ioniq gehen wir jetzt in ein Segment, das über ein höheres Einkommen verfügt, einen höheren Bildungsgrad besitzt und urbaner lebt als der klassische Hyundai-Kunde. Wir nennen das die Generation Ioniq. Wir laden jeden Neuwagen-Käufer ein, dieser Generation beizutreten. Denn mit den drei Antriebskonzepten können wir jedes Mobilitätsbedürfnis erfüllen. Deshalb haben wir für den Ioniq eine neue Markteinführungsstrategie entworfen. Denn wenn ich Elektromobilität demokratisieren will, muss ich in andere Medien gehen, über andere Kanäle kommunizieren, die frei verfügbar sind.

Sie denken an Facebook?
Auch, aber nicht ausschließlich. Wir haben zum ersten Mal eine Partnerschaft mit Google geschlossen über "predictive modelling" und "web analytics".

1500 Kilometer ohne ein Gramm CO2

Sorry, das müssen Sie jetzt aber erläutern.
Untersucht und analysiert werden hier die Spuren, die ein jeder von uns im Internet hinterlässt, wenn er Content-Hubs wie etwa die Website der WirtschaftsWoche besucht. Und es ist schon erstaunlich, was uns Google Consumer Research so alles an Informationen über verschiedene Kundensegmente und potenzielle Zielkunden liefert.

Sie kriegen Kundendaten von Google?
Nein, wir kriegen keine kundenspezifischen Daten. Google hilft uns, unsere Zielkunden besser zu verstehen: ihre Wertevorstellungen, Interessen genauso wie Präferenzen und Vorlieben, wie verhalten sie sich, welches Mediennutzungsverhalten haben sie.

Und welche Erkenntnisse haben Sie so gewonnen?
Ioniq-Interessenten sind deutlich jünger als unsere traditionelle Kunden, es sind mehr Frauen darunter, sie haben einen hohen Bildungsstand, haben ein überdurchschnittliches Einkommen und sie haben ein anderes Werteprinzip, zum Beispiel sie sind internationaler und sind technologieaffin. Diese Menschen beschäftigen sich mit Umweltthemen und ernähren sich bewusster, haben also eine ganz bestimmte Haltung. Das bedeutet: Ich muss diese Menschen anders ansprechen.

Und wie machen Sie das?
Der Kampagnen-Claim lautet „Driven by E-Motion“ und wir haben zum ersten Mal eine Drei-Phasen-Strategie. Wir werden natürlich TV-Werbung schalten, aber auch in einer engen Partnerschaft mit Google und über die Sozialen Medien Aufmerksamkeit schaffen, vor allem mit Video-Inhalten. Ein solch stringentes digitales Content-Marketing mit Predictive Modelling und WebAnalytics ist, so glaube ich, in der Hyundai-Welt einzigartig. Da wir unsere potenziellen Kunden bereits sehr gut analysiert haben, können wir unsere Botschaften über die Marketingkanäle gezielter adressieren und auf den Webseiten der Generation Ioniq schneller die Informationen liefern, die sie benötigen.

Information sind sicher hilfreich. Aber letztlich überzeugt der Nutzen. In einigen Märkten, so ist zu hören, wird der Ioniq zusammen einer Ladestation für die heimische Garage – einer so genannten Wallbox – angeboten.
In einigen Märkten, ja. Wir denken auch darüber nach, im nächsten Jahr in einigen europäischen Großstädten ein eigenes Car-Sharing-Programm mit Elektroautos aufzulegen. Ich bin der Meinung: Wenn wir ein großer Player werden wollen in Europa – warum bietet man nicht ein Carsharing-Modell mit Elektroautos for free an?

Sie wollen Fahrten mit dem Ioniq auch noch kostenlos anbieten?
Ich würde den Ioniq sowohl in der Elektroversion wie auch als Plug-In in mehreren Metropolen zunächst als ein großes Testfahrtprogramm anbieten – und dann als dauerhaftes Carsharing-System. Für ein koreanisches Unternehmen im Volumensegment wäre das interessant.

Das alles klingt nach einem großen Marketing-Budget.
Ich werde keine Zahlen nennen, aber mein Budget ist nicht groß gewachsen. Wir sehen eine große Chance in der digitalen Transformation, die uns hilft, unsere Vertriebs- und Marketingaktivitäten weiter zu optimieren. Wir werden es in den sieben wichtigsten Märkten Europas ausgeben – in Deutschland und England, sowie in Frankreich, Italien, Spanien, Norwegen und den Niederlanden. Im September legen wir los.

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