IAA Nutzfahrzeuge 2018 Wie der Truck der Zukunft über die Straßen rollt

Lkw der Zukunft: IAA Nutzfahrzeuge Quelle: TU München

Wenn in einigen Jahren neue Lkw auf den Autobahnen unterwegs sind, werden sie sich extrem von heutigen Modellen unterscheiden. Smarter, effizienter und umweltfreundlicher wollen Forscher und Hersteller sie gestalten. Vier Punkte, die den Truck der Zukunft ausmachen.

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Die zwei Ds – Dieselgate und Digitalisierung – haben auch vor der Transportbranche nicht Halt gemacht. Das zeigt sich in diesen Tagen auf der IAA Nutzfahrzeuge deutlicher denn je. Richten sollen es autonome Fahrzeuge, elektrische Antriebe und neue Logistikkonzepte. Der Blick in die Zukunft der Transporter scheint spannender und zugleich realistischer denn je.

Ein Beispiel ist das Projekt „Truck2030“, das eine Forschungsgruppe der Technischen Universität München (TUM) in Kooperation mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und fünf Partnern aus der Industrie dieses Jahr auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover vorstellen.

Sie zeigen das Modell eines Lkw, wie er in gut zwölf Jahren über deutsche Straßen rollen könnte – wenn die Bedingungen stimmen. Und die Vorstellungen von Autobauern und Zulieferern auf der IAA bestätigen: So könnte der Truck 2030 tatsächlich aussehen. Vier Aspekte, was der Truck der Zukunft zu bieten hat und was ihn beeinflusst:

Aspekt 1: Mensch und Maschine beim Autonomen Fahren

Die Wissenschaftler der TUM haben in ihrem Konzept für den Truck der Zukunft eine multifunktionale Fahrerkabine erdacht. Dahinter steht die Annahme, dass Lkw zukünftig auf der Autobahn automatisiert fahren werden.

Mit dieser Einschätzung sind die Forscher keineswegs alleine: „Wir gehen davon aus, dass komplett selbstfahrende Lkw zwischen 2025 und 2030 auf der Straße sein werden", sagt auch Norbert Dressler, Leiter des Automotive Competence Center des Beratungsunternehmens Roland Berger. „Entscheidend ist allerdings, dass gleichzeitig die entsprechende Infrastruktur für autonomes Fahren geschaffen wird, also etwa auch rechtliche Haftungsfragen, etwa bei Unfällen, geklärt sind."

Laut Analysen von Roland Berger gibt es für die Logistikbranche weitere gute Gründe, diese Entwicklung zu unterstützen: Durch effizientere Prozesse dank automatisierter Langstreckentransporte im Konvoi, günstigere Personalkosten und effizientere, ökonomischere Fahrweisen ließen sich enorme Kosten sparen. Pro Kilometer könnte ein autonom fahrender Lkw zu einer Kostenersparnis von bis zu 40 Prozent führen, rechnen die Experten vor.

Dass selbstfahrende Lkw auf dem Vormarsch sind, zeigen nicht zuletzt zahlreiche Studien und Testfahrzeuge der Hersteller. So wollen der Autozulieferer Continental und der Bremsenhersteller Knorr Bremse künftig gemeinsam Systeme für hochautomatisiertes Fahren von Nutzfahrzeugen anbieten, kündigten sie auf der IAA an. In einem ersten Schritt wollen die Partner ab Anfang 2019 bei der Entwicklung von Systemen für automatisierte Kolonnenfahrten, das so genannte Platooning, kooperieren. In einer weiteren Stufe sollen automatisiertes Fahren auf der Autobahn folgen.

Daimler wirbt bereits mit dem neuen Schwerlaster Actros, der mit zahlreichen teilautomatisierten Funktionen ausgestattet ist, die beim Bremsen oder Kolonne-Fahren helfen. Und der schwedische Lkw-Bauer Volvo gibt auf der IAA dieses Jahr einen Vorgeschmack auf die fernere Zukunft: Der elektrische Schwerlaster Vera, der als Studie vorgestellt wurde, kommt sogar ganz ohne Fahrerkabine aus.

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In den Augen der TUM-Wissenschaftler können vom automatisierten Fahren auch die Lkw-Fahrer profitieren, die bei dem Gedanken an diese Entwicklung bislang vor allem ihre Jobs in Gefahr sehen: „Die für die Fahrer gewonnene Zeit könnten sie in ihre Gesundheit investieren“, meinen die TUM-Wissenschaftler. Deshalb statteten sie in ihrem „Truck2030“ die Fahrerkabine etwa mit Seilzügen aus – quasi als mobiles Fitnessstudio und planten spielerische Tools mit ein, um die Motivation mithilfe eines virtuellen Belohnungssystems zu steigern. Von Freizeit im Truck sprechen die Wissenschaftler und sehen darin eine Chance, den Beruf des Fernkraftfahrers wieder interessanter zu machen.

Wichtiges Detail: Für 2030 rechnen die Wissenschaftler mit einem Autonomen Fahren der Stufe 4 von 5 – das heißt, das Eingreifen eines Fahrers ist noch möglich. „Wir gehen davon aus, dass Lkw nicht in allen Verkehrssituationen voll autonom fahren werden“, sagt Sebastian Wolff vom TUM- Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik. „Dementsprechend brauchen wir noch den Fahrer, der weiterhin innerhalb einer bestimmten Zeit die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen kann.“

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Aspekt 2: Logistik und Transport

Effizienz steigern, das ist der größte Vorteil, den sich die Logistikbranche von den aktuellen Entwicklungen verspricht. Der TUM-Lkw für das Jahr 2030 ist wohl auch deshalb ein Lang-Lkw, der eine europaweite Zulassung hat – davon gehen die Münchner Forscher bei ihrer Zukunftsstudie aus. Mit einer Länge von 25,25 Metern seien sie für einen effizienten Güterverkehr ideal, argumentieren die Wissenschaftler. Schließlich ersetzten zwei Lang-Lkw drei Lkw von normaler Länge. So lasse sich zum einen Kraftstoff einsparen, zum anderen reduziere sich die Zahl der Lkw auf der Straße.

Auch die Digitalisierung schlägt sich ihrer Meinung nach in der Logistik- und Transportbranche nieder: Dank digitalisierter Systeme sehen die TUM-Forscher Apps als sinnvolle Ergänzung, mit deren Hilfe die Ladung etwa via Scancode oder NFC-Chip erfasst werden kann. So könnten Zeit und Ressourcen beim Be- und Entladen gespart werden. „Der Grundgedanke ist, die Industrie 4.0 auch in den Lkw zu bringen“, erklärt Wolff. „Vor allem die Digitalisierung der Frachtabwicklung haben wir dabei als Chance gesehen.“ Dazu zählt beispielsweise Frachtpapiere am Werkstor irrelevant zu machen, weil Apps den Papierkram übernehmen. „Allein das kann Prozesse optimieren, Zeit und wahrscheinlich häufig auch Nerven beim Fahrer sparen“, meint Wolff.

Hinzu kommen intelligente Ladeträger. In Industrie-4.0-Konzepten kann etwa der Gabelstapler mit der Gitterbox via NFC kommunizieren – dadurch lässt sich beispielsweise falsche Ladung schneller erkennen oder von vornerein vermeiden. Eine derartige Kommunikation soll nach Vorstellung der TUM-Wissenschaftler auch mit dem „Truck2030“ möglich werden.

Roland Bergers Automotive-Experte Dressler sieht weitere wesentliche Entwicklungen in der Vernetzung kommen: Schon in wenigen Jahren werde der Lkw mit seiner Umgebung voll vernetzt und somit ein Teil von effizienteren Logistikabläufen. Dafür ist vielerorts gewaltiger Spielraum vorhanden. So sind laut Roland Berger Leerfahrten keine Seltenheit: In Europa und den USA seien etwa 20 Prozent der Laster heute leer unterwegs – in China sogar 40 Prozent. „Diese Ineffizienzen werden durch die Digitalisierung von Prozessen und Künstliche Intelligenz deutlich vermindert“, prognostiziert Dressler.

Einer aktuellen Studie von Strategy&, der Strategieberatung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, liefert den Zahlenbeweis: Bis 2030 könnten sich demnach die Logistik-Kosten um bis zu 47 Prozent reduzieren, wenn Logistikprozesse und Lastwagen automatisiert werden.

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