Ganze fünf Sätze brauchte Tesla-Gründer und Tech-Visionär Elon Musk, um mal eben einer ganzen Branche zu erklären, wie ihr Geschäft künftig aussehen wird. Die Autobranche hat Tesla schon aufgemischt, jetzt kommen die Busse an die Reihe: Wie Musk im Juli in dem zweiten Teil seines „Masterplans“ verkündete, sollen neuartige Busse – selbstverständlich elektrisch angetrieben – das Verkehrsproblem in den Städten lösen. „Mit dem Aufkommen des autonomen Fahrens wird es vermutlich Sinn ergeben, kleinere Busse zu bauen und die Rolle des Busfahrers zu der eines Flottenmanagers zu wandeln“, schreibt Musk.
Die kleineren Elektrobusse könnten nicht nur besser im Stadtverkehr mitschwimmen als die schweren Busse, sondern könnten auch ohne festes Streckennetz die Passagiere direkt zu ihrem Ziel bringen. Diese Gefährte, die Musk offenbar vorschweben, werden mit den heute bekannten Bussen wohl wenig gemein haben: Das Konzept mit dem Mittelgang und großen Türen will der Tesla-Chef auch über den Haufen werfen. Was er stattdessen vorhat, verrät er aber nicht.
Klar ist: der Wettlauf um neue Geschäftsmodelle hat begonnen. Etablierte Bushersteller und städtische Verkehrsbetriebe müssen sich auf spielverändernde Ideen der Newcomern aus dem Silicon Valley einstellen.
Hartmut Schick lassen die Ansagen des Tesla-Chefs kalt. Der 54-Jährige leitet das globale Bus-Geschäft des Daimler-Konzerns. Mit ihren Langschiffen sind die Stuttgarter Marktführer in Europa, Lateinamerika und Mexiko. „Wir müssen uns über neue Wettbewerber keine Sorgen machen“, gibt sich Schick selbstbewusst.
Daimler gibt Ausblick auf seinen Stadtbus der Zukunft
Dass die großen Linienbusse wie in Musks Vision ein Auslaufmodell sind, glaubt der Daimler-Manager aber nicht. In Istanbul etwa nehmen 750.000 Menschen pro Tag den Bus, in Stoßzeiten fahren die Linien im 20-Sekunden-Takt. Für Schick ist es deshalb „unvorstellbar, solche Menschenmengen mit kleineren Bussen zu befördern“.
Auf Dauer wird es aber nicht bei den 21-Meter-Gefährten mit Platz für knapp 200 Passagiere bleiben, das ist auch den Verantwortlichen in Stuttgart klar. Deshalb hat Daimler im Juli eine Konzeptstudie vorgestellt, wie sich die Entwickler einen vernetzten und teilautonom fahrenden Stadtbus der Zukunft vorstellen.
Für die Fahrgäste ist vor allem das neue Innenraum-Konzept interessant: Rund um die einzige große Türe in der Mitte befindet sich der „Express“-Bereich, hier sollen vor allem Stehplätze für einen schnellen Fahrgastfluss sorgen. Hinten schließt sich die „Lounge“ an, gedacht für eine längere Verweildauer. „Auf Verbindungen von Städten auf das Land hinaus, bei denen sich manche Passagiere länger im Bus aufhalten, andere in der Innenstadt nur ein oder zwei Stationen fahren, kann ein neues Layout mit unterschiedlichen Sitzkonzepten Sinn ergeben“, erklärt Schick.
Das erste Feedback sei positiv gewesen. Genauere Meinungen will sich Daimler auf der Nutzfahrzeug-IAA holen: Potenzielle Kunden aus Deutschland, Frankreich, Dubai und Japan sollen bei speziellen Workshops den Daimler-Entwicklern erklären, was sie von den Ansätzen der Studie halten.
Um die Verkehrsprobleme in Großstädten in den Griff zu bekommen, braucht es aber mehr als neue Sitzkonzepte in einem Hightech-Bus. Auf Deutschlands Straßen sind immer mehr Autos unterwegs: Waren 1985 noch 25,8 Millionen Pkw angemeldet, wurde in diesem Jahr die Marke von 45 Millionen Autos geknackt. Für diese Anzahl an Fahrzeugen sind die Städte aber nicht gemacht – wichtige Ausfallstraßen, Parkplätze und die Verkehrsführung durch die Innenstädte wurden für ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen ausgelegt.
Nicht nur deshalb steht für Mobilitätsforscher Martin Lanzendorf nicht die Frage nach der Zukunft der Mobilität im Zentrum, sondern die Zukunft des Stadtlebens insgesamt. „Wenn wir heute eine Stadt gestalten, müssen wir das von der nicht-motorisierten Mobilität aus tun“, sagt der Professor an der Universität Frankfurt am Main. „Bislang wurde vom Straßenverkehr und der Schiene aus gedacht, Fußgänger und Radfahrer wurden hinten angestellt. Das muss sich ändern, wenn wir weiter attraktive Städte haben wollen.“