„Was wollen die hier?“ Warum die Oldtimer-Halle der IAA die Szene spaltet

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Sammler? „Haben die Szene kaputt gemacht“

Sascha Best leitet seit sieben Jahren das Ressort Marktbeobachtung und Fahrzeugbewertung beim Oldtimer-Marktbeobachter Classic Data in Bochum. Auch er vermerkte „eine gewisse Oldtimer-Blase“. In den Jahren zwischen 2012 und 2017 hätten sich Preise und Kaufbereitschaft in Deutschland „ungefähr verdoppelt“, beispielhaft getrieben durch Fahrzeuge von Porsches G-Serie aus den 70er-Jahren – bis die Blase vor zwei Jahren geplatzt sei. „Irgendwann ist der Bogen eben überspannt. Seitdem geht das Interesse wieder zurück.“ Man hört ihm an, dass er darüber nicht unfroh ist.

Laut einer Studie des VDA, des ZDK (Zentralverband Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe) und des VDIK (Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller) vom September 2018 umfasste der Markt für Old- und Youngtimer Ende vergangenen Jahres rund 2,2 Millionen Fahrzeuge mit einem Wert von rund zehn Milliarden Euro. Mittlerweile dürften es noch mehr sein. Die Studienautoren gehen davon aus, dass die Zahl der Altautos in Deutschland „insbesondere durch preiswertere Fahrzeuge wachsen“ wird; „Stagnieren wird jedoch das Marktvolumen, da jüngere Besitzer weniger Geld für Oldtimer ausgeben.“ 

Diese zehn Autos sind jetzt Oldtimer
Sonderrechte in Umweltzonen: Fahrzeuge mit dem amtlichen H-Kennzeichen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Autoliebhabern. Quelle: dpa
 Der Mercedes SL (R 129) beeindruckte mit automatisch ausfahrendem Überrollbügel Quelle: Daimler
Der Mazda MX-5 revitalisierte den klassischen Roadster Quelle: Mazda
Billige Ost-Modelle wie der tschechische Skoda Favorit wirbelten vor 30 Jahren in den Westen Deutschlands Quelle: Skoda
Der Audi 100 TDI war ein schneller Sparer Quelle: Audi
Das neue BMW 850i Coupé mit 220 kW/300 PS starker V12-Maschine entthronte den Mercedes 560 SEC Quelle: BMW
Auch der Porsche 928 GT wird zum Oldtimer Quelle: Porsche

Oldtimer auf der IAA? „Fehl am Platz“

Wie bewertet Sascha Best in diesem Zusammenhang die Oldtimer-Offensive auf der IAA? Best seufzt. „Fehl am Platz“, urteilt er. Die IAA sei stets die Messe für technische Neuheiten gewesen, „und vor allem kommt dieser Oldtimer-Exkurs viel zu spät.“ Oldtimer seien „kein Produkt für Jedermann, sondern für Individualisten“. Aber mittlerweile, beklagt er, beobachte er einen gewissen Niedergang des Kulturguts, eine Überreizung: „In jeder Werbung sieht man Oldtimer, jeder zweite Tatort-Kommissar fährt Oldtimer, auf jedem Stadtfest steht ein Oldtimer – das wollen die Leute irgendwann nicht mehr sehen.“ Best wünscht sich eine „Rückbesinnung“ auf einen „kleinen Kreis von Individualisten“. Möglichst ohne jene Sammler, die sich rein renditebegründet auf Oldtimer als Kapitalanlage spezialisiert hätten „Die haben die Szene kaputt gemacht.“

Mario Theissen kann er damit nicht im Sinn gehabt haben. Theissen war von 1999 bis 2011 Leiter Motorsport bei BMW. Seit 2013 ist er Oldtimer-Referent beim ADAC und seit 2014 sitzt er als deutscher Vertreter im Präsidium des Oldtimer-Weltverbands FIVA in Turin – beide Jobs betreibt er ehrenamtlich. 

„Rückbesinnung zur Vernunft“

Auch er räumt ein, dass der Markt „überhitzt“ gewesen sei: „Weil alle auf einmal aus unterschiedlichsten Gründen Oldtimer haben wollten, auch wenn sie sich zuvor gar nicht dafür interessiert haben.“ Das Abkühlen dieser Überhitzung nennt Theissen eine „Rückbesinnung zur Vernunft“. Gleichwohl die rückgängige Preisentwicklung modellabhängig sei. „Einzelne Modelle sind wiederum Ausreißer nach oben wie aktuell etwa der 356er Porsche.“

Teurere Oldtimer findet man nirgends: Die Monterey Car Week in Pebble Beach startet am Freitag. Was bei der Auktion unter den Hammer kommt, worauf Anleger achten und was Liebhaber wissen müssen.

Aber ob nun überhitzt oder abgekühlt: Oldtimer seien ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig, zudem begünstigt durch einen gesellschaftlichen Wandel: „Ein modernes Auto ist zum Gebrauchsgegenstand geworden, das man nicht mal mehr besitzen muss“, befindet Theissen. „Es taugt kaum noch als Statussymbol. Gleichzeitig wächst die Oldtimerszene, und das Verständnis für das Auto als Kulturgut.“ Insofern sei die Klassik-Ausstellung auf der IAA „die logische Konsequenz“ dieser Entwicklung. 

Kritik daran weist er zurück: „Das ist eine versuchte Trennung in zwei Welten, aber die Welt ist nicht schwarz-weiß. Natürlich fahren auch die allermeisten Oldtimer-Besitzer im Alltag moderne Autos, insofern darf man ihnen ein gewisses Interesse auch an modernen Autos unterstellen. Es nutzt niemandem, wenn man versucht etwas zu separieren, was auf gemeinsames Interesse stößt.“ 

Neue Motorworld-Standorte in der Schweiz und auf Mallorca

Auch Veranstalter und Unternehmer Andreas Dünkel setzt auf das Kulturgut: „Die Geschichte gehört doch dazu: Die Unesco prüft zurzeit, ob das historische Auto Weltkulturerbe werden soll. Wir finden also: Oldtimer passen sehr gut zur IAA.“ Unabhängig von Erfolg oder Misserfolg dieser IAA-Premiere wird Dünkel mit seiner Motorworld-Group weiter expandieren. Demnächst kommen zwei weitere Standorte hinzu: in Kemptthal, zwischen Zürich und Winterthur, hat er das ehemalige Maggi-Fabrikwerk umgebaut, und auf Mallorcas Hauptstadt Palma lässt Dünkel derzeit an der Flughafenautobahn eine ehemalige Coca-Cola-Fabrik nach seinen Vorstellungen umgestalten. 

Mario Theissen wird die IAA dieses Jahr übrigens nicht besuchen. Noch lieber, als alte Autos anzuschauen, bewege er sie. Theissen besitzt einen BMW 2500 E3 von 1971 sowie einen Alfa Romeo Giulia, Baujahr 1972. Beide Autos stehen aber nicht nur in der Garage herum. Er fahre sie sehr regelmäßig, sagt er, und zwar ausschließlich abseits der Ballungsräume: „Wenn ein Auto als reines Spekulationsobjekt angesehen wird, verpasst man das beste: nämlich die Freude am Fahren.“

 

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