Werner knallhart
Quelle: dpa

Zur IAA: Wann kommt die Tempolimit-Bremse per GPS?

Dank der neuen elektrischen Miet-Tretroller wird klar, wie wunderbar einfach auch Autofahrer dazu gezwungen werden könnten, eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten. Legen wir die egoistischen Auto-Raser lahm!

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Mit den E-Scooter-Mietern kann man es ja gut machen. Da fährt man fröhlich mit 20 km/h auf der vierspurigen Ausfallstraße – und plötzlich geht der Speed raus und hinter einem entstehen gefühlt drei Kilometer Stau. Ich glaube, bei mir war das so ähnlich, um mir zu zeigen, dass ich mich außerhalb der erlaubten Zone befunden habe. Hups!

Ich musste dann zurück zuckeln. Plötzlich ging es wieder schneller und ich konnte den Roller schließlich abstellen. GPS ortet zwar nicht supergenau, aber es reicht für einen neuartigen Trick: Stadtverwaltungen und Roller-Anbieter können sich auf Flächen einigen, in denen die Roller nicht abgestellt werden können. So passiert es jetzt nach und nach. Wer die Karten in den Apps der Vermieter öffnet, findet Flächen in unterschiedlichen Farben für Parkverbote und verkehrsberuhigte Zonen. Verkehrsschilder und Parkzonenmarkierungen sind unnötig. Einfacher und billiger geht Verkehrsregulierung nicht.

Mit anderen Worten: Hier wurde den Fahrern mal eben ohne viel Aufhebens eine automatische Geschwindigkeitsbeschränkung und ein automatisches Parkverbot reingedrückt. Das Miet-Angebot ist sowieso neu, also kann man gleich ungewohnte Features einführen, die die Mieter – wenn man mal wieder meckern will – gängeln; die aber – wenn man die positiven Dinge im Leben zuerst sieht – den Verkehr für alle sicherer machen.

Und jetzt kommt es: Wenn es bei Rollern möglich ist, geht es auch bei Autos. Die Idee: Sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen und Parkverbote würden in die Navigationskarten übernommen. Gelangt ein Auto in einen Bereich mit geringerer erlaubter Geschwindigkeit, wird die Motorleistung gedrosselt. Im Parkverbot ließe sich das Auto nicht von außen verschließen.

Hohoho! Ein moderner Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von uns Autofahrern. Aber was wäre übrig von der freien Fahrt für freie Bürger, wenn man sich noch nicht mal mehr nach eigenem Gutdünken über demokratisch legitimierte Verkehrsregeln hinwegsetzen kann? Da hatte man einen schlechten Tag im Betrieb, weil die Chefin einen vor den Kollegen hat dumm aussehen lassen, und dann darf man noch nicht mal mehr 80 in der Ortschaft fahren, um den anderen zu zeigen, dass man sehr wohl Testosteron produziert?

Wer sich vergewissern will, dass er in der Lage ist, selbstbestimmt Grenzen zu überwinden, sollte dafür allerdings kein teures Auto kaufen müssen. Vom 10-Meter-Brett zu springen, tut es auch.

Ja, es wäre möglich, geltendes Recht mit Hilfe moderner Technik zu wahren. Und es ist regelrecht absurd, diese Möglichkeit abzulehnen. Bislang läuft es über einen schrecklich altmodischen Umweg, der Fehler nur so heraufbeschwört: Da steht ein Schild am Straßenrand, muss vom Fahrer abgelesen werden, der dann die Vorgabe mit dem Ist-Zustand abgleicht und bei Bedarf die Maschine verlangsamt. Und keiner weiß sicher, ob der Fahrer tut, was er muss. Vielleicht denkt der: Dieses Tempolimit ist aber übertrieben. Oder: Immer gerne, aber nicht heute. Oder: Kontrolliert eh keiner. Doch bislang ging das eben nicht besser.

Jetzt funktioniert es aber. Und deshalb sollten wir es nutzen. So, wie wir auch sonst mit Technik vorsorgen, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, anstatt allein auf Menschenverstand zu setzen. Es reicht nicht, am Flughafen zu wissen, dass man kein Taschenmesser mit an Bord nehmen darf. Es wird mit Hilfe von Kontrolltechnik sichergestellt. Wenn wir die Mikrowelle öffnen, schaltet sie sich ab. Weil es geht. Warum im Straßenverkehr hinter den Möglichkeiten zurückbleiben?

Die Angst vor dem Zorn der Autofahrer

Mal wieder ist Europa die Antwort auf die deutsche Angst vor neuem Denken. Die Europäische Union arbeitet daran, neue Autos ab 2022 verpflichtend mit einem automatischen Speedlimiter ausrüsten zu lassen. ISA: Intelligent Speed Assist. Autonom fahrende Autos müssen ohnehin bald die Geschwindigkeit selber anpassen können, da ist diese neue Vorgabe nur ein Zwischenschritt. Und einige Autos haben solche Funktionen schon heute. Freiwillig.

Allerdings haben die Macher in Europa Angst vor dem Zorn der Autofahrer. Damit die die neue lebensrettende Technik nicht als Angriff auf ihre Individualität auffassen (#Ichfahrsoschnellichwill), soll das Ganze als abschaltbares Feature der elektronischen Fahrassistenz kommen. Zwar bei jedem Neustart des Wagens wieder eingeschaltet, aber eben abschaltbar. Warum aber soll eine lebensrettende Sicherheitstechnik abschaltbar sein? Egoistisch und unsozial ist das.

Kein Mensch käme auf die Idee, nach Lust und Laune die Bremslichtfunktion abschalten zu wollen, weil er selber entscheiden möchte, wie hell seine Rücklichter strahlen. Kein Mensch würde auf ein Verbot von Bahnschranken bestehen, weil schließlich jeder selber abschätzen können sollte, ob es noch langt, bevor der Zug kommt. Warum gilt also bei der Geschwindigkeit Individualität vor Sicherheit? Es gibt nur eine Antwort – und die ist peinlich: Weil es bislang immer schon so war.

Tesla-Gründer Elon Musk hat recht, wenn er darauf hinweist, dass es bald verboten sein wird, selber Auto zu fahren, statt den Computer steuern zu lassen. Weil selber zu fahren einfach zu gefährlich ist. Also genießen wir das Selbstfahren noch ein bisschen und schmelzen es langsam ab.

Besagtes ISA-System soll sich bei der Regelung der Geschwindigkeit irgendwie an GPS-Daten, Navi-Karten und mithilfe von Verkehrszeichenerkennung an der Straße orientieren. Letzteres hat laut Deutschem Verkehrssicherheitsrat einen gravierenden Nachteil: Jede Geschwindigkeitsbegrenzung müsste extra mit einem Verkehrsschild aufgehoben werden, damit das Auto das erkennt. Das ist bislang zumindest dann nicht nötig, wenn Straßen einmünden. Hinter der Einmündung gilt die Beschränkung für alle als aufgehoben, denn der Einbiegende kann ja nichts vom Beginn der Beschränkung wissen. Hier droht eine millionenschwere Nachrüstung mit einer Flut von teuren Blechschildern europaweit. Kinners, das kann doch nicht die Zukunft sein.

Ich sag mal so: Solange Einmündungen noch nicht vom Auto zuverlässig erkannt werden können, reicht doch auch erstmal eine grobe Beschränkung in Zonen per GPS, europäischem Satellitenortungsservice Galileo und Navi-Karte. In der Ortschaft Limit auf 55 km/h, in der 30er-Zone auf 35, auf der Landstraße 110 oder so. Nicht als Assistenz, auf die sich wir Fahrer blindlings verlassen können, ohne auf die Schilder zu achten, sondern als eine Art liebevolles Ausbremsen, wenn sich jemand nicht ans Limit hält in Bereichen, die eindeutig per GPS zuzuordnen sind. Die Verantwortung bleibt beim Fahrer, insbesondere bei neuen Limits wie in Baustellen, die in Karten nicht vermerkt sind.

Und zwar ohne Abschalt-Option. Fangen wir bei den Carsharing-Fahrzeugen an. Die orientieren sich ja wie die Roller bereits an Mietzonen, außerhalb derer sich die Miete nicht beenden lässt. Einfach Tempolimits mit reinbasteln. Wie finden Sie das?

Wer sagt, die Elektro-Mietroller hätten keinen Einfluss auf die Mobilitätswende, weiß jetzt: Das ist zum Glück vorschnell geurteilt. Wenn wir lernen, machen die Scooter sogar das Autofahren sicherer. Wer hätte das gedacht?

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