
Highway-Pilot verfügbar – so leuchtet es im Armaturenbrett auf, unmittelbar nachdem der Fahrer den schweren Actros 1845 gestartet hat. Wenig später lässt er plötzlich das Lenkrad los, und der Sattelschlepper von Mercedes-Benz rollt vollautomatisch auf der Autobahn A 14 in der Nähe von Magdeburg entlang. Der Trucker drückt einen Knopf an der Armlehne, sein Sitz fährt nach hinten und dreht sich zur Beifahrerseite. Er kann nun entspannt die Beine ausstrecken – fast wie auf dem heimischen Sofa. Während der Laster fährt, nimmt der Fahrer Frachtaufträge entgegen, meldet dem Kunden seine Ankunftszeit und verabredet sich für die Mittagspause mit Kollegen auf dem nächsten Rastplatz.
Science-Fiction? Keineswegs. Wolfgang Bernhard, verantwortlicher Daimler-Vorstand für Nutzfahrzeuge, wird den Prototyp eines selbstfahrenden Lkws mit dem wenig originellen Namen Future Truck 2025 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) für Nutzfahrzeuge in Hannover vorstellen, die am 25. September beginnt. Noch ist die Technik teuer, sind rechtliche Fragen wie „Wer haftet, wenn’s kracht?“ nicht geklärt. Trotzdem ist absehbar: Nicht nur Pkws, auch Nutzfahrzeuge werden bald vollautomatisch über unsere Straßen rollen.
Die Zeit ist überreif für solch radikal neue Lösungen. Denn allenthalben sorgen mit Lkws verstopfte Autobahnen, unter der Last der Laster zerbröselnde Straßen und Brücken, Lärm und viele schwere Unfälle für Verdruss. Der 40-Tonner, der im Rückspiegel immer größer wird und ungebremst in das Ende eines Staus rast, ist ohnehin der Albtraum jedes Autofahrers. Der Brummi wird zum Feindbild.
Wenn sich der Verkehr ändert, geht auf den Straßen bald nichts mehr
Da mag der an die Spitze des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) berufene Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann noch so eifrig betonen: „Ohne Transport gibt es keinen Handel, kein Wachstum und keine Zukunft.“ Pro Jahr, so rechnet er vor, versorgen Nutzfahrzeuge statistisch gesehen jeden einzelnen deutschen Haushalt mit circa 110 Liter Milch sowie 500 Liter Mineralwasser, Limonade und anderen Getränken. Hinzu kommen jährlich rund zwei Milliarden Paketlieferungen und Kurierfahrten.
Dennoch sind die Prognosen aus dem Hause des heutigen Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) für den gemeinen Autofahrer purer Horror: Danach nimmt der Lkw-Verkehr bis 2030 um satte 39 Prozent zu. Bleibt alles beim Alten, rollt auf den Straßen bald nichts mehr, nehmen Gesundheitsschäden durch Feinstaub und andere Schadstoffe weiter zu, erreichen Zulieferteile nicht mehr „just in time“ die Fabriken, bleiben in den Supermärkten bald die Regale leer.
Die Marktanteile der fünf größten Lkw-Marken
Daimler-Freightliner: 29 Prozent
Navistar International: 16 Prozent
Ford: 15 Prozent
Paccar Kenworth: 11 Prozent
Paccar Peterbilt: 8 Prozent
Sonstige: 21 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Volkswagen: 20 Prozent
Mercedes-Benz: 20 Prozent
Volvo: 12 Prozent
Ford: 12 Prozent
VW-Scania: 10 Prozent
Sonstige: 26 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Mercedes-Benz: 23 Prozent
VW MAN: 17 Prozent
Paccar DAF: 15 Prozent
Volvo: 11 Prozent
Iveco: 11 Prozent
Sonstige: 23 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Mercedes-Benz: 15 Prozent
Kamaz: 15 Prozent
VW MAN: 9 Prozent
Volvo: 9 Prozent
VW-Scania: 8 Prozent
Sonstige: 44 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Dongfeng: 16 Prozent
FAW Jiefang: 11 Prozent
CNHTC: 10 Prozent
Foton-Daimler: 9 Prozent
Tata: 8 Prozent
Sonstige: 46 Prozent
Werte gerundet und inklusive erwarteter Marktanteile für 2014
Quelle: IHS Automotive
Selbstfahrende Laster, saubere Antriebe, smarte Assistenzsysteme sollen nun helfen, den drohenden Kollaps zu verhindern. Indem die Nutzfahrzeuge die vorhandene Infrastruktur besser nutzen, die Umwelt weniger belasten und seltener in Unfälle verwickelt sind.
Was heute technisch schon geht, will Daimler-Vorstand Bernhard mit dem Future Truck in Hannover demonstrieren. Seine Entwickler haben den Sattelschlepper mit allem vollgestopft, was derzeit an Innovationen verfügbar ist. Bereits heute existierende Sicherheitssysteme haben sie konsequent vernetzt: Die überwachen mit mehreren Kameras und Radarsensoren den Raum um das Fahrzeug, halten automatisch Abstand zum Vordermann, beschleunigen und verzögern im Stop-and-go-Verkehr, bremsen im Notfall und halten die Spur, wenn der Fahrer einmal unachtsam ist.
Der vorausschauende Tempomat kennt dank dreidimensionaler Karten alle Hügel und Täler einer Strecke. Vor Steigungen holt er automatisch Schwung, und vor Gefällestrecken reduziert er rechtzeitig die Leistung, um Sprit zu sparen. Künftig werden sich die Fahrzeuge sogar untereinander vor Staus, Glatteis oder Unfällen warnen können.