Jaguar, Bentley, Mini und Co. Der deutsche Erfolg der britischen Autoindustrie

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Graus vor EU-Referendum

Die Masche hat Tradition in Großbritannien, wenn die eigenen Firmen, speziell die Autobauer, es nicht mehr richtig bringen. So waren es auch die steuerlichen Anreize, die 1986 Nissan als ersten japanischer Autobauer bewogen, sich im nordenglischen Sunderland und nicht in einer anderen Region Europas niederzulassen. Unter anderem bekam Nissan 9,3 Millionen Pfund (nach damaligem Wert etwa 12,7 Millionen Euro) aus einem regionalen Strukturfördertopf. Der Nordosten Englands hatte in besonderer Weise unter der Deindustrialisierung des Landes gelitten, die Arbeitslosigkeit war hoch.

So gut es derzeit auch für die Autoindustrie unter deutscher Obhut in Großbritannien läuft, in den Chefetagen breitet sich Sorge aus. Denn am 7. Mai wird in Großbritannien gewählt. Sollten die Konservativen gewinnen, muss Premier David Cameron sein Versprechen einlösen und die Briten spätestens 2017 über die künftige Mitgliedschaft in der EU abstimmen lassen. Sollte die euroskeptische UKIP-Partei zum Zünglein an der Waage werden, käme das Referendum wohl schon dieses Jahr.

Die größten Autonationen in Europa nach produzierten Einheiten*

Den Automanagern ist das ein Graus, die Gesellschaft der Autohersteller und Händler SMMT warnt bereits lautstark vor den Gefahren eines EU-Austritts, im Volksmund Brexit genannt. 92 Prozent der SMMT-Mitglieder halten die EU-Mitgliedschaft für wichtig, andernfalls wäre der freie Zugang zum EU-Binnenmarkt bedroht, in den rund die Hälfte der Autoexporte geht. Ein Fünftel der Komponenten für die Autoproduktion werden ins Vereinigte Königreich eingeführt, die Importe würden dann vielleicht mit Einfuhrzöllen belegt. Außerdem wäre die Freizügigkeit von Fachkräften aus der EU gefährdet. Bedroht sind auch die Investitionen.

„Ausländische Geschäftsleute investieren in Großbritannien, weil ihnen damit der Zugang zum Binnenmarkt garantiert ist. Ist das nicht mehr sichergestellt, werden sie nach anderen Optionen suchen“, warnte bereits Wirtschaftsminister Vince Cable. Anders als viele seiner deutschen Kollegen sprach Carlos Ghosn, der Chef von Renault-Nissan, schon früh Klartext: „Im Falle eines EU-Austritts wird Nissan im Hinblick auf Großbritannien die künftige Strategie und Investitionen überdenken“, sagte er dem britischen Sender BBC.

Anleihen bei BMW

Jaguar Land Rover würden negative Folgen eines EU-Austritts vermutlich besonders treffen, weil sich das Unternehmen anders als Bentley und Rolls-Royce nicht im Luxusmarkt bewegt, sondern im wettbewerbsintensiveren Premiumgeschäft. Das Unternehmen trägt fast ein Drittel des Autoabsatzes britischer Fabriken.

Der scheidende Technikchef Ziebart hat beim neuen Jaguar XE nicht von ungefähr viele Anleihen bei BMW genommen, von Fahrerassistenzsystemen, einer Acht-Stufen-Automatik von ZF Friedrichshafen bis hin zu Head-up-Displays, mit denen sich Fahrzeuginformationen auf die Windschutzscheibe projizieren lassen. Und damit erst gar keine Zweifel an der Zuverlässigkeit aufkommen, gibt Jaguar Land Rover eine dreijährige Garantie und kostenlose Inspektionen während der ersten 60 000 Kilometer. Bei BMW etwa gibt es nur zwei Jahre Gewährleistung.

Prompt titelte das Fachblatt „Auto Motor und Sport“: „Kann Jaguar BMW schlagen?“ Es wäre das erste Mal seit Jahrzehnten, dass deutsche Autobauer Großbritannien wieder als Konkurrenz ansehen müssten – es sei denn, die Briten träten aus der EU aus.

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