Normalerweise treten gestürzte Konzernchefs sofort aus dem Rampenlicht. Nicht so der scheidende VW-Chef Herbert Diess. Sein Arbeitsvertrag läuft noch bis zum 31. August und so reihte sich der VW-CEO in die Riege der Spitzenmanager ein, die Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf deren Kanada-Reise begleiteten. Es war zudem eine gute Gelegenheit, nochmal seine Weichenstellungen für Volkswagen zu betonen, die man ihm so schnell nicht nehmen kann.
Denn in Toronto unterzeichnete Diess ein Abkommen, das Volkswagen Zugriff auf wichtige Rohstoffe für Akkus wie Lithium, Nickel und Kobalt garantieren soll, um so die von ihm vorangetriebene Offensive bei Elektro-Autos auch ausführen zu können. „Es ist ein wichtiger Hebel für unsere Wachstumsstrategie in Nordamerika“, hob Diess hervor.
Auch wenn dies nun unter seinem Nachfolger Oliver Blume geschehen wird, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger parallel auf synthetische Kraftstoffe setzen will – trotz deren mieser Energiebilanz.
Auch Mercedes-Benz nutzte die Reise des Kanzlers, um eine engere Zusammenarbeit mit Kanada öffentlich zu machen. Mercedes will dabei eng mit dem kanadischen Bergbauunternehmen Rock Tech Lithium zusammenarbeiten, das von dem deutschen Manager Markus Bruegmann geleitet wird. An Bord ist auch Stefan Krause, der ehemalige Finanzchef von BMW. Das in Kanada gewonnene Lithium soll dann in Deutschland zu Lithiumhydroxid veredelt werden, um in Akkus eingesetzt werden zu können.
Volkswagen wiederum nutzt seine Tochter PowerCo aus Salzgitter, in der alle Batterieaktivitäten des Konzerns gebündelt sind. Geplant sind sechs eigene Akku-Fabriken, darunter eine in Nordamerika, deren Standort gerade gesucht wird. Es wird erwartet, dass sie in der Nähe von Volkswagens US-Fabrik in Chattanooga angesiedelt wird. Sie soll auch mit Rohstoffen aus Kanada beliefert werden. PowerCo erwägt sogar, sich an kanadischen Bergbauunternehmen zu beteiligen. Noch stehe das allerdings nicht auf der Tagesordnung, betont VW-Vorstand Thomas Schmall.
Wettrennen um Lithium
Weltweit ist ein Rennen unter den Fahrzeugherstellern losgebrochen, um sich Rohstoffe für Batteriezellen zu sichern. Besonders die Preise für Lithium sind in die Höhe geschossen. Tesla, so verriet dessen Chef Elon Musk neulich, muss derzeit 88 Dollar pro Kilogramm Lithiumcarbonat bezahlen, vor einem Jahr waren es noch 11 Dollar. Damit begründete er die erheblichen Preissteigerungen bei Tesla.
Das Beratungsunternehmen E Source aus Boulder, Colorado, erwartet, dass die Produktionskosten für Akkus in den nächsten Jahren zulegen werden, weil so viele Hersteller ihre Produktion gleichzeitig ausweiten wollen. Der Durchschnitt liegt laut Berechnungen von E Source derzeit bei 128 Dollar pro kWh, soll aber bis 2026 auf 138 Dollar steigen, trotz technologischer Neuerungen. Das könnte Elektroautos je nach Größe der Akkus zwischen 1500 und 3000 Dollar teurer machen. Das erschwert wiederum die Markteinführung.
Noch wichtiger als der Preis ist jedoch der Zugriff auf den Rohstoff. Zwar gibt es genügend Lithium-Vorkommen weltweit, doch der Abbau und vor allem das Veredeln in Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid sind sehr kostenintensiv. Hinzu kommt die Debatte um die dabei entstehenden Umweltschäden und – wie beim Abbau in der Republik Kongo – der Einsatz von Kinderarbeit.
Größte Lithium-Lieferanten
Hier will vor allem Kanada mit seinen hohen Standards punkten. Noch spielt Kanada allerdings beim Abbau von Lithium nur eine geringe Rolle. Größter weltweiter Lieferant ist Australien, gefolgt von Chile, China und Argentinien.
Dominant ist Asien bereits bei der Herstellung von Batteriezellen. „95 Prozent der Produktion kommt derzeit aus Asien“, sagt VW Vorstand Schmall. Ford hatte kürzlich ein Abkommen mit dem australischen Bergbauunternehmen Ioneer abgeschlossen, das Lithium in der Wüste von Nevada schürfen will. Tesla erwägt, selbst in Nevada abzubauen. General Motors hat sich mit dem australischen Anbieter Controlled Thermal Resources verbündet, um in Südkalifornien Lithium zu gewinnen.
Der Standort Kanada ist auch deshalb wichtig, um in den Genuss von großzügigen Subventionen zu kommen, die es ab Januar in den USA für Elektroautos geben soll. Auch wenn VW-Vorstand Schmall betont, dass man den Vertrag mit Kanada bereits vor diesem Vorhaben angestoßen habe.
Fette US-Subventionen für E-Autos
Gerade hat US-Präsident Joe Biden mit großer Verzögerung den sogenannten „Inflation Reduction Act“ nach dem Senat auch durch den Kongress peitschen können. Der sieht staatliche Subventionen in Höhe von bis zu 7500 Dollar pro Elektroauto vor, für die nächsten zehn Jahre und im Unterschied zu den bisherigen Programmen sogar ohne Deckel bei der Fahrzeugproduktion. Hinzu kommen noch Fördergelder der US-Bundesstaaten.
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Für die Milliarden an Steuergeldern erwartet die US-Regierung allerdings auch eine Gegenleistung von den Autoherstellern. Denn um diese abrufen zu können, müssen nicht nur die Elektroautos in Nordamerika hergestellt werden, sondern auch das Gros der Batterien. Mindestens 40 Prozent der Rohstoffe dafür sollen vom nordamerikanischen Kontinent und von Freihandelspartnern der USA kommen. So soll die Dominanz chinesischer Hersteller gebrochen werden, man will die Fehler beim Ausbau der Solarzellenproduktion diesmal vermeiden. Neben dem eigenen Abbau veredelt China zudem fast die gesamte Lithium-Förderung Australiens.
Die deutschen Autokonzerne sind gut aufgestellt, um die großzügige Förderung mitzunehmen. Volkswagen, Mercedes und BMW produzieren schon seit Jahren ihre Fahrzeuge in den Südstaaten der USA. Volkswagen, das mittels Elektroautos seinen Marktanteil in den USA in dieser Dekade verdreifachen will, liegt am weitesten vorne. Es hat seine Fabrik in Chattanooga für das parallele Herstellen von Elektroautos umgerüstet. Seit kurzem läuft hier nun Volkswagens Elektro-SUV ID.4 vom Band, neben dem Benziner-SUV Atlas.
Mercedes wiederum bereitet in seiner Fabrik in Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama gerade die Produktion seines EQS SUV vor, dem der EQE SUV bis Jahresende folgen soll. Die Akkus kommen aus einem in der Nähe errichteten Werk.
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