
Rupert Stadler freut sich auf den neuen Audi Q7, der nicht nur 325 Kilo leichter wird als das Vorgängermodell, sondern mit präzisen Linien und einem prägnanteren Kühlergrill auch die nächste Entwicklungsstufe im Audi-Design ankündigt. Auch Martin Winterkorn war die Vorfreude ins Gesicht geschrieben, als er dieser Tage bei einem so genannten „Sneak Preview“ im Designstudio von Volkswagen in Wolfsburg gleich von vier SUVs die Tücher ziehen ließ.
Zu bestaunen gab es unter anderem den neuen Tiguan und einen noch nicht getauften Geländewagen im XXL-Format für den nordamerikanischen und chinesischen Markt. Eine ganz Reihe von Neuigkeiten kündigen sich auch bei den anderen deutschen Autoherstellern an: Hoffnungsträger bei Mercedes sind unter anderem das neue Sportcoupé AMG GT, das neue Kombicoupé CLA Shooting Brake sowie der neue GLE – die zivile Ausführung des Hardcore-Offroaders, der bei der Bundeswehr als Wolf durch unwegsames Gelände schnürt.





BMW wird in der kommenden Woche versuchen, mit der Präsentation des neuen Cabriolets der Zweier-Baureihe, mit dem neuen X1 und der Siebener-Limousine Vorfreude zu wecken auf die neuen Autos des Modelljahrs 2015.
Neue Autos, seien es komplett neue Modelle oder so genannte Facelifts für bereits bestehende Baureihen, sind ein probates Mittel, um einen Markt zu stimulieren. Und an Stimulanzien wird es im kommenden Jahr wahrlich nicht fehlen: Wie die Experten des Fachmagazins „Auto, Motor, Sport“ herausgefunden haben, werden im kommenden Jahr insgesamt 190 mehr oder minder neue Modelle in den Handel kommen, bei uns in Deutschland und in Europa, aber auch in Nordamerika und in Asien.
Viel hilft viel, lautet offenbar die Antwort der Verkaufsstrategen in der Autoindustrie auf die Absatzprognosen für das kommende Jahr.
Denn die Aussichten sind alles andere als rosig: Um maximal zwei Prozent wird summa summarum der Weltmarkt für Personenwagen im kommenden Jahr wachsen. In China etwas stärker, in Deutschland etwas schwächer, in den USA und Westeuropa um einen Prozentsatz und damit irgendwo dazwischen.
Die Zeit großer Wachstumssprünge scheint erst einmal vorbei. Die Gründe dafür sind vielschichtig, aber auch regional unterschiedlich: In den meisten Ländern Westeuropas sind die Automärkte weitgehend gesättigt – wenn ein neues Auto gekauft wird, dann ersetztes es ein vorhandenes Altfahrzeug.
Die Verkäufe an Privatkunden stagnieren
In einigen Ländern wirkt die Währungs- und Wirtschaftskrise immer noch nach. In Spanien scheint das Schlimmste überwunden, die Konsumenten haben wieder Zuversicht geschöpft: In diesem Jahr werden die Fahrzeugverkäufe um rund 18 Prozent gegenüber 2013 wachsen.
Auch in Irland (plus 29 Prozent), Griechenland (plus 22 Prozent) und Portugal (plus 34 Prozent) hat die Autoindustrie 2014 gute Geschäfte gemacht, wie die aktuellen Statistiken der Herstellerorganisationen belegen. Dafür schwächeln Frankreich (plus 1,4 Prozent), die Niederlande (minus 5 Prozent), Belgien (minus 1 Prozent).





Auch die Konsumenten in Deutschland drehten mit ihrem alten Auto lieber noch eine Runde mehr: Im Jahresschnitt wurden hier nur zwei Prozent mehr Autos verkauft als im Vorjahreszeitraum. Getragen wurde dieses Wachstum durch Ersatzbeschaffungen und ein stabiles Dienstwagengeschäft.
Die Verkäufe an selbstzahlende Privatkunden hingegen stagnierten oder gingen sogar leicht zurück. „Das Wachstumstempo des westeuropäischen Marktes ähnelt eher einem Adagio“, formulierte es Matthias Wissmann, der musikbegeisterte Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der Jahrespressekonferenz.
Und es spricht viel dafür, dass die Tonlage auch im kommenden Jahr vorherrschen wird. Zwar sind die Autobauer derzeit so kreativ wie lange nicht. Aber viele der neuen Modelle, die in den kommenden Monaten auf den Markt drängen, sind zwar originell und hübsch gestylt – aber ihr Mehr- oder Nutzwert erschließt sich nicht gleich jedem.
Beim neuen VW Tiguan oder Audi Q7 muss man nicht viel erklären. Aber bei einem CLA Shooting Brake wird es schon schwieriger: Bei dem Modell handelt es sich um einen Mischung aus Kompaktauto, Coupe und Kombi. Der Kofferraum ist etwas größer als bei der konventionellen A-Klasse, aber mehr als ein paar Getränkekisten sollten man auch nicht zu transportieren haben; die Kopffreiheit ist im Fond des Shooting Brake andererseits besser als in der CLA genannten Stufenheck-Limousine.
Aber dafür können die Passagiere ihre Füße nicht unter den Sitz des Vordermanns schieben. Kurzum: Das Modell kann vieles leisten, aber nichts so richtig gut.
Und die Zahl dieser merkwürdigen Zwitterwesen wird in den kommenden Jahren noch wachsen: Um Kaufinteressenten zu locken wird jede denkbare Nische besetzt. Modul- und Plattformstrategien geben den Autoherstellern die Möglichkeit, auch kleinere Losgrößen noch wirtschaftlich zu entwickeln und zu produzieren, idealerweise dort, wo die Nachfrage besteht.
Zwitterkonstruktionen sind als reine Modeprodukte konzipiert
So wird der SUV im XXL-Format gleich in USA oder China produziert, der allradgetriebene, coupéhafte SUV gleich in Indien oder – und der Crossover aus Van und Geländewagen in Westeuropa. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Varianten auf der Antriebsseite – Autos mit konventionellem Benziner oder Dieselmotor unter der Haube, dazu Autos, die mit Gas betrieben werden können, die rein elektrisch fahren oder mit einem Mischantrieb aus Verbrennungsmotor und Elektromaschine.
Mal fährt das Hybridauto nur wenige Kilometer, mal reicht eine Akkuladung für eine längere Fahrstrecke; mal kann der Akku an der heimischen Steckdose wiederaufgeladen werden, mal wird er während der Fahrt über den Verbrennungsmotor aufgefrischt.
Und in naher Zukunft schon wird das Elektroauto den Fahrstrom über eine Brennstoffzelle an Bord und mit Hilfe von Wasserstoff selbst generieren.





Die Zahl der Möglichkeiten geht gegen Unendlich, die Qual der Wahl wird für den Autokäufer immer größer. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“, lautet ein alter Leitspruch von Verkaufspsychologen, den die Vertriebsexperten und Vorstände der Autoindustrie inzwischen verinnerlicht haben.
Doch der Blick auf die aktuellen Verkaufszahlen, auf den Jahresbericht des VDA wie auch in die Prognosen zeigt: Mit der Anzahl der Würmer steigt nicht automatisch die Fangquote. Teilweise kannibalisieren sich die Modellreihen. Und teilweise sind einfach auch die Fische satt: Die Modellzyklen werden zwar immer kürzer, aber auch die Produktqualität immer besser.
Und ein neues Auto alle drei Jahre können sich auch in den reichen Ländern dieser Welt immer weniger Menschen leisten. Zumal jene Zwitterkonstruktionen als reine Modeprodukte konzipiert sind und entsprechend teuer angeboten werden. Ich empfehle mal einen Blick in die Preislisten: Selbst für einen konventionell gestylten Kompaktwagen werden inzwischen Preise um die 20.000 Euro aufgerufen, für Hybrid- oder Elektroautos nochmals deutlich mehr.
Auto
Die Autos altern aufgrund des technischen Fortschritts bei den Antrieben oder auch bei der Elektronik so rasant, dass sie schon drei Jahre nach der Erstzulassung zum Alteisen zählen und beim Wiederverkauf nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen Kaufsumme erzielen.
Dass der Automarkt in einigen Regionen dieser Welt stagniert, sollte vor dem Hintergrund eigentlich keinen Automanager verwundern. Die Vorfreude auf die neuen Modelle sollte man ihnen dennoch lassen.