Haben die Kunden einmal verstanden, welche Marktmacht ihr Kaufverhalten hat, müssten wohl Entwicklungsbudgets für alternative Antriebe schneller aufgestockt werden, als es den Autobauern lieb ist. Zehntausende Arbeitsplätze hängen in der Brache am Diesel. Hinzu kommt: „Deutsche Autobauer tun sich mit dem Wandel schwer, sie haben hohe Fixkosten und Gewerkschafter achten auf die Arbeitsplätze –dadurch ist die deutsche Industrie nicht so wendig wie ihre Angreifer“, sagt Ellinghorst. Disruption, so der Analyst, greife das Geschäftsmodell der deutschen Autobauer an – „vom autonomen Fahren bis zur Elektromobilität gibt es Unternehmen überwiegend aus China und den USA, die schneller und agiler sind“. Investoren halten die Deutschen für sterbende Dinosaurier – so haben die Aktien von Daimler, BMW und VW seit 2015 schlechter abgeschnitten als der Dax, während E-Auto-Pionier Tesla ordentlich zugelegt hat. Am Ende könnten die deutschen Autobauer auf der Strecke bleiben.
Kosten möglicherweise in Milliardenhöhe kommen auf die fünf Autobauer auch für Anwälte zu. Zum einen müssen Anfragen des Kartellamtes bearbeitet werden, zum anderen Ansprüche von Anlegern, Zulieferern und Autobesitzern verteidigt werden. Volkswagen hatte im Dieselskandal bislang bereits Anwaltskosten „im mittleren dreistelligen Millionenbereich“. Kosten dieser Art drohen nicht nur in Deutschland – vor allem die Amerikaner wetzen schon wieder die Messer.
So wichtig ist die Autoindustrie für Deutschland
Erst der Skandal um manipulierte Abgaswerte, dann der Kartellverdacht gegen BMW, Daimler, Volkswagen und Co. Es drohen Strafzahlungen und Schadenersatz - und das in einer Zeit, in der die deutschen Autobauer durch neue Konkurrenten wie den Elektroauto-Hersteller Tesla oder Trends wie dem autonomen Fahren ohnehin vor großen Herausforderungen steht. Ein Überblick, wie wichtig die Autobranche für Deutschland ist.
Quelle: Reuters
Gemessen am Umsatz ist die Autobranche der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland: Die Unternehmen erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von mehr als 405 Milliarden Euro. Das entspricht rund 23 Prozent des gesamten Industrieumsatzes. Mittelständisch geprägte Zulieferer sind für den Großteil der Wertschöpfung - etwa 70 Prozent - verantwortlich. Insgesamt werden mehr als 1300 Unternehmen der Branche zugerechnet.
Die Autounternehmen zählen in Deutschland direkt mehr als 800.000 Mitarbeiter. Indirekt sind es viel mehr, da für die Fahrzeugfertigung viele Teile, Komponenten und Rohstoffe zugekauft werden - etwa in der chemischen Industrie, der Textilindustrie, bei Maschinenbauern sowie in der Elektro-, Stahl- und Aluminiumindustrie. Auch Autohändler, Werkstätten und Tankstellen sowie weitere Dienstleister - etwa Versicherer - sind von der Autokonjunktur abhängig.
Fahrzeuge sind der größte deutsche Exportschlager. Mehr als drei Viertel der in Deutschland hergestellten Pkw werden exportiert: 2016 waren es gut 4,4 Millionen. Die Ausfuhren von Kraftwagen und Kraftwagenteilen summierten sich 2016 auf mehr als 228 Milliarden Euro. Das entspricht fast einem Fünftel der gesamten deutschen Exporten. Ein Großteil des Auslandsumsatzes wird in den EU-Ländern erwirtschaftet.
Weltweit investierte die deutsche Autoindustrie zuletzt fast 39 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE). Im Deutschland sind es knapp 22 Milliarden Euro, was mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben der heimischen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung entspricht. Mehr als 110.000 Mitarbeiter sind in den Entwicklungsabteilungen beschäftigt. Von den weltweit 3000 Patenten zum autonomen Fahren entfallen etwa 58 Prozent auf deutsche Firmen.