Kein neues Auto für Ford Saarlouis Macht Euch schnell hübsch für einen Käufer

Das große Logo von Ford, das auf dem Parkplatz des Werks Saarlouis steht, mit einem Durchfahrt Verboten Schild davor. Wie es künftig mit dem Werk weitergehen wird, ist offen. Quelle: dpa

Ford Europa will das neue Elektroauto in Spanien bauen – und nicht im saarländischen Saarlouis. Damit steht das deutsche Werk vor dem Verkauf, womöglich gar vor der Schließung. Doch wer jetzt zu lange an der Vergangenheit klebt und lamentiert, arbeitet tatsächlich daran, dass die Lichter ausgehen. Es ist Zeit zu agieren. Ein Kommentar.

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Ford will sein neues E-Auto in Spanien bauen. Und das deutsche Werk in Saarlouis steht nun aktuell ohne ein neues Auto da, welches den bisher hier gebauten und im Jahr 2025 auslaufenden Focus ersetzen könnte. Leider aber sieht es nun auch nicht danach aus, dass ein solches neues Fahrzeug noch nach Deutschland vergeben wird. Denn erstens hat das Ford-Werk in Köln gerade erst die Zusage für zwei neue E-Autos und Milliardeninvestitionen bekommen. Und zweitens hat Ford wie viele andere Autobauer in Europa Überkapazitäten in der Produktion

Durch den Mangel an Halbleitern und anderen Bauteilen werden weltweit mehrere Millionen Autos weniger produziert als einst geplant – und in dem Umfeld ist es kein Wunder, dass Ford diese Überkapazitäten in Europa nun abbaut. Eine „Schließung oder ein Verkauf drohen“, sagen die Betriebsräte – man habe „gekämpft und alles gegeben“, sei eigentlich der klare Sieger im Kampf der beiden Werke um das neue Auto gewesen … doch Ford  habe die eigentlich „klaren Sieger“ im Bieterwettbewerb um den Erfolg „betrogen“. Denn nach Prüfung der Wirtschaftszahlen seien die Betriebsräte, unterstützt von einem Beratungsinstitut, zu dem „eindeutigen Ergebnis“ gekommen, dass das Gesamtpaket der deutschen Standorte in den wesentlichen Kennzahlen für die anvisierte Laufzeit bis 2034 für Saarlouis „in Summe die besten Ergebnisse geliefert hätte“. 

Das mag ja alles richtig sein. Aber der Blick zurück lähmt jetzt nur. Denn wer jetzt zu lange an der Vergangenheit klebt und lamentiert, der arbeitet tatsächlich auf eine Schließung hin. Und das wäre in der Tat die schlechteste Option für die 4600 Mitarbeiter von Ford, aber auch die über 1000 bei den Zulieferern. In Summe geht es wohl um über 6000 Jobs. 

Beste Option: Verkauf des Werkes

Die beste Option für Saarlouis wäre wohl der Verkauf des Werkes an jemanden, der dort weiter Autos baut. Elektroautos! Und Interessenten wären sicherlich da. Vor allem asiatische Autobauer drängen zunehmend auf den europäischen Markt. Einige haben bereits bekundet, dass sie Interesse an einem eigenen Werk in Europa hätten. Der Elektroautohersteller Aiways etwa, 2017 in Shanghai gegründet, bietet in Deutschland schon Autos an. Aiways „denkt über eine Autofertigung in Europa nach“, bestätigte Aiways-Vorstand Alexander Klose der WirtschaftsWoche Anfang 2022. Er ist als Executive Vice President Overseas bei Aiways für alle Überseetätigkeiten sowie die Produktstrategie verantwortlich. Deutschland war als Fabrikstandort zuletzt zumindest im Rennen. Und auch der vietnamesische Autobauer VinFast sucht: Man sei auf der Suche nach Standorten in Europa und auch in Deutschland, hieß es auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Auch der chinesische Konzern Great Wall Motor ist nicht abgeneigt: Man sehe es als eine Möglichkeit für die Zukunft, ein eigenes Werk in Europa zu haben, schrieb eine Sprecherin auf Anfrage. 

Lesen Sie auch: Chinas Offensive lässt deutsche Autobauer zittern

Da viele Autobauer Überkapazitäten in Europa haben, wäre es für die Menschen bei Ford womöglich ein Vorteil, sich nun schnell hübsch für einen Käufer zu machen. In den Ohren von Betriebsräten und IG-Metallern muss sich so ein Vorschlag erstmal fürchterlich anhören. Aber die Asiaten werden nicht mehr lange zögern – und schon bald womöglich aus dem Vollen schöpfen können, wenn es um den Kauf von alten Verbrennerwerken geht. Nach und nach könnten sich nun auch andere Autobauer aus der Defensive wagen – und womöglich Standorte anbieten.  

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Die Arbeitnehmervertreter sollten daher nun nach vorne schauen und einen Deal mit Ford machen und die Politik ins Boot holen: Wer das Werk Saarlouis freiwillig verlassen möchte, bekommt eine großzügige Mitgift. Das könnte für den ein oder anderen attraktiv sein: Unweit des Ford-Werkes hat sich bereits der Batteriehersteller SVolt niedergelassen und will dort Batteriezellen fertigen. Die Chinesen suchen offenbar noch Mitarbeiter. Und die verbliebenen Fordler sollten die Amerikaner für Jobs in Sparten wie E-Mobilität und Software qualifizieren. Denn die asiatischen Autobauer kommen ganz überwiegend mit den Autos der Zukunft – und Elektroantrieb. Kann Saarlouis einem Käufer ein Werk plus eine fertig qualifizierte Mannschaft bieten, dann hat eine vierstellige Zahl von Mitarbeitern womöglich eine Zukunft. Und mit ihnen könnten auch viele Jobs bei den umliegenden Zulieferern erhalten bleiben. 

Lesen Sie auch das Kurzinterview mit dem Betriebsratschef von Ford in Saarlouis, Markus Thal: „Wir werden um jeden Einzelnen kämpfen“ 

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