Kleinstwagen-Projekt Renault stellt Kooperation mit Daimler infrage

Renault und Nissan wollen ihre langjährige Allianz vertiefen und mehr Autos gemeinsam entwickeln. Das hätte auch für den Kooperationspartner Daimler Folgen.

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Daimler-Chef Zetsche und Renault-Nissan-Chef Ghosn: Weitere Zusammenarbeit, nur nicht bei Kleinstwagen? Quelle: REUTERS

Jüngst haben die neuesten Generationen des Renault Twingo und Smart Fortwo ihre Premiere gefeiert. Das Medienecho und die ersten Fahrberichte waren durchweg positiv: Die Partnerschaft von Daimler und Renault hat offenbar gute Kleinstwagen hervorgebracht. Doch genau diese Kooperation stellt Renault kurz nach dem erfolgreichen Marktstart laut einem Medienbericht nun offen infrage.

Die Fachzeitung "Automobilwoche" zitiert einen Renault-Manager mit den Worten: "Ob der Nachfolger für den neuen Twingo wieder gemeinsam mit Daimler entwickelt wird, steht noch nicht fest." Stattdessen könnten die Franzosen auch ihre Synergien mit dem Allianz-Partner Nissan ausbauen und weitere gemeinsame Plattformen und Komponenten entwickeln.

Bislang wird der zweisitzige Smart Fortwo im Smart-Werk im französischen Hambach gefertigt, während der viersitzige Forfour zusammen mit dem Twingo im Renault-Werk im slowenischen Novo Mesto vom Band läuft.

"Wir sind dabei, die Plattformstrategie zwischen Renault und Nissan immer weiter auszubauen", sagt Renaults Europa-Chef Stefan Müller der Zeitung. "Das ermöglicht zum Beispiel auch die Produktion des neuen Espace." Renault hatte die fünfte Generation des Espace Anfang Oktober auf dem Pariser Autosalon vorgestellt. Er basiert auf der gemeinsam mit Nissan entwickelten CMF-Plattform.

Ohne diese Kooperation hätte sich die Entwicklung des Espace für Renault kaum gerechnet.

Klein geblieben, groß geworden
Der Smart musste anfangs viel Spott ertragen: Mal wurde er „motorisierter Einkaufswagen“ oder schlicht „Bobbycar“ genannt. Doch selbst die über Jahre eingefahrenen Verluste haben Daimler nicht von dem Kleinstwagenkonzept abgebracht. 16 Jahre nach der Premiere des ersten Smart fortwo haben die Stuttgarter jetzt die dritte Generation ihres Winzlings vorgestellt. Quelle: REUTERS
Am Konzept des Stadtflitzers hat sich wenig geändert, bei Design und Technik schon: Wie der Vorgänger ist er exakt 2,69 Meter lang, die Dreizylindermotoren sitzen nach wie vor im Heck, auch die zweifarbige Lackierung bleibt erhalten. Doch sonst ist alles neu: Die Optik ist eigenständiger geworden, aber dennoch typisch Smart geblieben. Die Motoren stammen von Renault, der Kleinstwagen wurde zusammen mit den Franzosen entwickelt. Quelle: REUTERS
Neben dem „Klassiker“ fortwo feierte auch gleich sein viersitziger Ableger Premiere: der forfour. Unter diesem Namen gab es von 2004 bis 2006 bereits einen Viersitzer von Smart, damals auf der Plattform eines Mitsubishi Colt. Der Wagen floppte am Markt. Der neue forfour teilt sich zwar wieder die Plattform mit einem Konkurrenten, dem Renault Twingo. Trotzdem soll alles besser – und vor allem eigenständiger – werden. So sind laut Smart nur zehn Prozent der Karosserieteile mit dem Twingo identisch, Gemeinsamkeiten gibt es nur unter dem Blech. Quelle: dpa
Zur Premiere der „jungen“ und „hippen“ Smart-Modelle gibt sich sogar Daimler-Chef Dieter Zetsche (im Bild mit Smart-Chefin Annette Winkler) in Jeans und Ledersneaker ungewohnt leger – sogar auf eine Krawatte hat er verzichtet. Quelle: REUTERS
Dank der Kooperation mit dem französisch-japanischen Autobauer Renault-Nissan könne Daimler den neuen Smart günstiger produzieren, bestätigte auch Konzernchef Dieter Zetsche zur Premiere in Berlin. „Mit dem Kooperationspartner Renault-Nissan zeigen wir auch, dass wir den Business Case deutlich verbessern können“, sagte er. Quelle: REUTERS
Gegenüber der zweiten Generation ist der fortwo zwar keinen Millimeter länger, aber zehn Zentimeter breiter geworden. Das soll nicht nur etwas mehr Platz im Innenraum bringen, sondern auch das Fahrverhalten stabiler machen. Die neuen Smarts sollen im November in den Handel kommen. Der Zweisitzer steht mit mindestens 10.300 Euro in der Preisliste, dafür gibt es einen 1,0-Liter-Saugmotor mit 60 PS. Für den forfour mit diesem Triebwerk werden 600 Euro mehr fällig. Dafür gibt es dann 80 Zentimeter mehr Länge, zwei Türen und zwei Sitzplätze mehr sowie mehr Platz für das Gepäck. Quelle: Presse
Die 60-PS-Version wird zum Marktstart allerdings noch nicht verfügbar sein, so lange bildet die 71 PS starke Variante des Dreizylinders die Einstiegsmotorisierung. Die kostet dann 10.895 Euro für den fortwo und 11.495 Euro für den forfour. Ein 0,9-Liter-Turbobenziner mit 90 PS rundet vorerst das Angebot nach oben ab, eine stärkere Brabus-Version wird später das obere Ende der Motorenpalette beschließen. Der 0,8-Liter-Diesel ist bereits bei den letzten Fahrzeugen der zweiten Generation aus dem Programm geflogen. Der Smart electric drive wird übrigens noch zwei Jahre auf Basis des alten Smarts weitergebaut, erst dann folgt der Umstieg auf die aktuelle Generation. Quelle: Presse

Auch der Nachfolger des Mittelklasse-Modells Renault Laguna könnte die CMF-Plattform nutzen. Er soll im Herbst 2015 vorgestellt werden, wird dem Vernehmen nach aber nicht mehr Laguna heißen.

Auch Nissan äußerte sich gegenüber der "Automobilwoche" positiv über eine mögliche Vertiefung der Allianz mit Renault. "Natürlich wären die Synergien noch höher, wenn wir auch im A-Segment mit Renault zusammenarbeiten würden", sagt der Europa-Chef von Nissan, Paul Willcox.

In das A-Segment fallen Kleinstwagen wie der angesprochene Renault Twingo, der etwa nicht mehr zusammen mit dem Smart, sondern dem Nissan Micra entwickelt werden könnte. "Diese Frage wird eine Rolle spielen bei der Beurteilung künftiger Generationen des Micra."

Renault-Nissan und Daimler weiten Partnerschaft an anderer Stelle aus

Dennoch sollte die Diskussion über die Zukunft der Kleinstwagen-Kooperation nicht zu hoch gehängt werden. Denn an anderer Stelle haben die Autobauer ihre Zusammenarbeit jüngst ausgebaut. In Mexiko entsteht ein gemeinsames Werk für Premium-Kompaktwagen, in Asien liefert Nissan den Transporter NV350 Urvan fertig montiert an die Daimler-Tochter Mitsubishi Fuso Trucks, die diesen als "Canter Van" im Nahen Osten verkaufen wird.

"Der globale Umfang unserer Projekte wird weiter wachsen und wir gehen von einer langfristigen Partnerschaft aus", sagte Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn Anfang Oktober. "Diese Partnerschaft hat die Zeit bis zur Marktreife wichtiger neuer Modelle verkürzt und hat sich als offensichtlicher strategischer Vorteil für Renault und Nissan erwiesen."

Die neuen Smarts und Twingo im Vergleich

So profitiert vor allem die Nissan-Edelmarke Infiniti von Technik aus dem Daimler-Konzern - die Stuttgarter beziehen ihrerseits für die Kompaktmodelle Motoren von Renault.

Seit dem Start der deutsch-französisch-japanischen Partnerschaft im Jahr 2010 ist die Zahl von drei auf zehn Projekte gewachsen. "Während sich unsere ursprüngliche Zusammenarbeit stark auf europäische Projekte fokussierte, nehmen wir nun Synergien in allen Schlüsselmärkten in den Blick", sagte Ghosn im September 2013.

So fährt die Konkurrenz

Unter diese ursprüngliche Zusammenarbeit in Europa fallen unter anderem der Transporter Mercedes Citan, der auf dem Renault Kangoo basiert, oder die Zulieferung von Renault-Motoren für ausgewählte Modelle der neuen Mercedes A-Klasse. Die kommende Generation von kleinen Turbobenzinern mit drei oder vier Zylindern entwickeln die Partner derzeit gemeinsam.

In den USA fertigen beide Unternehmen zusammen Vierzylinder-Motoren, die unter anderem in der Mercedes C-Klasse und Autos der Nissan-Edelmarke Infiniti angeboten werden. Die Synergien zwischen Infiniti und Mercedes sind besonders hoch: Im Infiniti Q50 kommt ein Diesel-Antriebsstrang aus der C-Klasse zum Einsatz, das künftige Infiniti-Kompaktmodell Q30 wird auf der A-Klasse basieren.

Für Daimler zahlt sich der Erfolg der neuen A-Klasse und deren Ableger CLA und GLA aus. "Die Käufer in Deutschland sind im Durchschnitt zehn Jahre jünger als früher", bestätigte Daimler-Chef Dieter Zetsche im September der WirtschaftsWoche.

Im Schnitt sind Mercedes-Käufer 56 Jahre alt. Keine andere Automarke in Deutschland hat ältere Kunden. Deshalb drängt Zetsche seine Vermarkter, gezielt jüngere Menschen für die Marke zu begeistern. Attraktive Kompaktwagen mit guten und sparsamen Motoren haben daran einen großen Anteil.

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