Seit 2008 eilt Car2go von Rekord zu Rekord und zählt aktuell 600.000 Kunden in 25 Städten von bis. Bereits fünf Prozent aller Smarts stehen in einer Car2Go-Flotte. Bis 2020 will Daimler 40 bis 50 weitere Standorte weltweit erschließen. Von kleinen Rückschlägen wie eben in London lässt man sich dabei nicht abschrecken. In der Briten-Metropole floppte das Konzept. „Zu viele administrative Hürden“, nennt Car2Go-Europa-Geschäftsführer Thomas Beermann Gründe für den Rückzug, außerdem angelnde Unterstützung der Kommunen und das innige Verhältnis der Briten zu ihrem Privatauto.
Prognostiziertes Wachstum in der Shared Mobility
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat in der Studie "Shared Mobility" die vier Märkte mit dem größten Potenzial beziffert. Für das Carsharing sehen die Berater bis 2020 einen Markt mit Umsätzen mit 3,7 bis 5,6 Milliarden Euro. Bei jährlichen Wachstumsraten von 30 Prozent.
Im Grunde geht es um die gute alte Fahrgemeinschaft oder auch private Taxidienste - Fahrer und solche, die gefahren werden wollen, finden sich per Smartphone-App. Unternehmen wie Carpooling und das 2009 gegründete und von Google protegierte Portal Uber, sind bereits über die StartUp-Phase hinaus. Der Dienst ist neben gut zwei Dutzend US-Städten auch in Berlin, München, Zürich und London aktiv und hat einen Wert von 18 Milliarden US-Dollar.
Roland Berger rechnet in diesem Segment bis 2020 mit Zuwachsraten von 35 Prozent p.a. Der Markt soll dann 3,5 bis 5,2 Milliarden Euro schwer sein.
In diesem Bereich gibt es schon eine ganze Reihe von privaten wie auch öffentlichen Anbietern. Städte wie Kopenhagen etwa wollen die Radler in der Stadt massiv fördern. Hier sind Wachstumsraten von 20 Prozent per annum drin, so Roland Berger. Der Markt wird bis 2020 voraussichtlich ein Volumen von 3,6 bis 5,3 Milliarden Euro erreichen.
Bis zu einem Drittel des innerstädtischen Verkehrs kommt zustande, weil Menschen einen Parkplatz suchen. Auch die Autokonzerne begreifen den Parkplatzmangel zunehmend als kritischen Punkt im System und bieten erste Lösungen an. Smart hat eine eigene Parkplatz-App entwickelt, Mercedes investiert in das Start-Up Park2gether. Derzeit der größte und bekannteste Anbieter ist parkatmyhouse.com, in den BMW i Ventures seit Juli 2011 investiert.
Roland Berger geht von einem jährliche Wachstum von 25 Prozent bis 2020 aus. Der Markt soll dann ein Umsatzvolumen von 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro erreichen.
Milliardenschwerer Markt fürs Teilen
Kein Grund, nicht weiterzumachen, findet Christian Freese, Mobilitätsexperte der Unternehmensberatung Roland Berger und Co-Autor der Studie Shared Mobility, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. „Das Potenzial des Marktes ist noch riesig“. Roland Berger geht bis 2020 von jährlichen Wachstumsraten im Carsharing von 30 Prozent aus. Freese: „Shared Mobility ist keine Non-Profit-Veranstaltung“, stellt er klar. Nach den Berechnungen von Roland Berger ist der dann Markt 3,7 bis 5,6 Milliarden Euro schwer. Tendenz steigend. In fünf bis zehn Jahren werden die Hersteller signifikante Umsätze machen. Doch schon jetzt lohnt sich der Einstieg.
„Die Hersteller können auf diesem Weg noch wesentlich mehr über ihre Kunden“, betont Freese. Carsharing sei daher eine riesige Chance für die Autokonzerne, direkt an Daten zu kommen, die sonst – wenn überhaupt – nur den Händlern bekannt seid. Ganz nebenbei lässt sich die Kundschaft mit Elektroautos vertraut machen und – so hofft Daimler-Chef Zetsche – die Generation Z für sich begeistern, also die Jahrgänge ab 2000, die mit Smartphone und sozialen Medien aufgewachsen sind.
"Die iPhone-Liebe spielt uns in die Karten", freut sich Smart-Chefin Winkler. Denn es spielt in der Shared Mobility eine wichtige Rolle. Dank Suchen, Mieten und Bezahlen übers mobile Internet laufen Unmengen an kostbaren, digitalen Bewegungsmustern zusammen. Mit dem High-Tech drängen aber auch Konzerne wie Google und Apple auf den Markt. Sie werten schlicht Daten aus und setzen sie in ein passendes Produkt um, dazu muss man nichts vom Autobauen verstehen. „Das ist eine große Bedrohung für die Konzerne“, warnt Freese.
Daimler hat sich gut positioniert. Car2Go ist der am schnellsten wachsende Anbieter in Deutschland. Gelungen ist das, weil die Schwaben von Beginn an nicht mit Investitionen gegeizt haben. „Beim allen Shared Mobility Angeboten gilt es, von Anfang an groß zu denken“, erklärt Mobilitätsexperte Freese, „vorsichtiges Testen ist wichtig, reicht aber nicht aus". Der Kunden möchte von Beginn ein umfassendes, funktionierendes Angebot. Damit täten sich die großen Unternehmen oft schwer.
Daimler dagegen hat Car2Go wie ein Startup aufgestellt – klein und agil und mit viel finanzieller Feuerkraft. BMW musste schließlich nachziehen, fährt aber noch hinterher. Opel beginnt erst zum Jahresende mit einem eigenen Carsharing-Angebot und Audi zieht es vor, das Thema vollständig zu ignorieren. Das könnte sich schon bald rächen. „DEN Autofahrer und DEN Bahnfahrer gibt es nicht mehr“, beobachtet Freese. Mit der U-Bahn zum Fernbahnhof, mit dem Zug in die City und von der den letzten Kilometer mit den Carsharing-Auto – das soll Normalität werden. „Derjenige wird verlieren, der auf sein Verkehrsmittel beharrt“, prophezeit der Mobilitätsforscher, „Die Hersteller müssen ihren Egoismus überwinden und sich im Geiste öffnen.“
Für Smart-Chefin Annette Winkler offenbar kein Problem, sie sagt: „Wir wollen Services bieten für ein einfaches und bequemes Leben in der Stadt“. Smart sei ein „Think Tank“, der viele neue Ideen zulasse. Das kauft man der 54-Jährigen ab, denn Daimler investiert wie kein anderer Autobauer in Start-ups, um in der Shared-Mobility-Welt Fuß zu fassen und will das Angebot an Mobilitätsdienstleistungen systematisch erweitern. Seit 2011 bringt die Onlinebörse Park2gether in Berlin und Hamburg private Parkplatzbesitzer und Suchende zusammen. Die Mobilitäts-App moovel stellt individuelle Fahrpläne zusammen – als Kombination aus öffentlichem Nahverkehr, Taxi, Mitfahrgelegenheit, Mietfahrräder oder Fernverkehr mit der Deutschen Bahn – oder natürlich Car2go.
Imagewerte passen nicht zum Anspruch
Das alles kostet Geld, viel Geld – und wirft so gut wie nichts ab. Car2Go ist erst in wenigen Städten profitabel. „Da darf man nicht zu kurzfristig denken und jeden Cent gegenrechnen“, verteidigt Bratzel die Investitionen. „In Zukunft zählt allein, wer den Kundenkontakt hat.“ Mit Smart, das steht fest, hat Daimler den Schlüssel zur Generation Z fest in der Hand. Einzig - die Zielgruppe will noch nicht so richtig mitziehen.
Die aktuellen Imagewerte, die das Marktforschungsinstitut YouGov aus Köln ermittelt hat, zeigen: mit im Schnitt 8 Punkten auf einer Skala von - 100 bis + 100 ist Smart weit vom Premium-Image der Mutter Mercedes (37 Punkte) entfernt. Konkurrent Mini erreicht immerhin 14 Punkte und Opel überflügelt die kleinen Lifestyle-Flitzer regelrecht mit 20 erreichten Punkten. Die anvisierte junge Zielgruppe der bis 30-Jährigen bewerten Smart sogar noch einen Tick schlechter als der Durchschnitt. Insgesamt liegt Smart damit gleich auf mit Renault. Man scheint sich doch mehr zu teilen als nur eine Plattform.