Kobalt-Nachfrage Wie E-Mobilität die Kobalt-Nachfrage treibt

Auch wenn der Kobalt-Anteil in Batterien sinken sollte: Die Nachfrage nach dem Rohstoff steigt. Gefördert wird Kobalt hauptsächlich in Minen in der Demokratischen Republik Kongo (im Bild: nahe der Stadt Lubumbashi) Quelle: REUTERS

Elektroautos, Handys, Laptops – noch brauchen zahlreiche Industrien für ihre Lithium-Ionen-Batterien den Rohstoff Kobalt. Die Abhängigkeit vom Kongo könnte hierbei zum Problem werden.

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Die Demokratische Republik Kongo ist sehr, sehr reich. Das sogenannte Übergangsmetall Kobalt kommt in keinem Land der Welt in so verschwenderischer Häufigkeit vor wie in der zentralafrikanischen Republik. Im Süden des Landes etwa, nahe der Stadt Kolwezi, wird in einer gigantischen Mine, mit einer Tiefe von rund 150 Metern, Kobalt gefördert – als Beiprodukt mit Kupfer, da beide Metalle zusammen auftreten. Es gibt zahlreiche weitere Minen dieser Größenordnung im Kongo – und ungezählte kleine. Von 118.500 Tonnen Kobalt, die im Jahr 2017 weltweit gefördert wurden, entfielen rund 76.000 Tonnen auf die Demokratische Republik Kongo – ein Anteil von rund 64 Prozent. 

Kobalt ist eines von fünf elementaren Hauptrohstoffen für Lithium-Ionen-Batterien (neben Nickel, Mangan, Graphit und Lithium) – zumindest, wenn man vom aktuellen Stand der Technik ausgeht. Diese wiederaufladbaren Batterien sind nach wie vor die gängigsten in den drei Industrien Elektromobilität, smarte Mobiltelefone und Laptops. Kobalt wird gebraucht, weil es die Energiedichte in Batterien erhöht. „Und auch wenn viele Batteriezellen-Hersteller den Kobalt-Anteil in den Kathoden ihrer Batterien reduzieren: Der Kobalt-Gesamtbedarf ist weiter steigend“, sagt Siyamend Al Barazi, Diplom-Geologe bei der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in Berlin-Spandau. 

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Kobalt ist der Rohstoff mit dem höchsten Risikowert

Zu diesem Fazit kommt nun auch die jüngste Studie des Kölner Instituts für Wirtschaft (IW) über die Verfügbarkeit von Rohstoffen; die Studie stützt sich unter anderem auf Untersuchungen der DERA, die zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gehört, die wiederum dem Bundeswirtschaftsministerium untergeordnet ist. „Neue Technologien verändern die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen teilweise gravierend“, heißt es in der Studie. „Dies zeigt sich mit Vehemenz auf dem Feld der individuellen Mobilität. Derzeit konzentriert sich die Diskussion hier auf die Batterietechnologien und die teilweise erhebliche Nachfrageausweitung für Lithium und Kobalt.“ 

In seiner Studie ordnet das IW Kobalt der sogenannten „roten Gruppe“ zu: Kobalt ist hierbei der Rohstoff mit dem höchsten Risikowert. Dies ergab eine Auswertung anhand acht Indikatoren: Statische Reichweite, Länderrisiko, 3-Länder-Konzentration, 3-Unternehmen-Konzentration, Preisrisiko, Bedeutung für Zukunftstechnologien, Gefahr des strategischen Einsatzes und Substituierbarkeit. „In absehbarer Zukunft wird seine Bedeutung als Kathodenmaterial in Lithium-Ionen-Batterien noch weiter zunehmen“, schreiben die Studienautoren. Für die deutsche Wirtschaft sei „Kobalt ein entscheidender Rohstoff für die Realisierung der Ziele im Bereich der Elektromobilität“, heißt es in der Studie weiter. 

E-Mobilität ist der größte Kobalt-Wachstumstreiber

Die DERA geht von einer weiteren Nachfragesteigerung von durchschnittlich 8,2 Prozent bis zum Jahr 2026 aus. Die weltweite Nachfrage könnte in diesem Szenario auf 225.000 Tonnen Kobalt ansteigen. Der Anteil der Bergwerksförderung aus dem Kongo wird bis dahin vorrausichtlich auf 72 Prozent steigen. „Und das ist schon konservativ gerechnet“, sagt Al Barazi. Je nachdem, wie sich der Markt entwickeln wird, werden im Jahr 2026 allein 80.000 Tonnen Kobalt nur für die Elektromobilität benötigt. Die E-Mobilität ist damit der größte Wachstumstreiber für die Kobaltnachfrage. Denn auch wenn Autohersteller derzeit versuchen, die Kobaltmenge in den Batterien zu reduzieren, dürfte dieser Rückgang nach Einschätzung der Beraterfirma Benchmark Mineral Intelligence durch eine steigende Nachfrage nach E-Autos mehr als ausgeglichen werden. 

Für den Geologen Al Barazi stellt sich deshalb die Frage: „Kann die Bergbauindustrie diesen wachsenden Kobalt-Bedarf zur Verfügung stellen?“ Die Antwort darauf lässt Raum für Zweifel: Nur wenn alle Bergwerksprojekte sich so entwickeln würden wie angekündigt, sei es möglich, dem Markt 225.000 Tonnen Kobalt im Jahr 2026 zur Verfügung zu stellen. „Wenn aber so etwas passiert wie nun mit dem größten Kobaltbergwerk Mutanda in der DR Kongo, wird es natürlich schwierig.“ 

Im August 2019 hatte der börsennotierte Schweizer Konzern Glencore (Umsatz: 220 Milliarden US-Dollar), der weltgrößte Kobaltproduzent, angekündigt, sein Bergwerk Mutanda im Kongo zum Jahresende zu schließen. Mutanda ist zuvorderst eine Kupferlagerstätte, pro Jahr werden dort rund 200.000 Tonnen Kupfer gewonnen; die 27.000 Tonnen Kobalt pro Jahr werden als Beiprodukt gefördert. Der Abbau des Metalls sei „nicht mehr wirtschaftlich“, teilte das Unternehmen damals mit. Ein Zustrom von Kleinbergleuten und ein damit einhergehender Anstieg des Angebots hatten den Preis für Kobalt zwischenzeitlich sinken lassen. 

Rund 20 Prozent des Kobalt-Abbaus im Kongo gelten als problematisch

Und die Kleinbergleute sind das eigentliche Problem der Kobaltgewinnung in der Demokratischen Republik Kongo. Die Deutsche Rohstoffagentur unterscheidet in dem Land zwischen zwei Arten der Kobalt-Gewinnung: klassischer Großtagebau, LSM genannt (large scale mining), sowie Artisanal- und Kleinbergbau (ASM). In letzterer Kategorie arbeiten laut Schätzungen der Deutschen Rohstoffagentur in der Demokratischen Republik Kongo bis zu 200.000 Menschen. 

Die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe schätzt, dass rund 80 Prozent des Kobalts im Kongo industriell abgebaut wird. Hier werden in der Regel Sicherheitsstandards eingehalten. Das bedeutet im Umkehrschluss: schätzungsweise bis zu 20 Prozent des Kongo-Kobalts stammen aus dem ASM-Bereich unter schwierigen, teils unwürdigen Bedingungen. Arbeiter sind nicht oder unzureichend ausgebildet, Sicherheitsstandards werden nicht eingehalten. Und bereits 2015 hatte Amnesty International sogar Kinderarbeit bei der Kobalt-Gewinnung im Kongo nachgewiesen und Konzerne wie VW, Daimler und Samsung aufgefordert, entschieden gegen Kinderarbeit in den Lieferketten der Akku-Produktion vorzugehen. Und auch bei LSM-Abbau besteht teilweise erheblicher Verbesserungsbedarf: So werden teilweise Dörfer und Gemeinden verdrängt und zwangsumgesiedelt, um Platz für neue Minen zu schaffen; Umweltstandards werden nicht eingehalten. 

Es besteht Grund zur Hoffnung

Aber haben Abnehmer denn eine Wahl? Die weiteren Kobalt-Produzenten folgen erst mit weitem Abstand: Russland (4,6 Prozent Weltmarkt-Anteil im Jahr 2017), Australien (4,2 Prozent) Kuba (rund 4 Prozent), die Philippinen (3,5 Prozent), Madagaskar (3,1 Prozent) und Kanada (3 Prozent). Einziger relevanter Kobalt-Förderer in Europa ist Finnland mit knapp 1.000 Tonnen pro Jahr (0,8 Prozent). Aber Al Barazi sieht dennoch Grund zur Hoffnung: „In den letzten Jahren hat sich rund um die Kobalt-Industrie erstaunlich viel getan. Auch viele deutsche Abnehmer setzen sich erfreulicherweise mehr mit dem Rohstoffbezug auseinander.“

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Apple etwa stoppte 2017 zeitweise den Ankauf von Kobalt aus dem Kongo. Auch BMW wird mit Einführung der fünften Generation Elektrofahrzeuge ab 2020/2021 kein Kobalt mehr aus der Demokratischen Republik Kongo beziehen. Das kündigte BMW-Einkaufsvorstand Andreas Wendt im März 2019 an. Stattdessen wollen die Münchner Kobalt nur noch aus Australien und Marokko beziehen. Überdies haben BMW, BASF und Samsung Ende 2018 die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit beauftragt, in einer Pilotprojekt-Mine im Kongo über einen Zeitraum von drei Jahren neue Ansätze für verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen zu erproben. 

Zudem kündigte im Mai der belgische Kobalt-Verarbeiter und Elektronik-Recycler Umicore an, Teile der Kobaltraffinerie Freeport Cobalt in Finnland zu übernehmen. Und Ende vergangenen Jahres investierte der Chemiekonzern BASF in Zusammenarbeit mit dem russischen Nickelförderer Norils Nickel im finnischen Harjavalta in eine Nickel- und Kobalt-Raffinerie. Ende 2020 soll dort die Produktion von Batteriematerialien beginnen, etwa 300.000 Elektrofahrzeugen pro Jahr sollen dann ausgestattet werden können. „Damit gibt es auch in Europa wichtige Kobalt-Weiterverarbeiter. Das hat sich sehr zum Positiven entwickelt“, befindet Al Barazi. Natürlich, sagt der Geologe, werde auch in Zukunft ein Großteil des Kobalts aus dem Kongo stammen. Die Abhängigkeit sei nun einmal gegeben; aber es schade auch nicht, durch eine intensivere Beschäftigung mit der Förderung und Weiterverarbeitung den Druck zu erhöhen.

Unterdessen sorgte der chinesische Batterieproduzent Svolt für Aufsehen: Das Jungunternehmen, eine Ausgründung des chinesischen Autoherstellers Great Wall, kündigte eine erste kobaltfreie Lithium-Ionen-Batterie an – bei gleichbleibender Leistung.

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