Kobalt und die Kinderarbeit Der Hype um Kobalt könnte schon bald vorbei sein

Kobaltabbau in der Mine Zola Zola in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu Quelle: dpa

Ausgerechnet Greenpeace, BUND und weitere große Hilfsorganisationen setzten sich für den Umstieg aufs Elektroauto ein – trotz des Skandalrohstoffes Kobalt. Wie kann das sein?

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Den Entwicklungshilfe-Organisationen Brot für die Welt, Misereor und PowerShift ist mit ihrer Pressemitteilung anlässlich der Automesse IAA eine Überraschung gelungen: „Die Herausgeber fordern ein zügiges Ende des Verbrennungsmotors, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch erreichen zu können“, heißt es dort.

Entwicklungshelfer machen Elektroauto-Werbung? Haben die Menschenrechtsaktivisten dieser großen Entwicklungshilfeorganisationen etwa noch nichts vom Skandalrohstoff Kobalt gehört? Dieses Metall, das zu großen Teilen aus der Demokratischen Republik Kongo stammt, wo es oft unter Lebensgefahr in abenteuerlichen, illegalen Minen gefördert wird, wo Kinder in diesen Minen schuften müssen, wo Banden und Milizen sich mit dem Kobalt-Geschäft finanzieren und dabei die Umwelt zerstört wird?  

Tatsächlich waren Entwicklungshelfer die ersten, die auf die Probleme mit dem Kobalt hingewiesen haben. Und das lange schon vor dem Elektroauto-Boom, denn auch Smartphone-, Laptop- und Hausgeräte-Batterien benötigen Kobalt, ebenso wie die Metallherstellung. Aber die Organisationen stimmen trotzdem nicht mit ein in die Unkenrufe über das E-Auto. Warum, das erklärt in unserem Podcast „High Voltage“ Benjamin Stephan von Greenpeace.

Nicht die Verwendung von Kobalt und anderer Rohstoffe ist aus Sicht von Entwicklungsexperten das Problem, sondern die Gewinnung. Den Menschen im Kongo sei nicht geholfen, wenn sie das Kobalt als Einkommensquelle verlieren, sagen sie. Für arme Länder wie die Republik Kongo sei das Kobalt sogar eine große wirtschaftliche Chance. Nur: Es müsse eben unter korrekten Bedingungen abgebaut, in sicheren, umweltschonenden Minen, zu angemessener Bezahlung und natürlich ohne Kinderarbeit. 

Es ist wie bei Kaffee, Kakao, Bananen oder Textilien – diese Produkte nicht aus Entwicklungsländern zu beziehen, könnte eine wirtschaftliche Katastrophe für Millionen von Menschen sein, die davon leben. Aber fair muss es zugehen in der Produktion und bei der Bezahlung. Autobauer, Batterieproduzenten und Zulieferer müssen sicherstellen, dass sie faires Kobalt kaufen und die Kunden müssen das beim Kauf im Hinterkopf haben. Kobalt braucht quasi ein Fairtrade-Siegel. Sorgt die Industrie aber nicht flächendeckend für sauberes Kobalt, dann muss die Sorgfalt gesetzlich vorgeschrieben werden. Das deutsche Lieferkettengesetz ist hier ein Anfang. Die geplante EU-Batterie-Verordnung könnte noch weitere, wichtige Leitplanken setzen. 

Übrigens: Wer’s nicht glauben mag, dass Kobalt fair ins Auto kommen kann, der muss dann eben kobaltfreie Akkus kaufen. Die gibt es immer häufiger – und wenn die Entwicklung so weiter geht, wie in den letzten Monaten, dann ist die kobaltarme oder kobaltfreie Batteriezelle schon in einigen Jahren der Normalfall. Denn Autobauer und Zulieferer fürchten nicht nur das schlechte Image des Metalls, sondern auch dessen hohen und unkalkulierbaren Preis: Rund 50.000 Dollar kostet derzeit die Tonne - vor einem halben Jahr waren es noch rund 30.000 Dollar.

Der weltgrößte Batteriehersteller für Autos, CATL aus China, hat unlängst eine Natrium-Ionen-Akku vorgestellt, der anders als Lithium-Ionen-Akkus und ohne die teuren Rohstoffe Kobalt, Lithium, Kupfer und Nickel auskommt und der ab 2023 in Autos massenhaft verbaut werden soll. Nebenbei soll der Akku auch noch sicherer, schnellladefähiger und leistungsfähiger bei niedrigen Temperaturen sein. Der Konkurrent SVolt, der gerade eine große Batteriefabrik im Saarland baut und mit den dort gefertigten Akkus den viertgrößten Autobauer Stellantis (Opel, Peugeot, Fiat, Chrysler) beliefern wird, hat schon jetzt kobaltfreie Akkus im Angebot. Dessen Lithium-Eisenphosphat-Technik soll Reichweiten von 600 Kilometern ermöglichen. 

Auch Tesla soll schon teilweise kobaltfreie Akkus einsetzen – kobaltarm sind die Akkus der Amerikaner in jedem Fall. Sie enthalten nur rund ein Viertel der bei Konkurrenten wie etwa Volkswagen üblichen Menge. Teslas-Batteriepartner Panasonic, der mindestens bis 2030 die Akku-Gigafactory von Tesla in Nevada betreiben wird, hat angekündigt, dort Zellen zu produzieren, die eine höhere Energiedichte haben, obwohl sie gänzlich ohne Kobalt auskommen. 

Noch treibt das E-Auto die Kobaltnachfrage und den Preis. Das dürfte auch in den nächsten Jahren so weitergehen. Aber wenn der Kobaltgehalt neuer Batterien immer weiter sinkt und dann gegen Null geht, wenn das gesetzlich vorgeschriebene Recycling von Auto-Akkus für neuen Kobalt-Nachschub sorgt, dann könnte der Hype um den Rohstoff schon wieder vorbei sein. 

Es kann gut sein, dass das die Entwicklungshelfer und die Menschen in kongolesischen Minen dann gar nicht so toll finden. 

Mehr zum Thema: Westliche Industrieländer planen den eigenen Abbau von Seltenen Erden. Bislang kommen sie fast ausschließlich aus China. Als Reaktion baut der Weltmarktführer nun seine Produktion aus. Ein Blick auf die wichtigsten Tagebaustätten für Seltene Erden weltweit.

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