Konkurrenz für den öffentlichen Nahverkehr Fördert Carsharing klimaschädliches Autofahren?

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Stationäres Carsharing ist umstritten

Doch wie so oft liegt der Teufel im Detail. Nach Informationen der WirtschaftsWoche sieht der Entwurf vor, Sonderparkplätze für Carsharing anzubieten, ohne sie bestimmten Anbietern zuzuordnen. Das würde Konzernen wie Daimler und BMW mit ihren flexiblen Systemen Car2Go und DriveNow entgegenkommen, heißt es bei den Städten. Nötig wäre hingegen eine Regulierung, die den Kommunen erlaubt, auch stationsbasierten Anbietern eigene Flächen anzubieten.

Denn der ökologische Vorteil des stationären Carsharings ist unstrittig. „Zahlreiche Studien haben belegt, dass das stationsbasierte Carsharing einen positiven Beitrag für das Klima leistet“, sagt Willi Loose, Chef des Bundesverbands Carsharing, der die meisten Anbieter in Deutschland vertritt. „Der Beleg für die Vorteile der flexiblen Carsharing-Systeme steht noch aus.“

Nutzer wollen unabhängig vom öffentlichen Nahverkerh sein

Den Minister könnte das in Bedrängnis bringen. Denn Ziel des neuen Carsharing-Gesetzes ist eine „Verringerung insbesondere von klima- und umweltschädlichen Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs“, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Fraglich ist also, ob die geplanten Privilegien für alle Carsharing-Anbieter sinnvoll sind.

Auch die Berater von MM und Berylls mahnen zur Vorsicht. „Die flexiblen Carsharing-Systeme führen eher dazu, dass die Leute mehr fahren als vorher“, sagt Matthias Kempf, Partner bei Berylls und Mitautor der Studie. Die Angebote von Car2Go und DriveNow hätten das Carsharing zwar erfolgreich aus der Nische geholt. „Aber die neuen Kundengruppen nutzen die Autos vor allem als ergänzendes Mobilitätsangebot, auch ohne ihren eigenen Pkw abzuschaffen“, sagt Kempf. Das belege auch die Studie. Befragt nach den Hauptmotiven für das Carsharing geben die Nutzer an, sie wollten sich in erster Linie vom öffentlichen Nahverkehr unabhängiger machen und Zeit sparen. Erst an dritter Stelle folgt Umweltfreundlichkeit als Motiv.

Effektive tägliche Nutzung eines Carsharing-Fahrzeugs

Die Städte überlegen nun, wie sie urbane Mobilität dennoch nachhaltig verbessern können. Als Vorbild gilt Bremen mit seinen 14 Mobilitätsstationen. An den Knoten treffen sich U-Bahn, Bus, Taxis, Mietfahrräder und Carsharing-Autos. Jedes Carsharing-Auto schafft inzwischen rund elf private Pkws ab, heißt es in einem Senatsbericht. „Insgesamt wurden so bereits mehr als 2200 Pkws im Bremer Straßenraum durch Carsharing-Angebote ersetzt.“

Den hanseatischen Weg schlagen inzwischen auch andere Städte ein. München eröffnete im November 2014 die erste Mobilitätsstation, weitere Dutzend sollen folgen. Ziel sei es, Multimodalität „erlebbar zu machen“, sagt Martin Schreiner, Strategieleiter der Verkehrsabteilung, „dann werden Stadtbewohner zunehmend auf das eigene Auto verzichten“.

Privilegien an Ökoziele koppeln

„Die Verschmelzung aller Mobilitätsangebote an Knotenpunkten ist sinnvoll, bürgernah und nachhaltig“, sagt Müller-Martini. Um den ökologischen Beitrag des Carsharings zu maximieren, empfiehlt der Berater dem Minister, die Privilegierung von Carsharing „an Ökoziele wie etwa den CO2-Verbrauch zu koppeln“.

München hat das vor. DriveNow und Car2Go zahlen 1800 Euro pro Fahrzeug und Jahr an Parkgebühren. Die Anbieter könnten zukünftig Rabatte fürs Parken erhalten, wenn sie Auflagen erfüllen, etwa Elektrofahrzeuge einsetzen, mit dem öffentlichen Verkehr kooperieren oder nachhaltige Tarifmodelle anbieten.

Davon profitierten auch Bus und Bahn. In den Behörden beginnt deshalb eine kreative Phase. In den nächsten fünf bis zehn Jahren, ist Kempf überzeugt, stehe ein Dammbruch bevor. Selbstfahrende Autos könnten einen Teil der Mobilität übernehmen. „Dann erlebt Carsharing einen unglaublichen Wachtsumsschub.“

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