Konkurrenzdruck und Corona Continentals Werksschließungen sind besiegelt

Der Conti-Vorstand hatte den verschärften Sparplan Anfang September angekündigt. Als Grund nannte das Unternehmen die mit der Pandemie verschärfte Talfahrt am Automobilmarkt. Quelle: dpa

Tausende Mitarbeiter zeigten ihren Unmut mit Protesten. Doch es half nichts. Der Continental-Aufsichtsrat hat Werksschließungen und rigorosen Stellenabbau beschlossen. Gewerkschaften werfen Conti „Kahlschlag“ vor.

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Trotz Protestaktionen der Beschäftigten hat der Aufsichtsrat des Autozulieferers Continental den angekündigten Umbauplan samt Werksschließungen verabschiedet. Wie Continental am Mittwoch mitteilte, wurde die Schließung des Reifenwerks in Aachen bis Ende 2021 und des Standorts für Automobilelektronik in Karben bei Frankfurt bis Ende 2024 beschlossen. Auch in Regensburg gebe es „Strukturanpassungen“. Die Gewerkschaften IG BCE und IG Metall erklärten, die Arbeitgebervertreter hätten „das rigide Sparprogramm“ gegen die Stimmen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat abgesegnet. Die gesamte Mannschaft sei schwer vor den Kopf gestoßen, sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. Auf einer „Karte des Kahlschlags“ markierte die Gewerkschaft die gut zwei Dutzend Conti-Standorte von Gifhorn in Niedersachsen bis Markdorf am Bodensee, von Aachen bis Berlin, an denen 13.000 Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen. Weltweit stehen 30.000 Jobs auf der Kippe - etwa jeder achte.

„Das heißt nicht automatisch 30.000 Kündigungen!“, erklärte Conti-Chef Elmar Degenhart. Das Management bedaure die schmerzhafte, aber angesichts der schweren Krise notwendige Entscheidung. Der zweitgrößte deutsche Autozulieferer werde durch den „schmerzhaften Prozess“ wettbewerbs- und zukunftsfähig, erklärte Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle. Die Aktien des Dax-Konzerns legten etwas zu.

Der Conti-Vorstand hatte den verschärften Sparplan Anfang September angekündigt. Als Grund nannte das Unternehmen die mit der Pandemie verschärfte Talfahrt am Automobilmarkt. „Wenn wir nicht sofort gegensteuern, bekommen wir noch viel größere Probleme“, sagte Degenhart. Es handele sich um die schwerste Krise der Branche der Nachkriegszeit. Vermutlich werde der 2017 erreichte Höchststand der Autoproduktion von rund 95 Millionen Fahrzeugen weltweit über Jahre nicht mehr erreicht. Am Personal müsse auch gespart werden, weil die rekordhohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung nicht gekürzt werden dürften, damit Conti den Wandel weg vom Verbrennungsmotor zu elektrifizierten, digitalisierten Autos schafft.

Continental-Chef Elmar Degenhart hat aktuell einen der härtesten Jobs der Branche. Er steuert den Zulieferer durch die Coronakrise – und macht fast alles richtig. Doch jetzt steht er vor seiner größten Herausforderung.
von Annina Reimann

Das Programm soll ab 2023 Einsparungen von einer Milliarde Euro bringen, kostet über einen Zeitraum von zehn Jahren voraussichtlich aber 1,8 Milliarden Euro. Personalchefin Ariane Reinhart erklärte, voraussichtlich würden Stellen aus Deutschland nach Osteuropa wegen der niedrigeren Lohnkosten verlagert. Das treffe auch die Fertigung in Karben mit 900 Beschäftigten. Entlassungen seien nur das allerletzte Mittel, betonte Degenhart. Zunächst sollten neue Beschäftigungsoptionen für die Betroffenen mit den Arbeitnehmervertretern ausgelotet werden. Nach Auffassung der IG BCE stehen die Arbeitsplätze dagegen vor dem Aus. Die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, forderte, es müssten neue Perspektive für möglichst viele Arbeitnehmer gefunden werden. „Die Beschäftigten sind konfliktbereit, und sie haben Ideen.“ Betriebsratschef Hasan Allak forderte ein Qualifizierungsprogramm und zeigte sich enttäuscht: „Der Continental-Aufsichtsrat hat alle Proteste und Appelle der Kolleginnen und Kollegen ebenso ignoriert wie die Kritik aus Politik und Regierungen.“

Seit Wochen trieben die Pläne des Managements Beschäftigte an mehreren Standorten zu Protestaktionen vor die Werkstore. Am Dienstag hatten Conti-Mitarbeiter mit den Gewerkschaften IG Metall und IG BCE auf einer Kundgebung vor dem Tagungsort des Aufsichtsrats auf dem Messegelände in Hannover gegen die Pläne protestiert.


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In Aachen warf Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) dem Conti-Management vergangene Woche nach Medienberichten „kalten Kapitalismus“ vor, weil das Reifenwerk dicht gemacht werden soll. Degenhart begründete das Aus mit Überkapazitäten am europäischen Reifenmarkt, die aus wachsenden Importen von Konkurrenten aus Asien resultierten. Rund 1800 Arbeiterinnen und Arbeiter verlieren ihre Jobs.

Vorerst soll es das gewesen sein mit Werksschließungen, wie Degenhart weiter erklärte. Doch Verkäufe von Geschäftsteilen und Teilsegmenten seien möglich. Dies könne ebenfalls Tausende Mitarbeiter betreffen, die in den 30.000 schon eingerechnet seien.

Mehr zum Thema: Continental-Chef Elmar Degenhart steht er vor seiner größten Herausforderung. Eine Annäherung.

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