Krankes System Die brutalen Methoden der Autokonzerne gegen Zulieferer

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Das starke Machtgefälle

Die Liste der unschönen Usancen, die weiterhin die Branche bestimmen, ist lang:

  • Autobauer reichen Konstruktionsskizzen von Zulieferern einfach an Dritte weiter und fordern diese zum Gegenangebot auf.
  • Konzerne weigern sich, Zulieferer für bestellte Entwicklungsleistungen wie Muster oder Vorserienteile zu bezahlen.
  • PS-Riesen lassen Zulieferer auf den Kosten für Spezialwerkzeuge sitzen, die ausschließlich zur Herstellung der bestellten Teile benötigt werden.
  • Konzerne stellen die vereinbarten Preise während der Vertragslaufzeit immer wieder infrage, was einem Vertragsbruch gleichkommt.
  • Autobauer zwingen die Zulieferer zu langfristigen Verträgen, ohne dass diese bei veränderten Bedingungen wie stark gestiegenen Rohstoffpreisen oder spürbarer Reduzierung der vereinbarten Stückzahlen nachverhandeln können.
  • Kfz-Hersteller ziehen Lieferanten bei Reklamationen automatisch und ohne Absprache Geld pauschaliert ab.
  • Konzerne drängen Zulieferer zur Haftung für die volle Funktionsfähigkeit eingebauter Teile, obwohl diese nach den Vorgaben des Herstellers produziert wurden.

Offen spricht über das Machtgefälle in der Autobranche niemand, Elring-Klinger-Chef Wolf ist die große Ausnahme. Aus der Deckung wagt sich nur, wer schon ausgeschieden ist – und auch das nur anonym.

„Ich hatte viele rechtswidrige Verträge, Knebelverträge“, erzählt der Ex-Prokurist eines Zulieferers aus Baden-Württemberg. „Großkunden interessiert es nicht, was auf dem Papier steht.“ Einer hätte zum Beispiel den Vertrag einseitig mitten im Auftrag gekündigt und Entwicklungsleistungen in Millionenhöhe einfach nicht beglichen.

Vorbild Rumänien

Ein anderer Ex-Prokurist beklagt den „Cost-Break-Down“, den die Hersteller zunehmend von Zulieferern verlangen (siehe Grafik auf Seite 2), das ist die vollständige Offenlegung der Kalkulation bis hin zum Preis der Vormaterialien. Auf Basis dieser Zahlen begännen die Einkäufer, dem Komponentenhersteller vorzuschreiben, wo er die Kosten zu reduzieren habe, egal, ob er dazu in der Lage sei. „Daimler etwa kalkuliert auf Basis einer rumänischen Musterfirma zu Löhnen, die sich in Deutschland nie abbilden lassen“, erzählt der Manager.

Auch „Pay-to-Play“-Zahlungen seien in jüngster Zeit wieder en vogue, sagt Berater Fein. Das ist eine Art Eintrittsgeld, das Zulieferer bezahlen müssen, um von den Autokonzernen überhaupt als Anbieter akzeptiert zu werden. Elring-Klinger-Chef Wolf lehnt solche Zahlungen ab und wünscht sich, dass auch andere Firmen öfter Nein sagen. „Es ist keinem gedient“, sagt der Schwabe, „wenn wir schwache Mittelständler haben.“

Die Chefeinkäufer der Autobauer wissen das. Deshalb unterhält jeder Konzern eine Monitoring-Abteilung. Ähnlich wie Spezialisten bei Banken, die sich um faule Kredite kümmern, beobachten sie akribisch die Finanzkraft der Zulieferer. Gerät einer ins Schlingern, läuft die Suche nach Alternativen an. Geht einer pleite, wird Druck auf den Insolvenzverwalter aufgebaut, damit die Produktion weiterläuft. Vor allem VW sei dafür bekannt, sagt ein Verwalter.

Wird die Pleite eines Zulieferers aber zur Bedrohung für die Konzerne, zeigen die sich auch schon mal pragmatisch. „Es geht auch ohne offiziellen Insolvenzantrag“, erzählt der ehemalige Geschäftsführer eines Zulieferers aus der Nähe von Stuttgart. „Ein ranghoher Manager eines Großkunden half uns mit dem Geldkoffer und einem neuen Einkaufsprokuristen wieder auf die Beine.“ Die Rettung gab es allerdings erst, nachdem der bedrohte Betrieb dem Gast seine Kalkulation offenbarte.

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