Krankes System Die brutalen Methoden der Autokonzerne gegen Zulieferer

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Große Unruhe durch Wechsel zu VW

Grund Nummer eins für den Sittenverfall in der Autoindustrie sind die vielen Spar- und Effizienzprogramme, die die Hersteller in den letzten Jahren hinter sich gebracht und erneut angekündigt haben.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn will bei der Hausmarke VW bis 2017 fünf Milliarden Euro einsparen und die Produktion auf mehr Rendite trimmen. Der Vormann seiner Premiumtochter Audi, Rupert Stadler, möchte zwei Milliarden Euro Kosten pro Jahr herauspressen – nicht nur aus Audi, wie Branchenkenner glauben, sondern auch aus den Zulieferern. BMW-Lenker Norbert Reithofer hat bis 2020 Einsparmöglichkeiten von einigen Hundert Millionen Euro jährlich ausgemacht.

Stoßgebet für VW-Zulieferer

Für große Unruhe sorgt der Wechsel von BMW-Vorstand Herbert Diess zu VW im Herbst. Der war von 2007 bis 2012 Chefeinkäufer an der Isar, hat das 2007 von Reithofer aufgelegte Sparprogramm mit aller Härte exekutiert. BMW – bis dahin Zulieferers Liebling – rutschte in den Umfragen auf die hintersten Plätze. Diess erfüllte die Vorgaben Reithofers noch vor der Zeit. Dabei half ihm ein Team von rund 200 Kalkulatoren, die den Lieferanten bis ins Detail nachwiesen, was ihre Produkte kosten dürften. „Als ich gehört habe, dass er im Oktober bei VW anfängt, habe ich ein Stoßgebet für die VW-Zulieferer zum Himmel geschickt“, sagt Berater Klein.

Grund Nummer zwei für die brachialen Methoden, mit denen die Autokonzerne die Preise drücken, sei der prinzipiell „konfrontative Ansatz der europäischen Hersteller“, meint der Stuttgarter Strategieberater Hans-Andreas Fein. „Überspitzt ausgedrückt sagt der Hersteller ,ich will fünf Prozent Rabatt, wie du das machst ist mir egal‘.“ Japanische Autobauer wie Toyota und Honda verfolgten dagegen einen kooperativen Ansatz. „Einsparpotenziale werden gemeinsam erarbeitet, das Ergebnis wird fifty-fifty geteilt“, sagt Fein.

So laufen die Verhandlungen mit den Autobauern

Ausgequetschte Zitrone

Die verschärfte Gangart der Autobauer trifft die Mehrzahl der Zulieferer in einer heiklen Phase. Nach den Horrorjahren 2008/09, in denen reihenweise mittelständische Anbieter der Finanzkrise zum Opfer fielen, haben sich viele Betriebe zwar erholt und konnten ihre finanzielle Basis stärken. Doch die Konzerne haben im Aufschwung weiter die Preisschraube angezogen. „Viele Preise sind angesichts der schon realisierten erheblichen Produktivitätsfortschritte bereits weit ausgereizt“, sagt Stefan Wolf, Chef des Dichtungsherstellers Elring-Klinger im baden-württembergischen Dettingen. „Die Zitrone ist ausgequetscht“, resümiert Berater Schatz.

Dafür finden die Zulieferer bei den Herstellern wenig Gehör. Schon vor 20 Jahren versuchte sich die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) an Benimmregeln, die auf Verhaltensregeln des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Verbands der Automobilindustrie basierten. Doch der Erfolg blieb aus. „Leider entfernt sich die tägliche Praxis immer weiter von den seinerzeit gemeinsam erarbeiteten Regeln“, beklagt ArGeZ-Sprecher Theodor Tutmann.

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