Gerne überlassen Autobauer die Rettung eines angeschlagenen Betriebs auch einem ihrer Zulieferer. „Da kam ein Anruf aus der Zentrale in Wolfsburg, wir mögen doch bitte den Konkurrenten schlucken“, erzählt ein Mittelständler aus Süddeutschland. Auch Berater Schatz berichtet in seinem Buch „Beziehungskrise – die Gepflogenheiten in den Geschäftsbeziehungen zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern“ von solchen Anrufen. „Es ist ein irrationales System, das nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist“, schimpft er.
Dabei bräuchten die mittelständischen Betriebe gerade jetzt Zeichen der Stabilität. Viele sind für die Zukunft schlecht gerüstet, so das Ergebnis einer zweijährigen Studie des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach bei Köln unter Leitung von Stefan Bratzel. Sie werden zwischen Globalisierungs-, Innovations- und Preisdruck zerrieben. „Mittelfristig sind viele kleine und mittelständische Automotive-Betriebe mit insgesamt bis zu 150.000 Arbeitsplätzen strukturell bedroht, wenn sie in den nächsten Jahren nicht massiv gegensteuern“, warnt Bratzel.
Doch das sagt sich leichter, als es ist. „Hersteller einfacher Plastikteile, also austauschbarer Ware, sind dem Preisdiktat der Hersteller ausgeliefert“, doziert der Autoexperte , „je größer das Alleinstellungsmerkmal, desto besser ist die Verhandlungsbasis.“ Zu solchen Unternehmen zählt zum Beispiel die Thüringer Firma Docter Optics, die sich auf Projektionslinsen für moderne Scheinwerfer spezialisiert. „Wir beliefern global alle namhaften Hersteller“, sagt Geschäftsführer Jan Hamkes – ein Nischenkönig mit nur 550 Mitarbeitern.
Womit die Zulieferer zu kämpfen haben
Immer mehr Innovationen müssen von den Zulieferern selbst kommen. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben steigen dadurch stark an. Die Zulieferer müssen stärker in Vorleistung gehen und tragen damit ein höheres unternehmerisches Risiko.
Die Autokonzerne bauen immer mehr Werke in Asien oder Mexiko. Damit steigt der Druck auf die Zulieferer, ebenfalls in neue Standorte zu investieren.
Global agierende Autokonzerne schreiben ihre Aufträge immer öfter für die weltweite Produktion aus. Viele mittelständische Zulieferer können weder die geforderten Stückzahlen herstellen noch den Konzernen einfach ins Ausland nachfolgen.
Autokonzerne wie PSA und GM bilden immer öfter Einkaufsgemeinschaften, gleichzeitig steigt die Zahl von Modulbaukästen für die identische Teile in sehr hoher Stückzahl benötigt werden. Beides führt dazu, dass der Preisdruck steigt. Die Zahl der Zulieferer, die das leisten kann, sinkt.
Vabanquespiel im Ausland
Ewige Prosperität ist damit aber nicht gesichert. „Selbst ein hoch spezialisierter Betrieb hat keine Überlebensgarantie“, sagt Zuliefererverbandssprecher Tutmann. „Der Hersteller kann binnen ein, zwei Jahren einen neuen Lieferanten aufbauen.“ Know-how reinpumpen, Berater hinschicken, fertig ist der neue Lieferant.
Auch die Begleitung der Konzerne ins Ausland kann sich für Zulieferer als Vabanquespiel erweisen. Bis 2018 sollen weltweit 62 neue Produktionsstätten entstehen, dazu 32 von großen Zulieferern. BMW und Audi etwa bauen derzeit Werke mit Kapazitäten von je 150.000 Fahrzeugen in Mexiko. Doch kleineren Zulieferern fehlen oft Geld und Personal für die Internationalisierung. Das macht den Weg ins Ausland gefährlich. „Die Zusage eines einzelnen Herstellers reicht nicht, um das Teilevolumen zu garantieren, das ein Betrieb bräuchte, um einen neuen Standort gegenzufinanzieren“, sagt Experte Bratzel. Mangels Alternative nähmen einige Zulieferer trotzdem das Risiko auf sich.
Mehr Dialog durch gemeinsamen Verband
Ob der vielen Missstände herrscht bei kleinen und mittelgroßen Zulieferern Ratlosigkeit. Sie schalten keine Anwälte ein, weil sie Angst haben, keine Aufträge mehr zu bekommen. Zudem haben sie keine wirkungsvolle Lobby. „Unsere Möglichkeiten sind begrenzt“, klagt Verbandssprecher Tutmann. Viele Große der Branche haben sich deshalb dem Verband der Autoindustrie (VDA) angeschlossen, der von den Konzernen dominiert wird, den Zulieferern aber die Chance bietet, ihre Probleme auf dem kleinen Dienstweg vorzubringen.
VDA-Präsident Matthias Wissmann ist damit zufrieden. „Dass in Deutschland Hersteller und Zulieferer gemeinsam unter dem Dach des VDA organisiert sind, schafft mehr Dialog. Das ist keine Schönwetterveranstaltung, aber daran beteiligen sich Hersteller und Zulieferer.“ Die Anforderungen auf allen Ebenen der Lieferkette seien enorm, und da knirsche es an der einen oder anderen Stelle eben immer wieder mal.
Schlanke Mittelständler
Ansätze für bessere, partnerschaftliche und zugleich finanziell attraktivere Geschäftsbeziehung gibt es. „Die Hersteller setzen noch nicht genug auf den Erfahrungsschatz der Lieferanten“, sagt Guido Hauptmann von der Münchner Beratung Goetzpartners, der in einer Studie mit dem Titel „Innovationen zum Schnäppchenpreis?“ Zulieferer nach ihren Erfahrungen mit Herstellern befragt.
Ergebnis: Es gäbe Möglichkeiten, Kosten zu sparen, wenn die Konzerne mit ihren Subunternehmern konstruktiver zusammenarbeiten würden. So wollten die Zulieferer früher in Projekte der Autobauer einbezogen werden, um etwa spätere Korrekturschleifen von vornherein vermeiden zu können. In puncto Effizienz könnten die Konzerne von ihren Lieferanten einiges lernen.
„Die Stärke der deutschen Mittelständler liegt in den schlanken Abläufen, in der Fertigungsstruktur, technologischen Prozessen und Organisation“, sagt Hauptmanns Beraterkollege Fein. „Da gibt es noch viel Potenzial zu heben.“