
Vorbei an Nimsreuland, Winringen, Rommersheim. Im schnittigen Tesla rauscht Elon Musk durch die Eifel. Sein Ziel: ein braun-beiges Fabrikgebäude in Prüm. Drinnen stellt sich der Milliardär aus Bel Air auf ein kleines Podest, lobt die deutsche Ingenieurkunst und verkündet die Übernahme der Firma, der Grohmann Engineering, die künftig die Technologie für Musks Elektroautobatterien liefern soll.
Ein großer Redner sei Musk zwar nicht, tuscheln Mitarbeiter, aber durchaus symphatisch. Sie sind stolz auf den neuen Eigentümer, den Visionär und Tesla-Gründer aus dem Valley.
Doch sechs Monate nach dem Auftritt im November ist der Betriebsfrieden gefährdet. Gründer Klaus Grohmann hat das Unternehmen verlassen, BMW und Daimler sind als Kunden ausgebootet. Vor allem hat sich Tesla IG Metall und Betriebsrat zum Gegner gemacht. Die Gewerkschaften erweisen sich dabei als harte Widersacher. Die organisierten Arbeitnehmervertreter sind dabei, Musk eine Lektion in Sachen deutscher Mitbestimmung zu erteilen. Am Ende könnte die Valley-Ikone klein beigeben müssen, erste Zugeständnisse hat Musk bereits gemacht.





Beim Kulturkampf in der Westeifel schenken sich beide Lager wenig. Während bei den Arbeitnehmervertretern schon von möglichen Warnstreiks die Rede ist, macht Musk keinen Hehl daraus, dass er die traditionsbewussten Gewerkschafter für ewiggestrige Besitzstandswahrer hält. Er glaube nicht, dass die IG Metall die Vision von Tesla für eine nachhaltige Energie teile, schrieb Musk in einem Brief an die Mitarbeiter.
Am Tesla-Firmensitz in Palo Alto verlangt Musk bedingungslosen Einsatz, nächtigt auch schon mal selbst mit dem Schlafsack unter dem Schreibtisch, wenn es bei einem Projekt eng wird. Die Welt der IG Metall mit ihren Arbeitszeitkonten und Überstundenregelungen ist ihm völlig fremd – in den USA schwindet der Einfluss der Autogewerkschafter seit Jahrzehnten.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
In Deutschland aber muss sich Musk nun etwa mit dem IG-Metall-Bevollmächtigten Christian Schmitz und Betriebsratschef Uwe Herzig auseinandersetzen. Herzig ist ein freundlicher 54-Jähriger mit sanfter Stimme, seit über 30 Jahren im Unternehmen, gelernter Energieanlagen-Elektroniker. Hier gibt man noch was auf Tradition – langjährige Mitarbeiter ehrte Herzig gemeinsam mit Gründer Grohmann, zum 25. Betriebsjubiläum etwa mit einem guten Tropfen, in Folie verpackt, inklusive Foto für den Lokalteil des „Trierischen Volksfreunds“.
Diese Welt ist weit weg von der amerikanischen „Hire and Fire“-Mentalität und noch weiter von der Glamourwelt des Elon Musk, der gerade mit Freundin Amber Heard, der Ex von Johnny Depp, in Australien turtelt und Fotos auf Instagram postet.
Tesla ist wertvoller als GM und Ford
Das sei ihm unbenommen, aber Schmitz und Herzig wollen für die Grohmann-Mitarbeiter auch ein Stück vom Kuchen. „Um 25 bis 30 Prozent liegen die Grohmann-Löhne unter dem deutschen Schnitt“, sagt Herzig, „viele der dringend benötigten Fachkräfte wandern in andere Betriebe ab.“ Ein Grohmann-Manager bestreitet jedoch, dass die Mitarbeiter generell unterbezahlt würden.
Mittlerweile ist über die Hälfte der Grohmann-Belegschaft von rund 700 Mitarbeitern in der Gewerkschaft. Einmal lenkte Musk schon ein, versprach 150 Euro mehr Lohn pro Monat. Jeder Grohmann-Mitarbeiter solle zudem Tesla-Aktien für 10 000 Dollar bekommen sowie einen sofortigen Bonus von 1000 Euro in bar. Außerdem sicherte er eine Beschäftigungsgarantie bis 2022 zu. Zu Gesprächen mit den Gewerkschaften scheint Tesla aber erst im Mai bereit.





Das wiederum provoziert die Gewerkschafter: „Elon Musks Jobgarantie und die angekündigten Lohnerhöhungen gehen in die richtige Richtung, sind aber nicht rechtssicher“, sagt der IG-Metall-Bevollmächtigte Schmitz.
Einigen Grohmann-Mitarbeitern ist der Wirbel, den die IG Metall macht, suspekt. „Total irrsinnig“, sagt ein Techniker im Vorbeigehen. Er sei froh, dass Musk investiert hat.
Noch scheint Tesla in der Eifel nicht richtig angekommen. Das offenbart auch ein Blick auf das Firmengelände. 15 Parkplätze sind dort für Tesla reserviert – inklusive Ladestationen. Doch nirgendwo parkt ein kalifornisches Elektroauto.