Kulturwandel bei VW Das Märchen von Volkswagen

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Unerträgliche Mischung

Was die Kunden anbelangt – sie stehen im Regen. Obwohl alle die gleiche Betrugssoftware untergeschoben bekamen, gibt es inzwischen zwei Klassen von Kunden: Die in den USA, die dank weitreichender Verbraucherschutzrechte hohen Schadensersatz erhalten, und die anderswo, die noch immer um jeden Euro kämpfen müssen. So wie der VW-Großkunde Deutsche See: Anstatt sich mit ihm außergerichtlich zu einigen, zieht VW, die an den Kunden 500 Transporter geliefert haben, es vor, auf Zahlung von Schadensersatz verklagt zu werden.

"Ich bin ja kein Software-Ingenieur"
Martin Winterkorn Quelle: dpa
Martin Winterkorn, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Volkswagen Quelle: dpa
Martin Winterkorn (M), ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, steht, begleitet von seinen Anwälten, als Zeuge in der Sitzung des Abgas-Untersuchungsausschusses Quelle: dpa
Martin Winterkorn Quelle: dpa
An den Ausschussvorsitzenden Herbert Behrens (Linke) gerichtet: „Sie stellen nun zurecht viele Fragen. Wie konnte so etwas passieren? Und, die Kardinalfrage: Wer ist dafür verantwortlich?“ Quelle: REUTERS
Auf Behrens' Frage, wann Winterkorn erstmals vom Einsatz einer Täuschungssoftware („defeatdevice“) erfahren habe: „Sicher nicht vor September 2015. (...) Ich bin ja kein Software-Ingenieur.“ Quelle: REUTERS
Martin Winterkorn Quelle: REUTERS

Auch das Produkt stimmt noch nicht. Volkswagen und seine Töchter bauen gute Autos, aber sie halten eben nicht, was sie versprechen. Das beginnt bei Verbrauchs- und damit Emissionswerten, die im Alltagsbetrieb selten mit den Katalogangaben übereinstimmen und damit Enttäuschung bei Käufern produzieren.

Und es endet mit der Vernachlässigung alternativer Antriebe, die Volkswagen zu Gunsten einer immer ausgeklügelteren, aber leider auch betrügerischen Dieseltechnologie zu lange zurückgestellt hat. Den Kampf gegen Google, Tesla und Co – die behaupten, ein Auto könne jeder bauen, aber auf das Betriebssystem komme es an – den hat der Wolfsburger Konzern noch nicht einmal aufgenommen.



VW-einzigartig schließlich ist jene unerträgliche Mischung aus Familieninteressen, politischen Absichten und gewerkschaftlichen Forderungen, die im Aufsichtsrat und damit im strategischen Gremium des Unternehmens aufeinanderprallen. Gegen die Familie geht da sowieso nichts, gegen das Land Niedersachsen mit seinen goldenen Aktien aber auch nicht, und gegen eine stets von allen Seiten umarmte Arbeitnehmervertretung auch besser nicht. Investoren, die unter diesen Umständen in dieses Unternehmen ihr Geld stecken sollen, sind entweder blind, stumm und taub oder sie sind Anhänger der Märchentheorie: Am Ende wird alles gut.

Wie gesagt, es ist eine Frage der Perspektive. Die Deutsche Bank hat im Tal der Tränen den Grund erreicht. Für Volkswagen dagegen gibt es noch kein Halten. Der Konzern ist noch nicht einmal auf der Talsohle angekommen.

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