Motorräder sind oft deutlich lauter als offiziell angegeben. Doch die Bundesregierung sieht sich kaum in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Für die internationale Typgenehmigung bescheinigten die Hersteller sich selbst, dass sie die zulässigen Lärmgrenzen einhielten, heißt es in der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Auch würden für diese Werte nur „im Geschwindigkeitsbereich zwischen 20 und 80 km/h“ gemessen.
Die Bundesregierung wolle zwar eine Prüfung bis Tempo 100 und unter Straßenbedingungen erreichen – „in allen Getriebestufen, Fahrsituationen und Fahrmodi“. Auch solle unabhängig getestet werden. Doch solche Änderungen müssten international umgesetzt werden, heißt es. Um die Lärmbelastung zu erfassen, müsste eigentlich auch der Pegel nach dem Einbau von abschaltbaren Klappenschalldämpfern und Soundaktuatoren gemessen werden, räumt die Regierung sein.
Doch schon zur Kontrolle des tatsächlichen Lärmpegels der Krafträder auf der Straße fühlt sich die Bundesregierung nicht in der Lage. „Die Überwachung und Ahndung von Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften obliegt … den Ländern“, heißt es in der Antwort. Fahrzeuge müssen den Geräuschgrenzwert von 80 dB(A) in der Vorbeifahrtmessung einhalten. Versuche von baden-württembergischen Behörden haben gezeigt, dass manche Motorräder doppelt laut sind wie von Herstellern angegeben, wenn Tester die Prüfbedingungen an die der Straße annäherten und auch bei höherem Tempo messen. Das Umweltbundesamt forderte bereits eine unabhängige Prüfung der Herstellerangaben durch das Kraftfahrtbundesamt.
In etlichen ländlichen Gebieten bedeuten Motorräder im Sommerhalbjahr für die Bewohner ein Umweltproblem, vor allem wegen des Lärms. Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, beklagt deshalb: „Wie auch beim Abgas-Skandal bleibt die Bundesregierung beim Motorradlärm untätig und verweist, wo es nur geht, auf die internationale Ebene.“ Das helfe aber Menschen an Raserstrecken, „Applauskurven“ der Biker oder in der Nähe von städtischen Kreuzungen nichts.
Alles, was kurzfristig und wirksam Abhilfe gegen Auspufflärm „in der Lautstärke von Düsenjets“ schaffe, „blockiert die Bundesregierung vollständig“, kritisiert Krischer. Dazu gehörten eine einfachere Fahrgeräuschmessung für die Polizei oder die Einführung von maximalen tatsächlichen Geräuschgrenzwerten. Problematisch ist nach Darstellung der Grünen offenbar auch, Lärmsünder zu bestrafen, weil Krafträder vorne keine Nummernschilder haben und Motorradhelme die Identifizierung des Fahrers erschweren.
Besonders kritisch sieht der Umweltpolitiker manches technische Zubehör. „Den eigentlichen Skandal, dass auch Motorradhersteller Abschalteinrichtungen verbauen und mit Zykluserkennungen bei den Lärmgrenzwerten tricksen, sitzt die Bundesregierung komplett aus.“ Wenn Motorräder keine deutsche Typgenehmigung hätten, werde weggeschaut. „Das ist Hohn für die von Motorradlärm betroffenen Kommunen.“ In den Auspuff mehrerer Motorrad-Modelle werden Klappen eingebaut. Diese dienen dazu, bei Drehzahlen im Zulassungstest den Lärm zu verringern. Bei höheren Geschwindigkeiten und anderer Fahrweise sind Fahrzeuge aber lauter, was von vielen Fahrern auch gewollt ist.
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