Leichtbau im Auto Weshalb Stahl noch nicht zum alten Eisen gehört

Wenn es um Leichtbau geht, redet alle Welt von Karbon. Doch viele Autokonzerne verzichten lieber auf die leichten Fasern, weil sie Gewicht auch billiger sparen können – zum Beispiel mit Stahl.

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Leichtbau ist in der Autobranche eine Herausforderung Quelle: PR, Montage

Es glich einer Revolution: Die Karosserie, Türen, Dach, Front- und Rückseite bestehen aus mit schwarzem Plastik beplanktem Carbon, aufgesetzt auf einen Unterbau aus Aluminium - der BMW i3 hat eine Autoarchitektur, wie es sie noch nicht gab.

Der Vorteil eines Autos mit Alu-Rahmen und Kohlefaser-Karosserie ist offensichtlich: Sie ist leicht. Und Leichtbau hat sich in der Autoindustrie im Kampf um CO2-Emissionen zu einem Zauberwort entwickelt. Dank seines revolutionären Aufbaus wiegt der i3 weniger als 1,2 Tonnen. Damit ist er in etwa so schwer wie sein Konzernbruder Mini. Aber der schleppt nicht 300 Kilo Stromspeicher mit sich herum.

Mit welchen Materialien Autos leichter werden

BMW sieht sich mit seiner Carbon-Strategie auf dem richtigen Weg. Von der Kohlefaser-Kompetenz soll künftig auch das BMW-Flaggschiff profitieren: Bei der kommenden Generation der 7er-Limousine sollen Motorhaube, Kofferraumdeckel und Türen aus dem leichten Verbundwerkstoff zum Einsatz kommen.

Hemmt die „German Angst“ den Fortschritt?

Doch längst nicht jeder Autobauer setzt so sehr auf die schwarzen Fasern wie die Münchner. „Wenn es darum geht, grundlegende Veränderungen einzuleiten, dann wird hierzulande erst einmal lang und ängstlich diskutiert“, versuchte BMW-Chef Nobert Reithofer einst das Zögern der Konkurrenz mit der „German Angst“ zu erklären.

Doch die Konkurrenz hat gute Gründe, nicht voreilig in den Aufbau einer eigenen Kohlefaser-Produktion zu investieren: Carbon ist nicht nur teuer, sondern auch schwer zu verarbeiten. Und vor allem können Konzerne auch mit bekannten Materialien wie Stahl und Aluminium Gewicht sparen.

Daten und Fakten zum BMW i3

Was für BMW die Kohlefaser ist, ist für Jaguar Aluminiun: Die Mittelklasse-Limousine Jaguar XE, die im Juni 2015 auf dem Markt kommt, baut auf einer neuen Rahmen aus Aluminium auf. Davon erhoffen sich die Briten nicht nur bei der Effizienz Vorteile.

„Karbon ist für uns überhaupt kein Thema“, sagt Jaguar-Entwicklungschef Wolfgang Ziebart. „Aus meiner Sicht ist Karbon für eine Großserienfertigung nicht das geeignete Material.“

Und zwar aus mehreren Gründen. In der Massenproduktion könne man die Fasern nicht zwölf Stunden aushärten lassen, wie das bei den von Hand gefertigten Bauteilen für einen Formel-1-Rennwagen der Fall sei. Stattdessen ziehe das kürzere Aushärten im Ofen deutliche Kompromisse nach sich.

Die Folge: „Sie haben zwar viele Fasern eingesetzt, bekommen aber Eigenschaften heraus, die Sie eigentlich gar nicht haben wollen“, sagt Ziebart.

So wird der BMW i3 produziert
BMW i3 startet in die Serienproduktion: Ab heute rollen am Standort Leipzig die Produktionsbänder für den Elektro-Kleinwagen i3 an. Das Produktionsnetz für BMWs i-Modelle umfasst außerdem Standorte in Moses Lake (Washington, USA), Wackersdorf, Landshut und Dingolfing, an denen die wesentlichen Komponenten für den BMW i3 hergestellt werden. Für die i3-Fertigung wurde allein das Leipziger Werk für rund 400 Millionen Euro erweitert und 800 neue Arbeitsplätze geschaffen. Quelle: Presse
Erfolgsrezept des i3 soll ein "ganzheitlicher" Entwicklungsansatz, etwa zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs sein. So besteht beispielsweise die gesamte Außenhaut des i3 aus einem carbonfaserverstärkten Kunststoff (CFK), der erstmalig in der Automobilindustrie in Großserie verwendet wird und den Elektroflitzer zum absoluten Leichtgewicht macht. Durch Verwendung der ultraleichten Kohlefaser kann das Mehrgewicht der Batterie für den elektrischen Antrieb kompensiert werden. Quelle: Presse
Der Elektroantrieb und der Energiespeicher des i3 werden ebenfalls im Produktionsnetzwerk der BMW Group entwickelt und im Werk Landshut bzw. Dingolfing produziert. Quelle: Presse
Der Motor des BMW i3 verfügt über eine Leistung von 125 kW/170 PS, der Lithium-Ionen-Hochvoltspeicher über eine Reichweite von 130 bis 160 Kilometern. Maximal rennt der i3 elektronisch begrenzte 150 km/h - in erster Linie aus Stromspargründen. Gegen Aufpreis übernimmt ein kleiner Verbrennungsmotor die Funktion eines Range Extenders. Mit dem Benziner kann die Reichweite auf bis zu 300 Kilometer ausgedehnt werden. Quelle: Presse
Die "Hochzeit": In der Montagehalle erhält der i3 alle kundenspezifischen Ausstattungswünsche, bevor die ultraleichte CFK-Fahrgastzelle mit dem Elektromotor des i3 eine Verbindung fürs Leben eingehen. Die Außenhülle aus Kohlefaser wird dazu mit der Aluminium-Chassis des Motors verklebt und verschraubt statt verschweißt. Quelle: Presse
Bislang galt Karbon eher als ungeeignet für Großserien, da es teuer und schwer zu verarbeiten ist. BMW wagt nun erstmals die Serienproduktion mit dem Wunderstoff. Nach ersten Erfahrungen liegt die Produktionszeit des i3 deutlich unter der bisheriger Serienmodelle, da sich Karbon deutlich leichter lackieren lässt und nur geklebt statt geschweißt werden muss. Diese Zeitersparnis im Fertigungsprozess macht den Einsatz von Karbon im Automobilbau letztlich wirtschaftlich. Quelle: Presse
Das Finish: Neben der Fertigung des Elektrofahrzeuges laufen in Leipzig auch Modelle mit Verbrennungsmotor vom Band. Quelle: Presse

Dazu kommen Probleme in der Weiterverarbeitung. „Bislang kann etwa ein Dach aus Verbundwerkstoffen nicht auf derselben Fertigungslinie wie ein Stahldach lackiert werden“, sagt Jens Schatzmüller, Innovationsmanager beim Technologiekonzern 3M. „Im Lackierofen herrschen Temperaturen von bis zu 200 Grad. Harz hält aber nur rund 140 Grad aus.“

Bei bekannten Werkstoffen wie Stahl und Alu beherrschen die Autobauer die Produktions- und Fertigungs-Prozesse deutlich besser, zudem können sie ihre bestehenden Produktionsanlagen weiter nutzen – was beim Umrüsten auf Kohlefaser nicht der Fall wäre.

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