Luxus only Mercedes verabschiedet sich von den Normalverdienern

Das Interieur des Limited Edition Maybach by Virgil Abloh (Mercedes‑Maybach S-Klasse S 680) Quelle: PR

Mercedes will sich stärker als bislang bekannt im Luxussegment positionieren. Preiswerte Einsteigermodelle sollen verschwinden, teure Sonderausstattungen zur Regel werden. Das hat Folgen für die Marke – und die Kunden.

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Was waren das noch für Zeiten: Früher, da stritt sich Daimler mit BMW ständig um die Krone. Es ging darum, wer als Premiumautobauer jetzt eigentlich die meisten Autos verkauft habe. Und hinter vorgehaltener Hand lästerte man übereinander: Daimler habe mit Mercedes nur gewonnen, weil die ihre verkauften Smarts in die Statistik gemogelt hätten, witzelte man bei BMW. BMW habe doch auch seine Minis dabei, schoss man bei Daimler zurück. 

Doch nun geht es Mercedes plötzlich gar nicht mehr um die Zahl der verkauften Autos. Der Fahrzeughersteller stellt ab sofort die Marge vor das verkaufte Volumen. Und überhaupt hat sich bei Daimler so einiges geändert: Inzwischen heißt das Unternehmen nach der Abspaltung der LKW-Sparte nur noch Mercedes. Und an der Spitze sitzt nicht mehr der verbrenner-enthusiastische Dieter Zetsche - sondern der elektroaffine Schwede Ola Källenius. Und der richtet das Unternehmen gemeinsam mit Finanzvorstand Harald Wilhelm komplett neu aus. Die LKW sind weg – und nun positioniert das Duo die Marke noch höher im Luxussegment. 

Künftig mehr limitierte Editionen

Das Produktprogramm wird nun grundlegend neu gestaltet und künftig in drei Produktkategorien unterteilt: Top-End Luxury, Core Luxury und Entry Luxury. Zum oberen Bereich (Top-End) gehören dann ab sofort Autos wie jene von Mercedes-AMG, Maybach, die EQS Limousine und das EQS SUV, die S- und G-Klasse sowie der GLS. 

Verstärkt will Mercedes hier nun auch auf limitierte Editionen setzen. Dabei geht es zum Beispiel um „Black Series"-Modelle von AMG, sie gelten als exklusive automobile Raritäten. Angeblich stehen die Kunden Schlange, wenn sie in einer limitierten Zahl angeboten werden. Und beim Maybach erweitert Mercedes sein Angebot um eine Elektrovariante: den Mercedes-Maybach EQS SUV, dessen Markteinführung für 2023 geplant ist.

Mercedes' sinkender Stern
Rollenwechsel im Premiummarkt
2010 überholt Audi Mercedes
Wachstumsmarkt China
Zu viele Karosserietypen
Überschneidungen und Verspätungen
Schlechte Kostenstruktur
Sinkende Imagewerte

Eine Limited Edition gibt es auch vom Maybach by Virgil Abloh. Die auf 150 Exemplare limitierte Edition ist in Zusammenarbeit mit dem verstorbenen Künstler und Modedesigner entstanden. Fahrzeuge wie diese werden laut Mercedes nur den treuesten Mercedes-Benz Enthusiasten und Sammlern angeboten. 

Zur Mittelklasse (Core) sollen Fahrzeuge gehören wie die besonders absatzstarken Baureihen der C-Klasse und der E-Klasse. In der Mittelklasse will Mercedes die Elektrifizierung nun sogar noch weiter beschleunigen. 

Die Einstiegsklasse nur noch mit Sonderausstattung erhältlich

Die Einstiegsklasse (Entry) soll nun aufgewertet werden. Für Kunden bedeutet das, dass sie zum Kauf einer Ausstattung gezwungen werden. Denn künftig soll es bei der Fahrzeugkonfiguration in allen Klassen nur noch verschiedene Ausstattungspakete geben, zwischen denen der Kunde wählen kann. So wird zum Beispiel 2024 das neue Betriebssystems MB.OS (Mercedes-Benz Operating System) eingeführt. Künftige Modelle sollen mit Vision EQXX Technologie und MB.OS Software ausgestattet werden. Auch die Einstiegsmodelle werden künftig also eine gewisse Mindestausstattung haben müssen, sonst kann ein Kunde sie nicht kaufen. Ohne Extras - gibt es nicht mehr.

Mehr Marge herausholen

Auf diese Weise will Mercedes die Online-Verkäufe beschleunigen, weil die Konfiguration beim Kauf im Internet voreingestellt ist und der Kauf so erleichtert wird. Außerdem will der Stuttgarter Konzern mehr Marge herausholen. Denn mit den Paketen entfällt das Problem, dass gerade die deutschen Kunden jedes Auto anders konfigurieren – und so die Komplexität in der Produktion steigt. 

Mercedes hat sich zum Ziel gesetzt, zur wertvollsten Luxus-Automobilmarke der Welt zu werden und sich in Sphären zu bewegen, in denen BMW oder Audi nicht konkurrieren können. Die Umsatzrendite (Return on Sales) soll künftig bei bis zu 14 Prozent liegen. 

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Muss Mercedes Autos künstlich verknappen?

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Strategie auch langfristig aufgeht. Denn sie ist erdacht in Zeiten von Corona und Teilemangel. Aktuell sprudeln die Gewinne bei Mercedes, obwohl wegen des Mangels an Halbleitern oder Kabelbäumen weniger Autos gebaut werden können, als nachgefragt werden. Weil die Fahrzeuge rar sind, sind die Kunden auch bereit, höhere Preise zu bezahlen. Würde sich der Teilemangel entspannen, müsste Mercedes dann allerdings die verfügbaren Autos künstlich verknappen.

Aktuell haben Kunden wenig Alternativen – da Autos auch bei den anderen Autobauern knapp und die Wartezeiten lang sind. Ob die Mercedes-Strategie aber auch funktioniert, wenn Kunden wieder preiswertere Alternativen haben und sie abwandern könnten, steht in den Sternen. 

Wie groß der Markt ist, den Mercedes adressiert, will Källenius denn auch nicht verraten: Man veröffentliche diese Zahlen nicht, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Nur so viel verriet er: „Wenn man sich den Gesamtmarkt der kommenden fünf bis zehn Jahre ansieht, dann ist das Wachstumspotenzial des Luxus-Premiummarktes vielversprechender als jenes des Volumenmarktes.“

Mal sehen, ob sich Källenius nicht doch irgendwann wieder mit BMW um die Volumenkrone streitet. 

Lesen Sie auch: Kürzlich haben die Premiumautobauer BMW und Mercedes jeweils ein neues Modell vorgestellt. Doch es waren nicht irgendwelche Autos: Für den jeweiligen Konzern sind der neue 7er und das Mercedes EQS SUV wichtig. Wer hat die Weltpremiere besser inszeniert? Eine Analyse.

Mercedes EQS SUV – Luxus auf höherer Ebene
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EQS SUV: Der Luxusliner soll in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommen Quelle: Mercedes-Benz
 Die Designer haben sich Mühe gegeben, die Karosserie des EQS SUV nicht so aufrecht und wuchtig zu gestalten wie beim Mercedes GLS Quelle: Mercedes-Benz
Das EQS SUV wirkt gefällig in den Proportionen und ist zehn Zentimeter niedriger als sein Gegenstück aus der Verbrennerwelt, der Mercedes GLS. Quelle: Mercedes-Benz
Im Interieur des EQS SUV zeigt sich ein gewohntes Bild. Das Cockpit wurde 1:1 von der Limousine übernommen Quelle: Mercedes-Benz
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