Malte Krüger "Deutschland kann super Autos bauen – aber nicht verkaufen“

Kleine Autohändler haben es zunehmend schwer, große Händlergruppen und Internetportale machen das Geschäft. Malte Krüger, Geschäftsführer von mobile.de, erklärt, wie das Internet den Autohandel verändert.

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Auf diese Neuwagen gibt es die höchsten Rabatte
Der Automarkt ist ein gesättigter Markt. Auf 1000 Einwohner kommen in Deutschland 550 Pkw. Quelle: Presse
Sind Listenpreise nur noch Mondpreise? Quelle: Presse
Auswirkung des VW-Diesel-Skandals Quelle: AP
Ford Fiesta Quelle: Presse
Volvo V40 Quelle: PR
Kia Picanto Quelle: Presse
Fiat Punto Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Autokauf?
Malte Krüger: Das ist schon ein paar Tage her, aber ja, noch recht gut. Der Händler war ein ehemaliger Klassenkamerad, daher war das einfach.

Und wie oft hatten Sie sich vor dem Kauf im Internet schlau gemacht?
Überhaupt nicht.

Was hätte Ihr Klassenkamerad damals wohl gesagt, wenn Sie ihm gesagt hätten: Ich stelle deine Autos für dich ins Netz und du gibst mir dafür Geld - also genau das, was mobile.de heute tut?
Wir haben dieses Jahr 25-jähriges Abi-Treffen, ich werde ihn mal fragen. Aber, auch wenn es hypothetisch ist, das Internet kam damals gerade erst auf. Da gab es viele Ängste. Ich denke aber mein Bekannter hätte es als Chance begriffen, viele neue Kunden über seinen Umkreis von 20 Kilometern hinaus zu gewinnen.

Mobile.de-Geschäftsführer Malte Krüger. Quelle: Presse

Sie arbeiten mit fast 90 Prozent aller deutschen  Autohäuser zusammen. Wie würde Sie die Beziehungen zu den Händlern beschreiben?
Wir sehen uns als Partner des Handels, der Hersteller und Importeure. Wir sind gut vernetzt und sehen uns als Ansprechpartner in allen Fragen der Digitalisierung.

Seit ein paar Monaten dürfen Kunden die Händler auch bewerten. Darüber waren sicher nicht alle Händler glücklich.
Bewertung und Transparenz ist im Internet ja nichts Neues – egal ob bei Büchern, Reisen oder Autos. Und wir als mobile.de, haben mit unser Konzernmutter Ebay auch die „Mutter aller Bewertungen“ im Hause. Aber man muss sagen: Der Autohandel hängt der Digitalisierung hinterher und die Vorbehalte waren recht groß. Seit 1. Februar sind wir mit den Bewertungen live. Wir haben schon über 150.000 mit einem von Schnitt 4,3 (5 ist die Bestnote) bekommen. Die Sorge der Händler, schlecht wegzukommen, bewahrheitet sich damit nicht. Im Gegenteil: Viele Händler profitieren davon, in dem mehr Kunden ins Autohaus kommen. Jeder Zweite ist laut Umfragen sogar bereit, bei gut bewerteten Händlern mehr zu bezahlen.

Zur Person

Gab es Händler die ausgestiegen sind, weil sie nicht bewertet werden wollten?
Eine Handvoll ist zunächst ausgestiegen – die sind inzwischen aber alle wieder da. Das war wohl eine erste emotionale Handlung im Affekt.

Mobile.de hat vor 20 Jahren begonnen den Autohandel ins Netz zu bringen. Warum haben es Händler und Hersteller nicht selbst geschafft?
Ich glaube, das ist klassische Innovators-Dilemma – sein eigenes Geschäftsmodell zu hinterfragen ist immer schwierig. Die Autoindustrie ist sicher groß und mächtig, sie verdient viel Geld und kann super Autos bauen. Sie hat sich aber lange nicht angeschaut, wie Menschen Autos kaufen. Das war einfach nicht auf dem Radar. Das Internet war nur ein Brandbeschleuniger.

Mobile.de wird 20 - Meilensteine

Es gab vor einigen Monaten den Anlauf von Audi/VW-Händlern, selbst einen Onlinehandel aufzuziehen. Ist das ein Indiz, sich von mobile.de zu emanzipieren?
Wir begrüßen, wenn sich Hersteller digital engagieren. Das ist extrem wichtig. Wichtig dabei ist natürlich die Frage, in welchem digitalen Vertriebskanal man die Kunden am besten erreicht. Mobile.de genierte mehr Nachfrage als jeder andere Spieler auf dem Markt. Wir sind der Marktführer und an uns führt kein Weg vorbei. Zudem bieten wir einen neutralen und vollständigen Marktüberblick, was Autokäufern extrem wichtig ist. Deshalb sehe ich es nicht als emanzipieren, sondern als sinnvollen Schritt, wenn sich ein Hersteller aktiv Gedanken zur Digitalisierung macht.

"Wir können in Deutschland super Autos bauen, aber nicht super verkaufen"

Worüber wundern Sie sich als Digital-Experte, wenn Sie ein Autohaus besuchen?
Wie viel Zeit haben wir? Nein, im Ernst. DAS Autohaus und DEN Autohändler gibt es nicht, aber ja, ich wundere mich schon über einiges. Zum Beispiel, dass es noch viele Verkäufer vom alten Schlag gibt. Die sind nicht darauf eingestellt, dass nur noch einer der fünf Schritte zum Autokauf im Autohaus stattfindet. Das sind tolle Verkäufer, aber sind sie auch gute Berater und Service-Ansprechpartner am Telefon und im Internet? Nein, sind sie nicht.

Ich wundere mich auch, wie stark noch von Seiten der Hersteller auf Neuerungen in den Autohäusern gedrängt wird, wie viel investiert wird – teils jährlich. Das macht aus meiner Sicht wenig Sinn, wenn die Kunden mehr im Internet als im Autohaus sind.

Bei der Tool- und Prozesslandschaft hinken viele Händler noch stark hinterher. 90 Prozent der Autohäuser haben kein Lead-Management, wissen also gar nicht, woher die Kunden mit Kaufabsichten kommen. Sie investieren blind ins Marketing.

Wir können in Deutschland super Autos bauen, aber nicht super verkaufen. In den USA ist man da deutlich weiter.

Was schauen Sie sich aus den USA ab?
Wir wollen den Autokauf in den nächsten sechs bis 24 Monaten spürbar einfacher und noch transparenter machen.

Wie soll das funktionieren?
Wir wissen aus aktuellen Studien, dass jeder zweite im falschen Auto sitzt. Jeder dritte würde das Auto wechseln, wenn der Autokauf einfacher wäre. Wir sehen drei Hebel:  1. mehr Transparenz – über den Händler, das Auto an sich und den Preis. 2. Vereinfachung – der Autokauf ist noch zu komplex und 3. Individualisierung. Dazu wären wir gerne der Car-buying-Buddy des Kunden.

Bitte was?
Der gute Freund, der Autoexperte, der ihnen zu- oder abrät, der im richtigen Moment alle relevanten Informationen kennt. Dazu haben wir etwa Motor-Talk gekauft.

Kryptische Kürzel in Auto-Anzeigen

Heißt das, Kunden können künftig auf der Berater-Hotline anrufen und da sitzt dann mein persönlicher „Buddy“?
Das nicht, aber wir wollen die gesammelten Daten über den Kaufprozess und das Wissen unserer Mitglieder aus der Motor-Talk-Community besser kombinieren und nutzen. Wie das konkret aussieht werden Sie bald sehen.

Zurück in die Gegenwart: Hat der Diesel noch eine Chance in Deutschland?
Absolut. Wir waren immer Diesel-Land und hatten mit dem Diesel einen Exportschlager. Wenn der Skandal sauber aufgearbeitet wird, wird sich daran auch nichts ändern.

Die beliebtesten Autos Deutschlands
Platz 10: Audi A4Grund zur Freude ist dieser zehnte Platz für Audi wohl kaum. Zum Stichtag Ende November lag der A4 in der Neuzulassungs-Statistik des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) noch auf Rang neun. Ein schwacher Dezember mit 2.644 Neuzulassungen hat den Mittelklasse-Audi noch einen Rang gekostet. In den restlichen elf Monaten des Jahres waren es im Schnitt 4.531 Exemplare. Der Modellwechsel auf die aktuelle Baureihe (im Bild) dürfte nicht ganz spurlos an der Statistik vorbeigegangen sein – wegen der Rabatte für das auslaufende Modell. Insgesamt wurden 2015 52.493 A4, S4 und RS4 neu zugelassen. Quelle: Audi
Platz 9: Opel CorsaVon 10 auf 9 ging es für den Opel Corsa. Mit 4.156 neuzugelassenen Exemplaren hat sich der kleine Rüsselsheimer im Jahres-Endspurt noch an dem Audi vorbeigeschoben. Von Januar bis Dezember listet das KBA 52.741 Corsa – minimal mehr als beim A4. Quelle: Opel
Platz 8: Opel AstraNoch etwas stärker als der Corsa hat sich im Dezember der Astra entwickelt. Auf der IAA im September wurde die aktuelle Generation erst vorgestellt. Im letzten Monat des Jahres haben dann noch 5.309 Kunden bei dem neuen Astra zugegriffen – das ein oder andere Vorführfahrzeug der Opel-Händler dürfte in der Statistik aber auch enthalten sein. Dennoch kommt der Astra so auf 56.079 Neuzulassungen in 2015 – Rang acht. Quelle: Opel
Platz 7: Audi A3Auch im Falle des A3 war der Dezember für Audi kein guter Monat: Ende November lag die Kompakt-Baureihe der Ingolstädter deutschlandweit noch auf Platz 5. In der Jahresabrechnung muss sich der A3 samt seiner Ableger S3 und RS3 mit 57.858 Einheiten aber mit dem siebten Rang begnügen. Quelle: Audi
Platz 6: Skoda OctaviaAusgerechnet zwei Konzernbrüder haben den A3 vom fünften Platz verdrängt. Im Ranking Januar-November lag der Skoda Octavia noch 830 Einheiten hinter dem A3. Zum Jahresende hat das tschechische Mittelklasse-Modell mit 57.907 Autos den Audi um denkbar knappe 49 Neuzulassungen geschlagen. Quelle: Skoda
Platz 5: VW Tiguan5.003 Exemplare des Tiguan wurden im Dezember zum ersten Mal angemeldet. Damit verabschiedet sich die aktuelle Baureihe des VW-SUV mit Anstand in die Rente: In den restlichen elf Monaten waren es 4.900 Tiguan im Schnitt. Dieses konstante Ergebnis muss der Nachfolger, der auf der IAA vorgestellt wurde, 2016 erst einmal übertreffen. 58.978 Einheiten im letzten Produktionsjahr und das fünftbeliebteste Auto der Deutschen sprechen für sich. Quelle: Volkswagen
Platz 4: Mercedes C-KlasseDie Festspiele des Volkswagen-Konzerns in der Zulassungsstatistik kann als letzter Fremdling die Mercedes C-Klasse unterbrechen. Mit 67.549 Neuzulassungen lässt das Mittelklasse-Modell die Konkurrenz von Audi (auf Rang 10) und auch den BMW 3er (mit 44.637 Einheiten nicht einmal in den Top Ten) deutlich hinter sich. Allerdings profitieren die Stuttgarter hier auch von der Erfassungsweise des KBA: Im Falle von Mercedes zählt der Coupé-Ableger mit zu den C-Klasse-Zulassungen. Bei BMW als 4er und Audi als A5 werden die Coupé/Cabrio-Ableger als eigene Baureihen gewertet - und damit auch separat gelistet. Rechnet man bei BMW die 4er-Modelle der 3er-Baureihe zu, kommen die Münchner Mercedes mit 64.962 Einheiten sehr nahe. Quelle: Daimler

Wie stark färbt der Dieselskandal auf die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ab?
Die Nachfrage nach Benzinern ist seit September um 10 Prozent gestiegen – die nach Diesel um 10 Prozent gefallen. Das lässt sich eindeutig mit der Dieselthematik in Verbindung bringen.

Wie hart trifft der Skandal Diesel-Modelle aus dem VW-Konzern? Wie entwickeln sich die Preise?
Im Durchschnitt entwickelt sich der Preis für Dieselmodelle über alle Marken positiv – mit einem plus von 2,7 Prozent im vergangenen halben Jahr. VW-Modellen hinken mit einem Plus von 1,1 Prozent dem Markt hinterher. Allerdings konnten die VW-Konzernmarken im Gebrauchtwagenbereich ihren Anteil an der Nachfrage bei mobile.de leicht erhöhen.

"Die Digitalisierung ist ein Kulturwandel für die Branche"

Wenn es nach der Bundesregierung geht, kommt nach dem Diesel das E-Auto. Was halten Sie von der Förderung für E-Autos?
Eine gute Idee. Aber generell gilt: Das Thema ist in vielen Medien präsent, aber nur in wenigen Garagen. Nur 0,5 Prozent aller Suchanfragen bei mobile.de entfallen auf rein elektrische Fahrzeuge. Auch das Angebot ist mit 3000 Fahrzeugen auf einem sehr niedrigen Niveau. Ob die Förderung, was bringt? Wir werden es sehen.

Die Checkliste für den Rundgang

Wie wird der Autohandel in 20 Jahren aussehen?
So weit kann ich nicht vorausschauen. Aber sagen wir so: In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden Kunden weiter gerne ins Autohaus gehen. Hersteller und Händler werden die Digitalisierung aber deutlich schneller vorantreiben müssen als bisher. Das ist ein Kulturwandel für die Branche und bedeutet weniger Investitionen in Glaspaläste, mehr Investitionen in digitale Strategien. Einige Hersteller haben die richtigen Schritte bereits unternommen, etwa Digitalvorstände oder Digital-Verantwortliche benannt.

Was Sie bei der Probefahrt beachten sollten

Es gibt Prognosen, nach denen jeder dritte selbständige Händlerbetrieb bis 2020 aufgekauft sein oder aufgegeben haben wird. Ist das Internet schuld?
Die Digitalisierung ist ein großer Treiber der Konsolidierung, aber nicht der einzige. Die Top 100 Handelsgruppen werden immer größer und kaufen weiter zu. Das ist auch sinnvoll, wenn man bedenkt wie klein Deutschland eigentlich ist, sich aber genauso viele Händler leistet wie die USA. Um Digitalisierung und Professionalisierung voranzutreiben muss sich die Branche konsolidieren. Ob es tatsächlich so schnell geht, wie mancher denkt, da habe ich meine Zweifel.

Wie viele Autos haben Sie seit Ihrem ersten gehabt?
Insgesamt hatte ich bislang sieben Autos mit einer ganz schönen Bandbreite – vom Golf bis zum Geländewagen.

Kaufen Sie immer noch beim  Klassenkameraden?
Den Klassenkameraden werde ich erst beim Abitreffen wiedersehen, insofern musste ich beim letzten Autokauf anders vorgehen. Vor wenigen Monaten kam unser drittes Kind zur Welt, da haben wir uns einen Land Rover Discovery gekauft. Wir haben den Wagen bei mobile.de gefunden. Es ging ganz einfach.

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