
Es gibt Jobs, von denen jedes Kind einmal träumt – Lokführer, Feuerwehrmann, Astronaut. Man stellt sich die Arbeit ungemein aufregend und abenteuerlich vor. An Aufregung dürfte es Philippe Varin nicht mangeln – doch er ist weder Lokführer noch Astronaut und um seinen Job beneidet ihn sicherlich niemand. Varin ist Chef des französischen Autokonzerns PSA Peugeot Citroen und ihm steht das Wasser bis zum Hals. Im ersten Halbjahr 2012 ist der Absatz des französischen Autobauers in Europa um 15 Prozent zurückgegangen. Im Heimatmarkt ging die Zahl der Neuzulassungen zwischen Januar und Mai 2012 sogar um mehr als 17 Prozent zurück. Dramatischer ist das Minus nur noch in Italien mit fast 19 Prozent.
Varin hat ebenso wie Kollege sein italienischer Sergio Marchionne – Chef des Fiat-Konzerns – harte Maßnahmen ergriffen, um den Umsatzbrand zu löschen. PSA soll nach Aussagen des französischen Gewerkschaftschefs Christian Lafaye 8000 bis 10.000 Stellen streichen – noch mehr als bisher veranschlagt. Das Peugeot-Werk Aulnay-sou-Bois soll angeblich geschlossen werden. Der Fiat-Chef hat unterdessen seine Investitionen in Europa um 500 Millionen Euro gekürzt und will die Einführung neuer Modelle in Europa verschieben.
Erst 2020 wieder auf Vorkrisen-Niveau
Dass auf dem europäischen Automarkt in den nächsten Jahren nicht viel zu reißen sein wird, davon geht auch das Beratungsunternehmen AlixPartners aus. Zwischen 1997 und 2007 lag der Autoabsatz in Europa jährlich zwischen 16 und 17 Millionen Fahrzeugen – dann erstickten Finanz- und Eurokrise die Kauflust. AlixPartners geht davon aus, dass die Marke von 16 Millionen verkauften Fahrzeuge erst im Jahr 2020 wieder erreicht wird.
Voraussichtliches Absatzminus der Autoindustrie 2012
Deutschland: - 78.0000 Autos
Italien: - 235.000 Autos
Frankreich: - 281.000 Autos
Bis dahin wird sich die Branche in Europa massiv verändern. Wo keine Autos verkauft werden, da sind auch die Werke nicht ausgelastet. Was in den USA zwischen 2008 und 2009 stattgefunden hat – nämlich eine Gesundschrumpfung des Marktes steht in Europa noch bevor. 18 US-Werke schlossen in den letzten vier Jahren ihre Pforten. Für Europa sagen Experten wie Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach ein ähnliches Szenario voraus. „Es besteht erheblicher Restrukturierungsbedarf - mindestens fünf bis acht Automobilwerke sind derzeit in Europa überflüssig.“
Die deutschen Autobauer kommen trotz dieser Hiobsbotschaften - mit Ausnahme von Opel - immer noch gut davon. Eben verkündet BMW neue Rekorde. Die Münchener haben im ersten Halbjahr so viele Autos verkauft wie noch nie und steuern auch für das Gesamtjahr weiter einen Rekordabsatz an. Die Nachfrage in Asien und Amerika wächst zwar inzwischen nicht mehr ganz so rasant, aber immer noch kräftig, und in Europa ist sie trotz Schuldenkrise stabil. „Die BMW Group liegt voll auf Kurs, auch im Gesamtjahr eine neue Bestmarke bei den Auslieferungen zu erzielen“, sagte Vertriebsvorstand Ian Robertson.
Rekorde trotz Krise? Was machen die deutschen Autobauer besser als ihre europäischen Kollegen?