Von den Abgas-Manipulationen bei Volkswagen könnten Medienberichten zufolge mehr Manager und Mitarbeiter des Wolfsburger Konzerns gewusst haben, als bislang angenommen. Interne Befragungen bei VW hätten ergeben, dass nahezu alle mit Abgas-Problemen befassten Führungskräfte in der Motoren-Entwicklung eingeweiht oder sogar beteiligt gewesen seien, berichten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR unter Berufung auf eigene Recherchen.
Die Medien berichten von einer Art Kronzeugen, gegen den selbst ermittelt wird. „Ein langjähriger, bedeutender Mitarbeiter in der Motorenentwicklung hat in den vergangenen Monaten ausgepackt“, heißt es in einem Artikel der „Süddeutschen Zeitung“. Er soll geschildert haben, wie es zu den Manipulationen kam, „und wer alles davon gewusst haben soll“, bis hinauf in die Vorstandsetagen.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Der Kronzeuge soll 2011 auch den späteren VW-Markenvorstand Heinz Jakob Neusser auf die Manipulationen der Diesel-Motoren aufmerksam gemacht haben. Dieser habe jedoch nicht darauf reagiert. Weltweit sind laut Volkswagen elf Millionen Dieselfahrzeuge betroffen. Der Konzern hatte zugegeben, Manipulationssoftware einzusetzen, mit der die Autos nur bei Tests im Labor die Abgasnormen erfüllen.
Der Bericht dürfte auch in den USA auf großes Interesse stoßen. Ermittler treibt schon länger die Frage um, wer von dem Einsatz der sogenannten „Defeat Devices“ wusste. Zuletzt hatte sich der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Connecticut, George Jepsen, beschwert, dass VW den US-Behörden den Zugang zu wichtigen Informationen in dieser Frage verweigere und sich auf deutsches Datenschutzrecht beziehe. Je mehr VW-Mitarbeiter eingeweiht waren und je höher deren Rang, desto höher können auch die Strafen ausfallen, so die Kalkulation der Amerikaner.
Ein VW-Sprecher sagte, es handele sich um Spekulationen, zu denen sich das Unternehmen nicht äußere. Der Konzern hat angekündigt, zur Hauptversammlung am 21. April einen Überblick über den Stand der Ergebnisse zu liefern.