Mercedes EQ Was Daimler bei seiner Elektromarke anders macht als BMW

Mit EQ will Mercedes eine eigene Submarke für Elektroautos etablieren. Die Vorzeichen sind besser als vor Jahren, als BMW i versuchte, die Automobilwelt zu elektrisieren. Doch auch bei EQ bleiben viele Fragezeichen.

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Mercedes EQ Quelle: Daimler

Vor dem ersten Auftritt im Herbst 2016 waren die Daimler-Verantwortlichen aufgeregt. Längst hatte sich herumgesprochen, dass Mercedes auf dem Pariser Autosalon nicht nur die Studie eines neuen Elektroautos, sondern in einem Aufwasch gleich noch die eine frisch kreierte Submarke namens EQ und eine neue Strategie präsentieren wollte. Der erste Aufschlag klappte, das Publikum klatschte, ob nun für das Auto selbst oder die Idee der Submarke EQ, blieb an der Seine offen.

Weniger verständlich als Mercedes und der neue Markenarm EQ wurde jedoch „CASE“. Für Landwirte ist Case seit Jahrzehnten eine Traktorenmarke und IT-Fachleute kennen den Begriff, wenn es in tiefere Programmiereben geht. Mercedes will Teile von sich mit CASE zu einem unkonventionell denkenden Start-Up-Unternehmen machen, das die Herausforderungen der nächsten Jahre schneller und agiler als in einem Großkonzern löst.

Dass „CASE“ für Connected, Autonomous, Shared und Electric Drive steht, wirft mehr Fragen auf, als dass es aufklärt. „Vernetzung, autonomes Fahren, Sharing und elektrische Antriebe“, so Daimler-Chef Dieter Zetsche, „jeder dieser vier Trends hat das Potenzial, unsere Branche auf den Kopf zu stellen. Aber die eigentliche Revolution liegt in der intelligenten Verknüpfung der vier Trends.“

Ein Blick in die Mercedes-Elektrostudie
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler
Mercedes EQ Concept Quelle: Daimler

Das Markendoppel aus Mercedes und EQ hört sich als zentraler Bestandteil der CASE-Strategie dabei irgendwie an wie BMW und BMW i vor ein paar Jahren. Die Bayern holten Ende des vergangenen Jahrzehnts mit dem Project i zum großen Schlag aus. BMW i sollte dabei real gewordene Innovationsführerschaft, Marketinginstrument und eine eigene Elektromarke sein. Aufwand und Kosten von mehreren Milliarden Euro waren gigantisch – der Erfolg zumindest am Anfang beachtlich.

Auf Messen, Symposien und Events auf der ganzen Welt hörte man zahllose Ohs und Ahs, wenn über BMW i und die Autos der Zukunft gesprochen wurde. Ein durchdachter 360-Grad-Ansatz mit dem elektrischen BMW i3, dem hybriden i8 und einem mächtigen Notfallplan, wenn ein potenzieller Elektrojünger doch einmal längere Strecken zurücklegen wollte. Dann standen in einem Pool unter anderem normale Verbrennermodelle wie ein 5er bereit. Schließlich passten Ladeinfrastruktur und Reichweite nicht zu den meisten Kundenwünschen.

Der Mercedes Generation EQ

Die Konzeption des Gesamten war beeindruckend, doch BMW trat in ein paar Fettnäpfchen und verrannte sich ohne große Not insbesondere in das Thema Karbon. Produktionskosten und Verschnitt des Hightech-Materials stehen bis heute in keinem Verhältnis zu dem technologischen Gewinn, ein paar dutzend Kilos gespart zu haben. Eines der größten Probleme: der BMW i3 ist unverändert keine Schönheit und predigt allzu laut automobile Enthaltsamkeit. Das wirre Türkonzept, der wenig wertige Innenraum, dünne Reifchen und eine elektrische Reichweite, die anfangs bei kaum mehr als 130 Kilometern lag, waren nur einige Gründe für die überschaubaren Stückzahlen.

Mercedes setzt nicht zwangläufig auf Karbon

Beim BMW i8, einer scharfen Kiste mit coolem Antrieb, vergaßen die BMW-Verantwortlichen, dass echte Sportwagenfans letztlich doch etwas mehr Wumms als die verfügbaren 354 PS unter der Haube haben wollen. Die dünnen Pneus waren der Querdynamik auch hier abträglich, das Design polarisierte und drei rasselnde Zylinder mit 1,5 Litern Hubraum waren zu wenig, um gegen die immer stärker werdende Sportwagenkonkurrenz zu bestehen. „Erster einer neuen Zeit“ – lautete einer der Slogans. Doch welche Zeit sollte es sein und wann genau sollte diese beginnen?

Anders als BMW mit seinem elektrischen i3 und dem hybriden i8, jeweils als Leipziger Produktion, hat Mercedes seine Elektroantriebe nicht zwangsläufig an den materialen Kostentreiber Karbon geknüpft. Die speziell für zukünftige Elektromobile entwickelte Plattform ist variabel skalierbar und für unterschiedlichste Fahrzeugmodelle einsetzbar. Radstand und Spurweite lassen sich dabei ebenso anpassen wie andere Systemkomponenten oder das im Boden verbaute Batteriepaket, das von der Daimler-Tochter Deutsche Accumotive, mit Zellen bestückt wird.

Die Fahrzeugstruktur baut ähnlich wie bei aktuellen Serienmodellen auf einen Materialmix aus Stahl, Aluminium und Karbon, um die Anforderungen an Leichtbau, Stabilität und Kosteneffizienz unter einen Hut zu bringen. Bis zum Jahre 2025 sollen unter dem EQ-Label mindestens zehn Elektromodelle verschiedenster Dimensionen automobile Realität werden sollen; darunter bis zu drei Modelle von Smart.

Daimler hat sich mit seiner Submarke EQ viel vorgenommen und man hat sich die Strategie von BMW i ganz genau angeschaut. Dieter Zetsche redet davon, dass in den nächsten Jahren bis zu einem Fünftel des Modellportfolios unter dem neuen schwäbischen Elektrolabel verkauft werden sollen. Wer die neuen EQ-Signets auf den Kotflügeln der überarbeiteten Mercedes S-Klasse sieht, die in diesem Sommer ihre Premiere feiert, ist genauso irritiert wie einst bei den Buchstabenarrangements BlueEfficiency oder BlueTec.

Einen ähnlichen Weg ging BMW. Aus den beiden i-Modellen wurden die Hybridmodelle als i-Performance-Versionen nebst entsprechender Schriftzüge abgeleitet – Nomen est Omen. Mercedes geht noch weiter und so tragen sogar die Formel-1-Fahrzeuge von Mercedes den Namen F1 W08 EQ Power+. Die Buchstabenkombination EQ soll zukünftig auf allen Plug-In-Hybriden thronen und natürlich auf den Elektromodellen selbst.

Das erste Serienmodell trägt den Namen EQ C und ist ein – angesichts des anhaltenden SUV-Trends keine Überraschung – ein Mittelklasse-Crossover vergleichbar mit dem aktuellen Mercedes GLC. Rund 4,70 Meter lang will Daimler mit seinem ersten Elektromodell einer neuen Zeit ab Mitte 2019 ein Fahrzeug anbieten, das sich gegenüber der Konkurrenz mehr durchsetzen kann, als der erfolglose Mercedes B-Klasse Electric Drive.



So sehr bei der Erstpositionierung BMW mit seiner Submarke i im Fokus der Schwaben stand, so sehr hat sich die Situation im Laufe der vergangenen drei Jahre geändert. Nach den überschaubaren Erfolgen von i3 und i8 trat BMW bei neuen Elektromodellen voll auf die Bremse. Zwar kommt 2018 eine nachgereichte Roadstervariante des Elektrosportlers i8, doch ein echtes Volumenmodell mit der internen Bezeichnung iNext lässt noch bis 2021 auf sich warten. Und das, während bereits ab 2018 die Elektropost abgehen soll.

Tesla könnte den Plug-In-Hybrid beerdigen

Tesla bringt zum Jahreswechsel 2017 / 2018 sein Model 3 für die volumenreiche Mittelklasse. Wenn das Model 3 zumindest in den USA ein Erfolg werden sollte, sind die Plug-In-Hybriden der internationalen Konkurrenz ohnehin tot. Boomt das Model 3 auch in Europa und Asien haben gerade die deutschen Premiumhersteller ein echtes Problem. 2018 folgen Teslas Model 3 der sehenswerte Jaguar i-Pace und der Audi e-tron. Beide treten als 4,75 Meter lange SUV ebenfalls in der SUV-Mittelklasse an und locken mit Leistungen von über 400 PS und Reichweiten von bis zu 500 Kilometern. Kurz danach will Tesla auf Basis des Model 3 ebenfalls einen kleinen Crossover mit dem Namen Model Y auf die Märkte bringen.

2019 folgt dann die Serienversion des Mercedes EQ Concepts – ein SUV mit elektrischem Allradantrieb, Platz für fünf Personen, 300 kW und bis zu 500 Kilometern Reichweite. Chefdesigner Gorden Wagner: „Seine Faszination liegt in der Neuinterpretation unserer Designphilosophie der sinnlichen Klarheit für eine avantgardistische, moderne und eigenständige Elektro-Ästhetik.“

Der smarteste Smart
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler
Smart Forfour Electric Drive Quelle: Daimler

Das Design ist innen wie außen auf das notwendige beschränkt. Karosseriefugen fallen kaum auf; zudem fehlen dem viersitzigen SUV Details wie Türgriffe oder Außenspiegel. Der Mercedes-Stern ist nur als Lichtsymbol in die Fahrzeugfront eingelassen. Kühlöffnungen gibt es nur für Radhäuser und am Unterboden. Die Dynamik macht die Musik, denn sein Design ist gefällig und betont kraftvoll. Die schwarze Motorhaube, die sich über die Windschutzscheibe bis ins Dach zieht, kennt man ebenfalls vom BMW i3.

„Das Serienauto wird über beide Achsen angetrieben und die Motorleistung wird bei bis zu 300 Kilowatt liegen“, erläutert Jörg Weinhold, Produktmanager des EQ C, „die Reichweite: 500 Kilometer. Wir können die Motorleistung je nach Betriebszustand beliebig zwischen beiden Achsen hin- und herschieben. Das Akkupaket zwischen den beiden Achsen ist dabei besonders gut für die Fahrdynamik wie zum Beispiel bei der Kurvenfahrt.“

Wer sich die Studie anschaut und in ihr ein paar Meter auf dem Beifahrersitz mitfährt, kann zu den dynamischen Qualitäten wenig sagen. Im Innenraum fehlt der übliche Kardantunnel und die Sitzposition ist vorne wie hinten noch zu hoch. Während die Konzeptstudie ein Einzelstück mit vier Loungesesseln und großen Displays im Fond ist, wird das Serienmodell ähnlichem dem aktuellen Mercedes GLC Platz für bis zu fünf Personen und jede Menge Gepäck bieten.

Einige Designelemente werden dabei den Weg in die Serie finden. Die große Bildschirmeinheit im Armaturenbrett kennt man bereits von den Modellen der E- und S-Klasse. Im EQ C wird diese noch schicker und insbesondere innovativer. Der Mercedes EQ C bekommt ein durchgehendes Großdisplay, das vollends frei programmierbar ist. „Wir werden die Informationen jedoch nicht nur auf dem Display darstellen“, erläutert Vera Schmidt aus dem Bereich Advanced Design, „so wird ambientes Licht zum Beispiel zukünftig eine Informationsquelle. Es gibt immer mehr Informationen für den Fahrer und die Insassen. Das muss vereinfacht werden.“

Zudem ist das Ende des beliebten Dreh-Drücksteller gekommen, denn die verschiedenen Funktionen werden bei zukünftigen Mercedes-Modellen – nicht nur den Elektroversionen der Submarke EQ – auf Touchdisplays verschiedenster Größen bedient.

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