In der Vergangenheit wurden über chinesische Autos viel gelacht. Sie versagten gnadenlos beim europäischen Crashtest NCAP. An eine erfolgreiche Expansion nach Deutschland war für Marken aus dem Reich der Mitte nicht zu denken. Das soll sich - geht es nach dem Willen von Volker Steinwascher - ändern. Noch nicht heute, aber in einer nicht allzu fernen Zukunft. Der ehemalige VW-Manager tritt bescheiden auf. Vor den Journalisten, die sich auf dem CAR Symposium in der Congress Halle in Bochum versammelt haben, spricht er mit leiser Stimme. Steinwascher ist über 70. Er hätte sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden können. "Aber", scherzt er, "nachdem ich vier Wochen lang Golf gespielt hatte, habe ich mich entsetzlich gelangweilt."
Und so stürzte er sich in das wohl größte Abenteuer, das man als deutscher Automobil-Manager wagen kann. Er wurde Chef des chinesisch-israelischen Jointventures Qoros. Ziel: Eine chinesische Automarke, die mit europäischen Modellen mithalten kann. Der Name soll für Q wie Qualität und das chinesische Wort für "im Chor singen, eine Einheit bilden" stehen.
Die Mittel, die Steinwascher für die Herkulesaufgabe zur Verfügung stehen, sind eher bescheiden. 2,57 Milliarden US-Dollar. "Für alles", wie Steinwascher sagt. Aufbau der Organisation, Bau der Werke, Marketing und Vertrieb. Wann und ob sich Qoros eines Tages ohne die Zuschüsse der Shareholder, dem chinesischen Autobauer Chery und dem Industriekonglomerat Israel Corporation, lässt er bewusst offen. Eins nach dem anderen ist Steinwaschers Devise.
Größte ausländische Autohersteller in China
BMW - 326.000 verkaufte Fahrzeuge
China gehört für die Münchener zu den wichtigsten Märkten der Welt. Und BMW dringt in die Top Ten vor: Im Vorjahresvergleich legt der Absatz um beachtliche 40 Prozent zu. Auf den Plätzen folgen Suzuki, Daimler und Mazda.
Ford - 427.000 verkaufte Fahrzeuge
Die Amerikaner machen Boden gut, was sie ebenfalls dem Inselstreit zu verdanken haben. Im Vorjahresvergleich bleibt ein sattes Plus von 31 Prozent.
(Anm. d. Red.: Erfasst wurden nur Pkw-Verkäufe)
Peugeot-Citroën - 442.000 verkaufte Fahrzeuge
Während der Heimatmarkt schwächelt, können die Franzosen in Fernost ihre Verkäufe ausbauen. Der Absatz legt um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Kia - 512.000 verkaufte Fahrzeuge
Die Koreaner können auch im Nachbarland ihren Erfolgskurs fortsetzen. Mit einem Wachstum von 18 Prozent gehören sie mittlerweile zu den erfolgreichen Volumenherstellern in China.
Honda - 603.000 verkaufte Fahrzeuge
Honda muss ebenfalls Einbußen hinnehmen - wie die anderen japanischen Hersteller in China ebenfalls. Im Vorjahresvergleich steht ein Minus von drei Prozent.
Toyota - 841.000 verkaufte Fahrzeuge
Die Japaner müssen sich mit Rang fünf begnügen, vor allem im September hatte es einen herben Rückschlag der Verkaufszahlen auf gerade einmal 50.000 Stück gegeben. Im Gesamtjahr bleibt ein Absatzminus von fünf Prozent.
(Anm. d. Red.: Angabe laut Reuters)
Hyundai - 847.000 verkaufte Fahrzeuge
Die Koreaner verdrängen Toyota auf Rang fünf und sind indirekter Nutznießer des Inselstreits. Die Hyundai-Verkäufe legten 2012 um zwölf Prozent zu.
Nissan - 1,18 Millionen verkaufte Fahrzeuge
Der Streit um eine Inselgruppe zwischen China und Japan hat die Absatzzahlen der Japaner deutlich in die Knie gedrückt. Im Gesamtjahr gab es für Nissan ein Minus von fünf Prozent.
Volkswagen - 2,81 Millionen verkaufte Fahrzeuge
Die Wolfsburger können das größte Wachstum der Massenhersteller in der Volksrepublik vorweisen. Gegenüber dem Vorjahr haben die Volkswagen-Verkäufe um 24 Prozent zugelegt.
General Motors - 2,84 Millionen verkaufte Fahrzeuge
Die Amerikaner verteidigen hauchdünn die Spitzenposition in China. Im Jahresvergleich hat GM um elf Prozent zugelegt.
Einmal pro Quartal erstellen die Wirtschaftsprüfer von Ernst&Young ein Ranking der größten Autokonzerne nach Absatz. Wie die Autohersteller in China abgeschnitten haben. (Daten: Gesamtjahr 2012)
Den ersten Erfolg hat die aktuell 2200 Mann starke Qoros-Truppe bereits in der Tasche. Der Qoros Q3 holte beim europäischen Crashtest 5 Sterne. Seither beobachten auch die europäischen Automobilhersteller, was Steinwascher aus dem Boden stampft.
Der Großangriff auf den europäischen oder gar deutschen Markt ist für den Qoros-Chef noch kein Thema. In der Slowakei hat im November der erste und einzige Qoros-Händler auf nicht-asiatischem Bodens eröffnet. Das soll es vorerst gewesen sein: "Ich will meine Leute nicht in den Wahnsinn treiben", sagt Steinwascher, "wir müssen erstmal den chinesischen Markt bedienen. Und der ist groß". Ziemlich groß sogar. Mit derzeit 16.3 Millionen Neuwagen ist China der größte Automarkt weltweit. Bis 2025 - so die Prognose des CAR Center of Automotive Research der Uni Duisburg-Essen - sollen es 35 Millionen sein. China wird dann 30 Prozent des gesamten Welt-Neuwagen-Markts ausmachen.
Voll mit dem Internet vernetzt
Um seine Modelle an den Mann zu bekommen, hat Steinwascher gerade einen Vertrag mit einem der größten Händler in China geschlossen. Anders als hierzulande hat ein Händler nicht eine, zwei, drei oder vier Marken im Angebot, sondern 60, 70 oder 80. Bis Jahresende will Steinwascher bei 100 bis 150 Händlern stehen. Zurzeit fertigt Qoros 50 bis 100 Autos am Tag. Das Werk hat eine jährliche Kapazität von 150.000 Stück. Sollte es die Nachfrage nötig machen, lässt sich die Anlage schnell erweitert, so dass bis zu 350.000 Modelle vom Band rollen können.
Qoros setzt auf eine europäische-angehauchtes Design. Der Geschmack der Chinesen entwickle sich immer mehr in die europäische Richtung, so seine Beobachtung. Zudem seien die Chinesen deutlich flexibler beim Kauf eines Fahrzeugs: "Die sehen etwas, finden es gut und kaufen es." Amerikaner seien da ganz anders. "Die sehen ein Schrägheck, denken, der Kofferraum ist zu klein und finden es unpraktisch".
Einstellung der Deutschen zu chinesischen Autos
Das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen YouGov hat Anfang März 2013 eine Stichprobe von 1033 Deutschen über 18 Jahre nach ihrer Meinung zu chinesischen Automarken befragt. Die Ergebnisse im Detail...
Frage: "Mit „Qoros“ versucht sich eine chinesische Automarke auf dem europäischen Markt zu etablieren. Die neuen Modelle feiern beim Genfer Autosalon nächste Woche Premiere. Könnten Sie sich vorstellen ein Auto einer chinesischen Automarke zu kaufen?"
23 Prozent der Befragten antworteten mit "JA"
52 Prozent mit "NEIN"
25 Prozent konnten sich nicht entscheiden.
Männer lehnten den Kauf stärker ab als Frauen. In der Altersgruppe der 25 bis 34-Jährigen würden sich mit 27% noch am meisten für ein chinesisches Model begeistern lassen.
Frage: "Was glauben Sie? In welchen Aspekten unterscheidet sich eine chinesische von einer deutschen Automarke? Eine chinesische Automarke ist..."
... billiger - davon gehen 76 Prozent der Befragten aus.
... von schlechterer Qualität - davon gehen 48 Prozent der Befragten aus.
Fazit: Eine große Mehrheit der Befragten halten chinesische Automarken für eine preisgünstige Alternative zu deutschen Fabrikaten. In puncto Qualität der chinesischen Modelle sind die Bürger zwar kritisch, doch immerhin ein Drittel hält deren Qualität weder für besser noch schlechter als die der deutsche Marken.
Was sich im Fahrzeuginneren befindet, könnte aber auch die europäische Kundschaft locken. Alle Qoros-Modelle sind mit einem großen Touchscreen ausgestattet. Ab dem Basismodell aufwärts ist jeder Wagen serienmäßig mit Navigationssystem ausgestattet und mit dem Internet verbunden. Restaurantadressen in der Nähe, Tischreservierungen aus dem Auto heraus, Staudaten aufs iPhone, sogar Informationen über Sehenswürdigkeiten entlang der geplanten Route liefert das voll vernetzte Auto. Letzteres dank einer Kooperation mit National Geographic.
Steinwascher gibt sich zuversichtlich: "Wir glauben, dass wir das etwas ganz besonderes haben." Jetzt müssen nur noch die Chinesen der gleichen Meinung sein. Und ob sie sich für eine chinesische Marke entscheiden, ist nicht gesagt. Bisher haben die inländischer Hersteller bei der Bevölkerung ein genauso schlechtes Image wie außerhalb des Landes. "Wie groß der Nationalstolz der Chinesen beim Autokauf reicht, kann ich noch nicht richtig beurteilen", gibt Steinwascher zu.
Kürzlich aber, gibt er eine Anekdote zum besten, habe die First Lady auf einem Staatsempfang eine chinesischen Handtasche getragen. Das hatte man bisher nicht für möglich gehalten, wo sonst doch Prada, Fendi und Gucci ganz oben auf der Liste stehen. Der chinesische Taschenhersteller konnte sich danach vor Aufträgen nicht mehr retten.
Die Chancen, dass Regierungsmitglieder in Sachen Qoros mit gutem Beispiel vorausfahren ist groß. Man habe Verträge mit Regionalregierungen, erzählt Steinwascher. "Die Unterstützung durch die Politik ist durchaus hilfreich."