Mobilfunk-Patente Gerichtsentscheid: Verkaufsverbot für Ford in Deutschland

Quelle: imago images

Bald dürfen in Deutschland keine Ford-Autos mehr verkauft werden – entscheidet ein Richter am Münchner Landgericht. Die bei Händlern stehenden Autos sollen sogar zerstört werden – außer der US-Autokonzern nimmt eine Mobilfunklizenz.

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Das Landgericht München hat gegen den amerikanischen Autohersteller Ford ein deutschlandweites Verkaufs- und Produktionsverbot verhängt. In den Autos der Marke Ford sind Mobilfunkchips eingebaut, für die der Konzern keine Lizenzgebühren zahlt. Insgesamt wird Ford von acht Inhabern von Patenten aus dem Mobilfunk verklagt, die für den 4G-Standard essenziell sind. Vor dem Münchner Gericht setzte sich als Kläger der nationale japanische Patentverwerter IP Bridge durch.

„Anlass dieses Gerichtsverfahrens ist die Lizenzierung standardessentieller Patente für LTE-Netzwerke“, nimmt die Pressestelle von Ford in Köln Stellung. „Da uns die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, wollen wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht dazu äußern.“ Am Ende der mündlichen Verhandlung am 19.5. verkündete Richter Matthias Zigann ein sogenanntes Stuhlurteil, die schriftliche Ausfertigung folgt.

Damit das Urteil vollstreckt wird, muss IP Bridge bei Gericht eine Sicherheitsleistung von 227 Millionen Euro hinterlegen. Das Urteil könnte – wie üblich – in ein bis zwei Wochen vollstreckt werden, wenn sich der Autohersteller nicht noch mit dem Kläger einigt. Das Urteil ist anfechtbar. 2021 verkaufte Ford in Deutschland als siebtgrößter Hersteller 126.400 Autos. Es geht also um Umsatz in Millionenhöhe. Das Urteil von Richter Matthias Zigann sieht sogar den Rückruf aller Autos von den Händlern und ihre Vernichtung vor.

In den sogenannten Connected-Car-Prozessen setzen die Mobilfunk-Patentinhaber die Autohersteller zunehmend unter Druck, für die Nutzung der Mobilfunktechnologie Lizenzgebühren zu bezahlen. Die Chips müssen per Gesetz wegen des E-Calls in jedes Auto eingebaut werden, übernehmen verstärkt aber auch Entertainment- und Navigationsfunktionen.


Daimler drohte in einem ähnlichen Verfahren im zweiten Halbjahr 2020 die Stilllegung der Produktion. Gegen den Mercedes-Hersteller wurden gleich vier Untersagungsurteile gesprochen - drei in München und eines in Mannheim. Der Mobilfunkkonzern Nokia, Sharp und der Verwerter Conversant hatten ihn auf Patentverletzung verklagt.

VW wurde von IP Bridge mit demselben Patent in München verklagt. Die Wolfsburger aber warteten eine Gerichtsentscheidung erst gar nicht ab. Sie nahmen zügig eine Lizenz von der Patentlizenzplattform Avanci, die die Patente von 48 Patentbesitzern umfasst, unter anderem auch die von IP Bridge.

Der amerikanische Autokonzern GM nahm jüngst sogar eine Lizenz von Avanci, ohne dass vorher auf gerichtlichem Wege Druck aufgebaut worden war.

Zahnlose Patentrechtsreform

Es handelt sich um das erste Urteil gegen einen Autokonzern seit Inkrafttreten der Patentrechtsreform im vergangenen Sommer. „Die sogenannte Patentrechtsreform vom letzten Sommer hat wieder einmal keine Rolle gespielt“, sagt der Münchner Patentrechtsexperte Florian Müller. „Knapp ein Jahr nach der entscheidenden Bundestagsabstimmung hat sie den Autoherstellern und anderen Unternehmen wie der Deutschen Telekom, die ebenfalls dafür eintraten, nichts gebracht.“

Mit der Reform sollten übergriffige Urteile, bei denen zum Beispiel eine komplette Fertigungsanlage wegen eines kleinen eingebauten Chips lahmgelegt wird, verhindert werden. Das deutsche Patentrecht gilt als so scharfe Waffe, dass immer mehr internationale Firmen sich vor deutschen Patentkammern wegen Verletzungen ihrer Patente beklagen. Nirgends sonst lässt sich so gut Druck gegen Wettbewerber und Patentverletzer aufbauen wie hierzulande.

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Das Münchner Landgericht hat sich in Patentfällen unter dem Vorsitz des Richters Matthias Zigann einen besonderen Ruf für schnelle, harte Urteile erarbeitet. Für Furore sorgte sein Urteil gegen Apple mitten im Weihnachtsgeschäft 2018 – der durfte wegen Patentverletzungen gleich zwei Smartphone-Modelle in Deutschland nicht weiter verkaufen. Qualcomm hatte damals 670 Millionen Euro als Sicherheitsleistung hinterlegt.

Das Urteil gegen Ford ist noch nicht rechtskräftig, der Autohersteller kann dagegen noch in Berufung gehen. Das Urteil kann aber vom japanischen Kläger IP Bridge gegen eine Sicherheitsleistung von 227 Millionen Euro vollstreckt werden, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Ford teilte mit, dass Anlass dieses Gerichtsverfahrens die Lizenzierung standardessentieller Patente für LTE-Netzwerke sei. „Da uns die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, wollen wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht dazu äußern,“ hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens.

Die mögliche Zerstörung betroffener Autos von Ford wird inzwischen in der Öffentlichkeit heiß diskutiert. Patentrechtsexperte Müller glaubt nicht, das es zu einer Zerstörung neuer Fahrzeuge kommen wird. „Ich denke, dass selbst im Fall einer Vollstreckung keine kompletten Autos geschrottet würden. Man würde die Mobilfunktechnik ausbauen und diese schrotten. Wo man dann die ganzen unverkäuflichen Autos zwischenlagern würde, ist eine andere Frage.“

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