Mobilfunklizenzen Daimler kauft 4G-Lizenzrechte von Mobilfunk-Pool Avanci

Daimler kauft die Rechte vom Mobilfunklizenz-Pool Avanci, der die Patente von 47 Unternehmen, die zur Schaffung des Mobilfunkstandards beitragen, vergibt. Quelle: dpa

Im Streit um den Einsatz von Chips im Auto hat Daimler eingelenkt. Der Autohersteller kauft künftig die Rechte des Lizenz-Pools Avanci, der 47 Unternehmen vertritt. Die Vereinbarung setzt einen Autobauer unter Zugzwang: VW.

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Daimler zauderte, zögerte und zeterte. Doch selbst das Anheuern einer der teuersten Anwaltskanzleien der Welt  – Quinn Emmanuel - konnte offenbar nicht verhindern, dass die Stuttgarter beim Thema Patente nun strategisch umschwenken. Der deutsche Autokonzern Daimler nimmt eine Lizenz des Verwertungspools Avanci. „Ich freue mich, dass Daimler eine Lizenz mit Avanci abgeschlossen hat“, sagt Avanci-Sprecher Mark Durrant. Nach seinen Angaben umfasst der Vertrag auch 4G-Lizenzen.

Daimler war von Nokia zuvor wegen Patentverletzung verklagt worden. Der Premium-Automobilkonzern lässt seine Autos zunehmend auch über die Mobilfunknetze kommunizieren. Deshalb werden Lizenzen auf so genannte standardessentielle Mobilfunkpatente nötig. Nokia drohte per Gericht mit einer Stilllegung der Produktion von Daimler. Deshalb sah Daimler sich gezwungen, höheren Gebühren zuzustimmen als sie selbst anfangs für gerechtfertigt hielten.

Der Vergleich mit Nokia, eine Lizenz zu deren Konditionen zu nehmen, gab Klägern wie Sharp und Conversant Aufwind – auch von ihnen nahm Daimler schließlich Lizenzen. Noch ist eine Klage von IP Bridge, dem Lizenzverwerter des japanischen Staats, anhängig, aber sie dürfte bald geklärt sein, heißt es in Branchenkreisen. Neben Nokia, Sharp, Conversant und IP Bridge sind auch Siemens und die Deutsche Telekom im Avanci-Pool vertreten. Statt für jede Lizenz einen Rechtsstreit einzugehen und gesonderte Verhandlungen zu führen, machte es für Daimler schließlich Sinn, die Lizenzen ein für alle Mal aus dem Pool zu erwerben.

Grund dafür ist auch die steigende Bedeutung von Mobilfunkpatenten im Auto. „Wir haben uns aus unternehmerischen Gründen im Hinblick auf die 5G-Lizenzen für eine Vereinbarung mit Avanci entschieden“, sagte Daimler-Sprecherin Silke Mockert auf Anfrage der WirtschaftsWoche. „So können wir die Lizenzbedingungen für 5G für einen zukünftigen Pool mitgestalten.“ Die Lizenzierung von standardessentiellen Patenten (SEP) werfe viele Fragen auf, viele davon seien von der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber noch nicht hinreichend geklärt: „Die Anwendung von standardessentiellen Patenten hat eine große Bedeutung für künftige Technologien, weit über die Automobilindustrie hinaus. Auch daher sind wir daran interessiert, dass der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen für SEP-Lizensierungen festlegt.“

Das Einknicken von Daimler dürfte einen anderen deutschen Autobauer unter Zugzwang setzen: Volkswagen. Der Autokonzern wurde vergangene Woche vom taiwanischen Computerhersteller Acer auf Patentverletzung verklagt. Der deutsche Konzern zahle nur für 2G und 3G-Lizenzen, verbaue aber in seiner Flotte 4G-Chips, wirft Acer den Wolfsburgern vor. Auch Acer ist Teil des Avanci-Pools. Experten erwarten, dass nach Acer auch andere Pool-Teilnehmer Klagen gegen VW erheben werden. Das kollektive Ziel: Ein scheibchenweises Weichkochen soll VW zum Abschluss einer Avanci-Lizenz bewegen.

VW habe keine guten Karten in einem Prozess vor einer amerikanischen Jury, sagen Branchenbeobachter. Die Erinnerung an den Diesel-Betrug sei noch zu frisch, als dass Juroren Volkswagen seine Rolle als Opfer von Patenttrollen abnehmen würden. Gerade weil das Unternehmen bereits für seine Premium-Modelle etwa bei Audi 4G-Lizenzen von Avanci einsetze, sei der Argumentationsspielraum, warum es das für seine Massenautos nicht auch tun sollte, begrenzt.

„Grundsätzlich kommentieren wir keine Rechtsstreitigkeiten, bei denen wir keine Partei sind“, sagt Durrant, „aber Volkswagens rechtlicher Disput mit Acer kann noch beigelegt werden, indem Volkswagen eine Avanci-4G-Lizenz nimmt. Unsere Vision, Patentlizensierungen zu erleichtern, hat bereits dazu geführt, dass 26 Automarken bei unserem One-Stop-Shop einkaufen.“ Eine Lizenz für 15 Dollar pro Auto decke tausende von Patenten von 47 Unternehmen für 2G, 3G und 4G ab - und zwar für die Lebensdauer eines Autos.

Mehr zum Thema: Computerhersteller Acer verklagt den Autokonzern VW wegen Verletzung seiner Mobilfunkpatente. Diese Klage könnte einen Dominoeffekt auslösen und den VW-Konzern ultimativ zur Zahlung von mehreren hundert Millionen Euro zwingen – jährlich.

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