Model 3 Teslas Angriff mit Kampfpreis und Autopilot

In Los Angeles hat Tesla-Chef Elon Musk seine Mittelklasse-Limousine Tesla 3 präsentiert – mit einer Reichweite, die für den verlangten Preis bislang einmalig ist.

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Tesla-Präsentation des Model 3 Quelle: AP

Getreu seines Rufs ist Elon Musk mal wieder bis aufs Letzte gegangen. Lange gab es Zweifel, ob der Chef von Tesla Motors tatsächlich wie versprochen im ersten Quartal 2016 seine elektrische Mittelklasse-Limousine Tesla 3 präsentieren würde. Sie soll den chronisch defizitären Autohersteller langfristig in die Gewinnzone steuern und dabei seinen Reichweiten-Vorsprung gegenüber der Konkurrenz ausspielen.

Drei Stunden vor Ablauf der Frist - in Deutschland hat der erste April bereits begonnen und damit das zweite Quartal des Jahres - erscheint Musk ganz in schwarz gekleidet auf der Bühne im Tesla Design Studio in Los Angeles. Angekündigt von Tesla-Chefdesigner Franz von Holzhausen, der ihn mit einem High Five begrüßt. „Wir haben ein großartiges Produkt heute Abend, es wird euch umhauen“, verspricht Musk und redet dann über die Mission von Tesla, den Transport umweltfreundlicher zu machen, warnt vor der Erderwärmung und von den Autoabgasen, die laut einer Studie der Elite-Uni MIT allein in den USA jedes Jahr für den Tod von 53.000 Menschen verantwortlich sein sollen.

Die Menge vor ihm ist schon aufgeheizt. Seit anderthalb Stunden werden Cocktails gereicht, Tequila, Grey Goose Wodka und Häppchen. Das Publikum besteht vor allem aus Tesla-Kunden, die einen Tesla S oder den Geländewagen Model X besitzen. Unter ihnen wurde das Gros der Eintrittskarten für die historische Veranstaltung ausgelost.

Die Tesla-Chronik

Es sind enthusiastische Botschafter für Tesla, viele sind in Fanklubs organisiert. Ihr Ausweis ist die Fahrgestellnummer ihres Gefährts, je niedriger desto besser. Musk ist ihr Superstar. So wie früher Steve Jobs bei Apple. Nur dass Musk an diesem Abend im Gegensatz zum heutigen Apple tatsächlich etwas richtig Innovatives präsentiert: Eine Mittelklasse-Limousine mit Elektroantrieb, die mindestens 344 Kilometer Reichweite offeriert, in unter sechs Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen kann und fünf Erwachsenen Platz bietet.

Und die tatsächlich – wie Musk seit Jahren immer wieder beteuert hat – ab 35.000 Dollar angeboten wird und damit rund die Hälfte der aktuellen Modelle, der Limousine Tesla S und dem Sportwagen Tesla X, kostet. Zumindest in den USA wird der Wagen dank staatlicher Förderung, die sich in Kalifornien auf bis zu 10.000 Dollar summiert, noch günstiger sein.

Eine Reichweite zu diesem Preis ist bislang einzigartig. Vor allem wird – und nun bricht richtig großes Gejohle in der Menge aus – selbst die Grundversion des Tesla 3 mit Autopilot ausgerüstet sein, sich also selber steuern können, mit dem Fahrer als Aufsicht.

Einen Platz auf der Warteliste gibt es für 1000 Dollar Anzahlung

Auch damit ist Musk der Konkurrenz weit voraus. Was er bei der Präsentation unterschlägt – der Tesla 3 ist zwar mit der Hardware für einen Autopiloten ausgestattet. Doch dessen Aktivierung wird zumindest in der Basis-Version extra kosten. Entschieden ist dies allerdings noch nicht.

Auch der Schnell-Ladeadapter ist serienmäßig. Musk verspricht kostenfreien Zugriff auf sein Supercharger-Netz, das bis Ende nächstens Jahres auf 7200 Stationen weltweit verdoppelt wird.

Die ersten Modelle werden erst Ende nächsten Jahres ausgeliefert. Bevorzugt an Kunden, die bereits einen Tesla besitzen und sich einen Zweitwagen für die Familie zulegen wollen. „Ich bin da ganz zuversichtlich“, scherzt Musk über seinen Ruf, Produkte stets etwas später auszuliefern als angekündigt.

Was Tesla seit 2003 auf die Räder gestellt hat
"Model 3" Quelle: REUTERS
2003: Der BeginnZwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen das Konzept eines Elektrofahrzeugs, das die Massen mobilisieren soll – Tesla wird geboren. Basis bildet der tzero von AC Propulsion. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt. Quelle: Presse
2006: Premiere des RoadsterDrei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 292 PS starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht. Der Roadster, zu jener Zeit das erste autobahntaugliche rein elektrische Serienfahrzeug, kam mit einer Akkuladung bis zu 340 Kilometer weit. Dank des enormen Drehmoments der Elektromotoren war der Roadster zudem in der Lage, konventionelle Sportwagen wie Ferrari und Porsche an der Ampel in die Schranken zu weisen. Die Kleinserienproduktion begann nach mehreren Verzögerungen am 17. März 2008. Quelle: tmn
2007: Eberhard gehtIm August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit mit Elon Musk (Bild) fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann. Quelle: REUTERS
2009: Der Einstieg der KonzerneMusks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Das Unternehmen schreibt weiterhin Millionenverluste. Im Januar 2010 erhält Tesla vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung. Quelle: REUTERS
2009: Premiere des Model SLange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Bis das Model S in den Verkauf kommt, vergehen aber noch drei Jahre. Quelle: imago images
2010: Der IPOMusk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektroautohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat. Quelle: REUTERS

Einen Platz auf der Warteliste gibt es für 1000 Dollar Anzahlung, Hunderte stellten sich dafür auf der ganzen Welt vor den Tesla Schauräumen dafür an. „115.000 Fahrzeuge sind bereits bestellt“, jubelt Musk. Auf der Bühne hinter ihm tickt ein Counter, anderthalb Stunden nach Musk Rede bereits die Marke von 140.000 Vorbestellungen überschritten hat. Damit hat Tesla gerade mal so eben 140 Millionen Dollar eingesammelt, für ein blind bestelltes Auto.

Wie bei Apple spaltet dieser Enthusiasmus die Gemüter. Unbeirrbare Gläubiger, die beim Tritt aufs Strompedal ihr grünes Karma kräftigen, kollidieren mit emotionsspeienden Skeptikern, die über Reichweite, Preis und Herkunft des Stroms nörgeln.

In den USA hängt die Eile auch damit zusammen, dass die bundesweite Steuergutschrift von 7500 Dollar wegfällt, wenn Tesla die Marke von 200.000 Fahrzeugen im US-Markt überschreitet. Bislang hat Tesla weltweit rund 100.000 seiner Elektrolimousinen ausgeliefert, das Gros davon an Käufer in den USA.

Fürs Jahr 2018, so schätzen Analysten, ist eine Produktion von 50.000 Tesla 3 angepeilt. Danach soll die Fertigung rasant ausgebaut werden. Im Jahr 2020 soll das Werk im Silicon Valley bereits insgesamt eine halbe Million Teslas produzieren, davon mindestens 250.000 Tesla 3 Modelle. Die fünf Milliarden teure Batteriefabrik von Tesla und Panasonic in Nevada wäre dann voll ausgelastet. In Europa hilft ein Werk im niederländischen Tilburg bei der Montage der Teslas, die Teile dafür kommen aus dem kalifornischen Stammwerk.

Es ist ein ehrgeiziger Plan. Im vergangenen Jahr lieferte Tesla rund 50.000 Fahrzeuge aus, 20.000 mehr als im Jahr zuvor. Morgan Stanley Analyst Adam Jones ist jedoch skeptisch. Er glaubt nicht, dass Tesla das Tempo halten kann. Er geht davon aus, dass Tesla im Jahr 2020 die Marke von 250.000 Fahrzeugen nicht überschreiten wird. 

Mehr Teslas bringen eine Schwierigkeit mit sich

Mit dem Tesla 3 verwirklicht Musk sein lange proklamiertes Vorhaben, von der Nische aus in den Massenmarkt vorzudringen. Mit einem Absatz von 500.000 Fahrzeugen im Jahr 2020 würde Tesla die Liga von Volvo erreichen, schätzt Klaus Schmitz, Partner bei der Strategieberatung Arthur D. Little.

Höhere Stückzahlen bringen Einkaufsvorteile bei den Komponenten und ein besseres Auslasten des Vertriebsnetzes. Mit drei Modellen, die in einer Fabrik gefertigt werden, lässt sich die Nachfrage besser steuern. Wenn der Bedarf bei den Luxus-Versionen schwächelt, kann die Produktion der Einstiegsmodelle erhöht werden oder umgekehrt. Vor allem kann Tesla seinen Vorsprung bei den Preisen für Batteriepacks ausspielen. Je mehr von ihnen in seinen Autos verbaut werden, umso mehr Spielraum hat das Unternehmen bei den Produktionskosten, vor allem mit einer eigenen Batteriefabrik im Rücken. Mit diesem Mix wären dann endlich Gewinne möglich, vor allem mit dem Model S und X.

So will Tesla den Massenmarkt elektrisieren
Tesla-CEO Elon Musk stellt das Model 3 vor Quelle: AP
Das Model 3 feierte seine Premiere im Tesla Motors Design Studio im kalifornischen Hawthorne. Quelle: AP
Tesla Model 3 Quelle: PR
Tesla Model 3 Quelle: PR
Einige Kunden warteten schon einen Tag vor der Präsentation vor den firmeneigenen Shops: Quelle: dpa
Tesla Model 3 Quelle: PR
Elon Musk im Jahr 2010 anlässlich des Tesla-Börsengangs an die Nasdaq Quelle: AP

Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es – wie bei allen Musk Unternehmungen – viele Risiken. Für den Ausbau der Produktion sind weitere milliardenschwere Investitionen nötig. In der Vergangenheit half die Auto -und Finanzkrise von 2008, die Tesla ein ehemaliges Werk von Toyota sowie Fertigungsmaschinen zum Schnäppchenpreis bescherte. Tesla bleibt zwar Wachstumsunternehmen. Doch bis heute hat das mittlerweile 13 Jahre alte Unternehmen niemals Profit geschrieben. Allein im vergangenen Jahr fielen rund 900 Millionen Dollar Verlust an, seit Gründung insgesamt rund 2,5 Milliarden Dollar. Musk selber sieht keine Gewinne vor 2020.

Es ist nicht nur die Fertigung, in die weiter investiert werden muss. Je mehr Teslas auf die Straße kommen, umso rascher muss das Netz der öffentlichen Ladestationen erweitert werden. Denn Tesla spricht mit dem Model 3 eine Käuferschicht an, so Experte Schmitz, bei der die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass sie über ein Eigenheim mit eigener Ladestation verfügen. Im Gegensatz zu den Abnehmern der Luxusmodelle S und X. Wegen der geringeren Reichweite müssten die Model 3 Fahrzeuge öfter an die Ladestation. Im Silicon Valley gibt es schon heute bei Unternehmen wie Google oder Facebook ein Gerangel um die Ladestationen auf dem Firmengelände.

Gleichzeitig muss Musk den Spagat vollführen, auch mit günstigeren Einstiegsmodellen den Nimbus einer innovativen Edelmarke weiter zu pflegen. Beispielsweise indem Tesla aggressiver als Wettbewerber Systeme einführt, die das Fahren erleichtern bis hin zum selbstfahrenden Modus.

Die größte Gefahr für Musk

Das könnte entscheidend sein im Wettbewerb des Tesla 3 mit dem Chevrolet Bolt von General Motors, der ähnliche Reichweiten bieten soll, aber keinen Markenglanz. BMW kann zwar mit der Marke punkten. Aber auch die neue Version seines Stromers i3, die für die zweite Jahreshälfte versprochen ist, wird wahrscheinlich nur 230 Kilometer mit einer Akkuladung erlauben. Der e-Golf von VW kostet ähnlich viel wie der Tesla 3, offeriert jedoch nur 190 Kilometer Reichweite.

Die größte Gefahr für Musk lauert jedoch darin, dass eine neue Batterietechnologie entwickelt wird, die Lithium-Ionen überlegen ist. Sie müsste noch nicht mal unbedingt günstiger sein. Eine verkürzte Ladezeit würde schon ausreichen. Daimler Entwicklungsvorstand Thomas Weber meint, dass sich – zumindest bei der Lithium-Ionen-Technologie – bei den großen Batterien die Ladezeiten nicht unter 20 Minuten drücken lassen. Deshalb unterstützt Daimler weiterhin die Brennstoffzelle, in der sich ein Auto innerhalb von vier Minuten volltanken lässt.

Zwar könnte Tesla auch auf eine neue Technologie umschwenken, auch wenn man mit der eigenen Fabrik auf Lithium-Ionen setzt. Doch der Vorteil, eine große Reichweite zu vertretbaren Kosten zu offerieren, wäre dahin.

Elon Musk feiert seinen neuen Wagen
Ein Auftritt im Apple-Stil: Tesla-Chef Elon Musk präsentiert das erste komplett strombetriebene SUV „Model X“ unter Jubel-Rufen. Quelle: Stefan Hajek
Dass Elektro-Auto, das auch noch mit massiver Verspätung auf den Markt kommt, mal so gefeiert wird, hätten sich lange nur wenige Branchenkenner träumen lassen. Quelle: Stefan Hajek
Der Stadt-Geländewagen hat sieben Sitze in drei Reihen. Quelle: REUTERS
Platz genug für die ganze Familie, wie eine Live-Demonstration beweist. Die familienfreundliche Ausstattung soll auch Frauen stärker ansprechen. Quelle: Stefan Hajek
Optisches Highlight: Die nach oben öffnende Flügeltüren. Die sollen vor allem in engen Parklücken hilfreich sein. Quelle: REUTERS
Nachteil des Falken-Türen-Konzepts: Platz für einen Dachgepäckträger ist nicht. Dafür bietet Tesla allerdings diese zusätzliche Alternative an. Quelle: PR
Das Model X soll ähnlich viel Fahrspaß bereiten wie die E-Limousine Model S. Quelle: REUTERS

Nervenschonender für Musk wäre es sicherlich gewesen, sich auf die Nische als Hersteller von elektrischen Luxusmodellen zu spezialisieren, wo der Preis nur eine untergeordnete Rolle spielt. Aber der Unternehmer liebt den Kitzel. Zudem könnte er aus der Nische heraus nicht die Welt verändern. Und ein Wachstumsunternehmen wäre Tesla dann auch nicht mehr, was das Beschaffen von Kapital an der Börse erschweren würde.

„Das Unmögliche zu versuchen, liegt in der DNA von Tesla, die können nicht anders“, meint Berater Schmitz. Manchmal ist das ja auch der richtige Weg. „Noch vor ein paar Jahren hätten die meisten Experten verneint, dass ein Newcomer aus dem Stand eine Autoproduktion hochziehen kann“, sagt Schmitz.

 

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