Moia-Chef Ole Harms Was VW mit Moia vorhat

Moia-Chef Ole Harms. Quelle: Volkswagen

VW spielt bei modernen Fahrdienstleistungen per App nur eine untergeordnete Rolle. Das soll sich ändern: Im Interview erklärt Ole Harms, wie er mit der neuen Marke Moia einen Mobilitätsdienstleister aufbauen will.

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Die Autobranche hat sich dem Wandel verschrieben. Elektroantriebe, selbstfahrende Autos, die zunehmende Vernetzung und die Urbanisierung rütteln an den Geschäftsmodellen. Gerade in Großstädten wollen immer weniger Menschen ein eigenes Auto besitzen – obwohl sie gerne eines fahren. Die Autobauer wollen dieses Feld nicht neuen Unternehmen wie Uber und Lyft überlassen – BMW hat DriveNow, Daimler Car2Go und MyTaxi.

Volkswagen hingegen spielt bei modernen Fahrdienstleistungen per App bislang nur eine untergeordnete Rolle. Das soll sich ändern: Ende 2016 haben die Wolfsburger das neue Tochterunternehmen Moia als 13. Konzernmarke gegründet. Moia ist weder Autobauer noch reiner Carsharing-Anbieter. Bis 2025 soll daraus einer der weltweit führenden Mobilitätsdienstleister entstehen.

Im Interview spricht Moia-Chef Ole Harms über die geplanten Dienste, profitable Geschäftsmodelle und das große Ziel, die Mobilität von Menschen im urbanen Raum neu zu definieren.

Zur Person

WirtschaftsWoche Online: Herr Harms, Deutschland sieht sich oft als Nabel der Auto-Welt. Macht es das schwieriger oder einfacher, Mobilitätsdienste von Deutschland aus zu etablieren?
Ole Harms: Interessante Frage. Unsere Stärke liegt in der Kombination: Wenn man das, was die Automobilindustrie in Deutschland und die Volkswagen-Gruppe im Speziellen extrem gut können – sehr gute Autos bauen und das global skalieren – mit der Tech- und Serviceseite kombiniert, dann ist das eine ganz spannende Geschichte. Die Industrie steht vor einem massiven Wandel. Der Nabel der Auto-Welt zu sein, ist für uns nicht wichtig – sondern aus der Kombination das Beste herauszuholen.

Sie wollen im kommenden Jahr mit Moia in zwei europäischen Städten starten. Welche Städte werden das sein und welche Dienste werden Sie dort anbieten?
Wir werden dieses Jahr schon mit Pilotprojekten anfangen. Der richtige Launch wird dann mit unserem eigenen Fahrzeug, dem neuen Moia Shuttle, sein. Das Moia-Shuttle wird ein eigens für unsere Zwecke produziertes vollelektrisches Fahrzeug sein. Bis das auf die Straße kommt, dauert es aber noch ein bisschen. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass wir zum Start eine einwandfrei funktionierende App und die ganzen Algorithmen dahinter brauchen. Wir sind ja erst zum 1. Januar 2017 aktiv gestartet – etwas Zeit brauchen wir also noch. Die Städte nennen wir derzeit noch nicht.

Die wichtigsten Begriffe der neuen Mobilitätsdienste

Wie kann man sich das Shuttle vorstellen?
Wir entwickeln ein eigenes Fahrzeug, im Prinzip ein vollvernetzter Van mit Elektro-Antrieb. Dieser steht nicht wie ein Carsharing-Auto am Straßenrand, sondern ist die ganze Zeit mit einem festen Fahrer unterwegs. Bei dem Service wollen wir Leute auf ähnlichen Routen zusammen bringen. Mit der On-demand-Buchung müssen sie nicht zu festen Zeiten an einer Haltestelle warten, sondern die App zeigt dem Kunden den nächsten Haltepunkt eines Shuttles auf einer passenden Route zum eigenen Ziel an. Man steigt zu und nimmt unterwegs weitere Fahrgäste mit. Durch das Pooling wird die Fahrt deutlich günstiger als mit einem Taxi.

Und neben dem Shuttle-Angebot?
Wir konzentrieren uns auf zwei Bereiche. Zum einen das Ride-Hailing, also Fahrdienstleistungen auf Abruf. Hier sind wir bereits eine erste Partnerschaft mit Gett eingegangen, um uns weltweit eine Präsenz in diesem spezifischen Markt aufzubauen. Zum anderen eben unsere On-demand-Shuttles.

Wie wird der Kunde mit Moia in Kontakt kommen? Wird er eine Moia-App auf dem Smartphone haben oder eine von VW, Skoda oder Audi, die auf Moia-Technik basiert?
Moia wird mit einer eigenen Marke direkt den Kunden ansprechen. Moia soll einer der relevanten Spieler in der Mobilitätsbranche werden. Unser Ziel ist die Moia-App zu etablieren, um die On-demand-Angebote zu buchen. Zu Anfang wird es das Shuttle sein, später kommen sicher weitere Angebote dazu. Die Marken des Konzerns entwickeln in ihren Ökosystemen eigene Angebote – da werden wir mit Sicherheit in Zukunft zusammenarbeiten.

„Es gibt kein 'One size fits all'“

Zurzeit beschränken sich die Mobilitätsdienstleistungen deutscher Autobauer vor allem auf das Carsharing. Die Free-Float-Konzepte funktionieren nur in wenigen Großstädten. In wie vielen deutschen Städten wollen Sie aktiv werden?
Mobilitätsangebote müssen immer für jede Stadt individuell entwickelt werden. Da gibt es kein „One size fits all“. Bei unseren On-demand-Angeboten geht es in erster Linie weniger um die Größe der Stadt, sondern um Kenngrößen wie die Bevölkerungsdichte, Mobilitätsströme und den Bedarf. Also um Fragen, wie kompakt sind die Zentren in einer Stadt? Wo wollen beispielsweise Pendler hin oder Menschen, die abends ausgehen?

Das klingt so, als ob es nur in wenigen Ballungszentren funktionieren kann.
Nicht unbedingt. Nachfrage entsteht aus den unterschiedlichsten Nutzungsfällen. Wenn wir feststellen, dass es in einer Stadt genügend Nachfrage für das Angebot gibt, lohnt es sich. Es ist ein Charakteristikum der Internet-Angebote, dass der Kunde „instant access“ will. Also muss das Shuttle in wenigen Minuten da sein. Das funktioniert aber nur, wenn es auch genügend Möglichkeiten gibt, andere Fahrgäste mitzunehmen. Pauschal kleine Städte auszuschließen, wäre aber falsch. Es hat nicht nur mit der Größe zu tun. In Deutschland gibt es sicher eine Menge Städte, in denen es funktionieren wird.

Warum nutzen Sie Carsharing?

Eine wichtige Eigenheit von Internetdiensten wie Netflix oder Spotify ist, dass die Kunden eine niedrige Zahlungsbereitschaft haben – am ehesten noch in einem günstigen Abo. Wie verdient man damit Geld?
Am Ende ist die Profitabilität, auf die Sie anspielen, eine Resultante aus der Auslastung. Was wir mit unseren Services erreichen wollen, ist Mobilität in Städten zu demokratisieren, also mehr Leuten Mobilität verfügbar machen. Und das geht über den Preis. Wenn es nichts kosten würde, würde die ganze Welt Taxi fahren. Die individuelle Fahrt von Haustür zu Haustür ist natürlich sehr bequem, aber das kann sich nicht jeder leisten. Deshalb wollen wir Angebote schaffen, die zwischen dem Taxi oder dem eigenen Auto und dem ÖPNV liegen – die Preise sollen aber näher am öffentlichen Nahverkehr sein. Um dann damit profitabel zu sein, brauchen wir die richtigen Algorithmen, um die notwendige Auslastung in den Fahrzeugen zu erreichen.

Wie lange gibt VW-Chef Matthias Müller Ihnen Zeit, bis Sie schwarze Zahlen schreiben müssen?
Wir wollen ein profitables Geschäftsfeld schaffen. Volkswagen hat ein langfristiges Bekenntnis zu Moia gegeben, deshalb liegt der Fokus nicht darauf, kurzfristig Geld verdienen zu müssen. Zu Beginn sind unsere KPI ganz andere, etwa Reichweite, Nutzerzahlen, Kundenzufriedenheit. Wir stehen vor großen Anfangsinvestitionen, das soll aber natürlich in einem funktionierenden Geschäftsmodell aufgehen. Eine Jahreszahl kann ich aber hier jetzt nicht nennen.

Sie sitzen nicht in Wolfsburg, sondern Berlin. Kann Berlin mit seiner viel gelobten Start-up-Szene Vorreiter für ganz Deutschland sein oder ist und bleibt es eine eigene Welt?
Wir sind nach Berlin gegangen, weil wir die urbane Mobilität verändern wollen. Berlin soll bis 2025 auf vier Millionen Einwohner wachsen, das war eigentlich für 2035 vorhergesagt. Man sieht dort täglich den Wandel und den Drang der Menschen in die Stadt. Das sollen auch unsere Mitarbeiter spüren, die unterschiedlichen Mobilitätsangebote nutzen und so Tag für Tag Erfahrungen sammeln. Der zweite Punkt: Berlin ist eine der wenigen richtig internationalen Großstädte in Europa. Wir haben den Anspruch, ein internationales Team aufzubauen – viele Mitarbeiter haben einen internationalen Hintergrund. Und die wollen auch in einer internationalen Stadt leben. Das ist der entscheidende Punkt für uns, nicht unbedingt die Start-up-Szene. Die entwickeln sich auch in Hamburg oder München.

„In acht Jahren kann sich viel ändern“

Uber ist das meistzitierte und am höchsten bewertete Unternehmen bei den Mobilitätsdiensten, aber mit seiner Start-up-Mentalität zuletzt in die Krise geraten. Wie wollen Sie das bei Moia verhindern?
Ich will nicht über den Wettbewerb reden. In der DNA, die wir für unsere Marke entwickelt haben, spielt der kollaborative Ansatz eine wichtige Rolle. Wir wollen mit den Stakeholdern in einer Stadt Angebote entwickeln, nicht gegen sie. Dazu gehören die Politik, die öffentlichen Transportunternehmen, aber auch die Taxifahrer und -betreiber. Wir brauchen für unsere Services auch Fahrer. Der Fahrer wird noch eine ganze Zeit am Steuer sitzen und einen sehr wichtigen Teil der Dienste übernehmen. Mit diesem Ansatz differenzieren wir uns sehr stark im Markt. Das merken wir auch, wenn wir mit Städten reden.

Wie sich Carsharing auf die Nutzung anderer Verkehrsmittel auswirkt

Sie sind ein Start-up in einem Weltkonzern. Wie viele Freiheiten haben Sie innerhalb von VW?
Wir haben mit dem Volkswagen-Vorstand entschieden, dass Moia ein eigenständiges Unternehmen ist. Wir haben unsere eigene Struktur und Systemverantwortung. Dennoch arbeiten wir eng mit dem Konzern zusammen. Die Art und Weise, wie Moia agiert, ist die eines Tech- und Service-Unternehmens in der Kombination mit der Gruppe. Der Mindset liegt aber auf dem Servicegedanken und weniger auf der Hardware.

Bis 2025 wollen Sie einer der führenden Mobilitätsdienstleister weltweit sein, so steht es in der VW-Konzernstrategie. Wie sehen Mobilitätsdienste im Jahr 2025 aus?
Wenn wir jetzt über 2025 reden, sind das sicher Dienste, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können. In acht Jahren kann sich viel ändern. Die Grundfeste bleiben aber gleich: Der Mobilitätsbedarf steigt und steigt und steigt. Gleichzeitig müssen wir die Zahl der Fahrzeuge in Städten verringern. Das geht nur, wenn Sharing und Pooling zunehmen. Wir müssen schauen, welche technologischen Möglichkeiten dazukommen, mit denen wir unseren Service noch besser und effizienter machen können.

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