Nach Erdgas-Auto-Explosion Betroffene drohen Mineralölkonzernen mit Klagen

Den Mineralölkonzernen droht juristischer Ärger nach der raschen Schließung fast aller Erdgas-Zapfsäulen in Folge des explodierten Erdgastanks an einer Tankstelle. Sichere Gas-Autos sollen ein neues Zertifikat bekommen.

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Nach dem schweren Unfall am vergangenen Freitag beim Betanken eines Erdgasautos im niedersächsischen Duderstadt, bei dem der Erdgastank eines VW Touran an einer Aral-Tankstelle explodierte und den Besitzer schwer verletzte, wies zunächst Marktführer Aral alle Tankstellenpächter an, vorerst kein CNG mehr abzugeben und die entsprechenden Zapfsäulen zu sperren. Kurz darauf zogen Esso, Shell, Jet und die meisten freien Tankstellen nach. Seitdem können Besitzer von Erdgas-Autos diese praktisch nicht mehr nutzen, es sei denn, sie verfügen über eine bivalente Bauart (mit Reserve-Benzintank).

Die Erdgasautos sind wegen des im Vergleich zu Benzin oder Diesel geringeren Spritpreises vor allem bei Handwerkern, Pflegediensten oder Stadtwerken als Busse und Lieferwagen beliebt.  Erste Betroffene überlegen nun, gegen die Mineralölkonzerne wegen der aus ihrer Sicht überzogenen Maßnahme zu klagen. Roland Schüren, Geschäftsführer der Bäckereikette Schüren Brot in Hilden, sagte der WirtschaftsWoche: „Durch die Umstellung auf Benzinbetrieb von acht Erdgas-Lieferautos entstehen uns monatliche Mehrkosten von knapp 1000 Euro“. Er überlege, gegen den Betreiber der örtlichen Erdgastankstellen zu klagen. „Betroffen von dem technischen Defekt, der in Duderstadt zur Explosion geführt hat, sind nur VW-Modelle“, so Schüren, er selber fahre ausschließlich Busse von Daimler, die keinerlei Sicherheitsrisiko darstellten.

VW-Rückrufaktion läuft seit Mai

Was genau die Explosion in Duderstadt ausgelöst hat, prüft derzeit die Staatsanwaltschaft, die sowohl den VW als auch die Zapfsäule beschlagnahmt hat.  Fakt ist, dass Volkswagen in insgesamt drei Schreiben seit Mai die Besitzer einiger Autos mit Erdgastank ausgefordert hat, deren Tanks umgehend umrüsten zu lassen. Hintergrund ist offenbar eine fehlerhafte Rostschutzlackierung der Gas-Tanks. Die korrodierten Stahlwände halten dem hohen Drücken von Erdgas (CNG) Tanks von bis zu 220 Bar nicht stand.

In Deutschland gibt es rund 100.000 CNG Autos; nicht zu verwechseln ist die Technik mit der viel weiter verbreiteten Flüssiggas (LPG)-Technik, die nur mit Drücken von 8 bis 10 Bar arbeitet. Betroffen sind laut VW die Modelljahre 2006 bis 2010 des Touran, 2009 und 2010 des Passat und 2006 bis 2010 des Caddy, weltweit 35.000 Fahrzeuge, davon 22.000 in Deutschland. Die Besitzer habe man bereits drei Mal aufgefordert, die Tanks tauschen zu lassen und bis dahin nur noch mit Benzin zu fahren, so VW-Sprecher Christian Buhlmann, zuletzt im August. 73 Prozent hätten dem inzwischen Folge geleistet. „Wir können zwar die Halter als Eigentümer der Autos zu nichts zwingen, aber es handelt sich um einen verpflichtenden, weil sicherheitsrelevanten Rückruf“, sagte Buhlmann der WirtschaftsWoche, „bei der nächsten Hauptuntersuchung wäre die Betriebserlaubnis der betroffenen Fahrzeuge erloschen.“  VW zufolge hatte auch der Besitzer des explodierten Touran bereits Kontakt mit seiner Werkstatt wegen des Rückrufs aufgenommen; warum der Tank noch nicht gewechselt wurde, prüfe man derzeit.

E-Mail von Shell.

Neues Zertifikat für sichere Gas-Autos?

Shell  verteidigt die Komplett-Sperre für alle Erdgasautos: „Wir müssen zunächst sicherstellen, dass weitere schwere Unfälle unmöglich sind; dem Tankstellenpersonal ist nicht zuzumuten, die betroffenen VW-Modelle von den nicht betroffenen Erdgasautos zu unterscheiden“, sagt eine Shell-Sprecherin der WirtschaftsWoche. Deswegen habe man alle Pächter „gebeten“, die CNG-Säulen bis auf weiteres zu sperren, „bis wir eine technisch und juristisch hundertprozentige Lösung haben“.

Es handele sich um eine „Bitte“ oder „Empfehlung“, letztlich obliege die Entscheidung dem Pächter, so die Shell-Sprecherin. Laut einer internen Mail, die der WirtschaftsWoche vorliegt, kommt die Bitte eher einer unmissverständlichen Aufforderung gleich; darin heißt es unter anderem, die Stilllegung der CNG-Säulen habe „unverzüglich“ zu erfolgen und: „Teilen Sie bitte ihrem Territory Manager schriftlich mit, wenn diese Absperrung erfolgt ist.“

Laut VW-Sprecher Buhlmann arbeite Volkswagen derzeit mit allen Mineralölkonzernen an einer Lösung. „Wahrscheinlich bekommen die Autos, deren Tanks schon getauscht wurden, eine eigene neue Plakette, die auch vom Tankstellenpersonal dann einwandfrei identifiziert werden kann.“

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