Nächstes Kapitel im Übernahme-Krimi Die dunklen Geheimnisse von VW und Porsche

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Jetzt wird neu ermittelt

Und dann die Demütigung: Ende April 2014 hielt das Landgericht Stuttgart seine Belege nicht mal für gut genug, um überhaupt einen Prozess zu eröffnen. Richter, der nach einer Fußverletzung auf Krücken durchs Büro schlich, schien keine Lust mehr auf seinen Job zu haben. Die Akte Porsche drohte geschlossen zu werden.

Das war Mitte August.

Kursentwicklung der VW-Stammaktie und des Branchenindex Stoxx Automobile um den Bilanzstichtag von Porsche herum

Inzwischen geht Richter wieder aufrecht durch die Gänge des Justizgebäudes. Die Krücken sind verschwunden, er strahlt Optimismus aus, einer der hartnäckigsten Staatsanwälte der Republik ist wieder obenauf. Den Stimmungswandel verursacht hat der besagte Beschluss des OLG Stuttgart vom 18. August. Es hält Richters Beweise immerhin für so gut, dass es das Landgericht nun zwingt, über die Anklage gegen Wiedeking und Härter zu verhandeln. Jetzt hat Richter sogar Lust, die Ermittlungen noch auszuweiten.

Bislang konzentrierte er sich auf die Frage, ob Porsche den Kurs der VW-Aktie von März bis Anfang Oktober 2008 manipulierte. Nun nimmt er auch den 26. Oktober unter die Lupe, den Tag der Pressemitteilung.

Am 2. September setzte Richter seine Unterschrift unter eine Verfügung, die für Wiedeking und Härter noch Folgen haben könnte: Die Staatsanwaltschaft leitet ein neues Ermittlungsverfahren zur Pressemitteilung ein. Sie prüft, ob Wiedeking und Härter die Optionsstrategie vorsätzlich unvollständig und damit irreführend dargestellt haben.

In der Pressemitteilung ist nur von Kaufoptionen (Calls) die Rede. Tatsächlich aber hatte Porsche auch Millionen von Verkaufsoptionen (Puts) begeben. Die Vermutung: Wenn Marktteilnehmer von denen gewusst hätten, hätten sie die Porsche-Strategie erkennen können und ihre eigenen Positionen nicht panisch aufgelöst. Die Porsche SE argumentiert, das Unternehmen sei nicht verpflichtet gewesen die Put-Optionen zu veröffentlichen.

Fest steht: Nach dem Kursverfall in den Tagen vor dem 26. Oktober wackelte der auf acht Optionsstrategien aufgebaute Übernahmeplan. Härter und Wiedeking gerieten gleich mehrfach unter Druck.

  • Wäre der VW-Kurs im Oktober 2008 von 210 auf 75 Euro gefallen, so wie es nach Auflösung aller Optionsgeschäfte Anfang 2010 passierte, hätte Porsche aus 60,9 Millionen Optionen 1,8 bis 3,7 Milliarden Euro verloren.
  • Hinzu kamen Risiken aus den rund 90 Millionen mit Kaufoptionen kombinierten Puts, die Porsche bei einem VW-Kurs von unter 120 Euro zu Ausgleichszahlungen an die kanadische Maple Bank verpflichtet hätten. Bei einem VW-Kurs von 75 Euro hätte der Betrag in die Milliarden gehen können. Die Porsche SE sagt dazu, es sei keine Kursentwicklung zu erwarten gewesen, „die für Porsche hätte gefährlich werden können“.
  • Porsche hatte zu den stimmberechtigten Stammaktien auch VW-Vorzugsaktien gekauft. Deren Kursrutsch hatte Porsche im Oktober bereits mehr als eine Milliarde Euro Verlust gebracht. Die Porsche SE gibt hierzu keine Stellungnahme ab.
VW plant Crafter-Werk in Polen
Posen, PolenVolkswagen steht kurz vor dem Bau eines neuen Werkes in Polen für seinen Großtransporter Crafter. Die Konzernzentrale in Wolfsburg favorisiere den Standort im Großraum Posen, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Managements im VW-Nutzfahrzeugwerk Hannover-Stöcken, das auch auf den Zuschlag für den Crafter-Bau hoffte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete ebenfalls von entsprechenden Plänen. Bisher lässt VW den Großtransporter bei Daimler bauen, der Crafter gleicht größtenteils dem Mercedes-Sprinter. Die Kooperation läuft 2016 aus. Nach dpa-Informationen könnte die Fabrik in Stöcken künftig Teile der Produktion des VW-Kompaktvans Touran bekommen. VW war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Quelle: dpa
Puebla, MexicoVW gilt in Mexiko als Erfolgsgeschichte. Rund zehn Millionen Autos haben die Wolfsburger bislang am Standort Puebla gebaut. Eine ganze Region hängt an dem Riesenwerk. Auf dem Weg zum größten Autokonzern der Welt soll der neue Golf nun den schwierigen US-Markt erobern. „Der Produktionsstart des Golf 7 wird Volkswagen in Nordamerika ordentlich Schub nach vorn geben“, sagt auch VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn bei der Jubiläumsfeier. Bis 2018 will Volkswagen in der Region sieben Milliarden US-Dollar investieren. Ein Großteil davon dürfte nach Mexiko fließen. Quelle: AP
Foshan, China300.000 neue Golf-Modelle sollen in Foshan jährlich vom Band rollen - vorerst. Das neue Volkswagen-Werk in der südchinesischen Provinz Guangdong, nahe der Stadt Foshan soll in einer zweite Phase auf eine Kapazität von 600.000 Fahrzeuge ausgebaut werden. 6500 Beschäftige hat das Werk bisher. VW-China-Vorstand Jochem Heizmann erklärte, VW befinde sich zudem in "intensiven Gesprächen" mit seinem chinesischen Partner FAW. Dabei gehe es um eine Erhöhung des VW-Anteils am Joint-Venture FAW-Volkswagen auf von 40 auf 50 Prozent. Angesichts der Krise auf dem europäischen Automarkt wird für VW das Geschäft in China immer wichtiger. Im vergangenen Jahr produzierten die Wolfsburger mit ihren beiden chinesischen Partnern SAIC und FAW gut 2,6 Millionen Fahrzeuge. Bis 2018 sollen die Kapazitäten früheren Angaben zufolge in China auf vier Millionen Autos pro Jahr ausgebaut werden. Quelle: dpa
Changchun, ChinaModelle: VW Jetta, New bora, Golf, Sagitar, Magotan, Magotan CC, Motoren, Getriebe Das Joint-Venture mit FAW gingen die Wolfsburger 1991 ein. Fast 16.000 Menschen arbeiten in den gemeinsamen Werken. In Ningbo hat Volkswagen mit dem Bau eines neuen Werkes in China begonnen. Es soll 2014 fertig gestellt sein und eine Kapazität von 300.000 Fahrzeugen jährlich haben. Quelle: dpa/dpaweb
Puebla, MexikoModelle: Beetle, Jetta, Golf Variant In Puebla produziert Volkswagen seit 1964. Mehr als 15.000 Menschen arbeiten hier für Volkswagen. Werk Nummer 101 soll übrigens ebenfalls in Mexiko entstehen. Ab 2016 wird Audi hier den Q 5 produzieren. Quelle: dpa
Wolfsburg, DeutschlandModelle: Tiguan, Touran, Golf, Golf Plus Seit 1938 besteht das Werk Wolfsburg. Am Stammsitz des Volkswagen-Konzerns arbeiten fast 50.000 Menschen. Quelle: dpa
Chattanooga, USAIm Mai 2009 war in Chattanooga der offizielle Baubeginn des ersten amerikanischen VW-Werkes. Die Fertigung dort sollte laut Konzernangaben 2011 mit einer jährlichen Gesamtkapazität von bis zu 150.000 Fahrzeugen starten. Dieses Ziel hat der Autobauer erreicht: Mittlerweile ist dort der 250.000. Passat vom Band gelaufen. „Vor zwei Jahren haben unsere Leute gerade mal gelernt, Autos zu bauen“, erklärte Werksleiter Frank Fischer. „Ich bin sehr stolz auf dieses Team.“ Der US-Passat ist eine Erfolgsgeschichte: Die Produktion hatte am 18. April 2011 begonnen. Das auf den amerikanischen Geschmack abgestimmte Modell verkaufte sich auf Anhieb deutlich besser als der aus Europa importierte Vorgänger. Auch dank des Passat haben sich die Verkäufe der Marke VW in den USA von 2009 bis 2012 verdoppelt. Quelle: dpa

Laut Staatsanwaltschaft hätten sich aus den von Porsche bis Oktober 2008 erworbenen Optionen „im Falle eines Kursverfalls der Volkswagen-Aktie zu diesem Zeitpunkt Zahlungsverpflichtungen in einer Größenordnung ergeben, die die liquiden Mittel Porsches um ein Vielfaches überstiegen“.

Die Porsche SE bestreitet das, lässt allerdings die Frage offen, welche Belastungen das Unternehmen hätte verkraften können. Fraglich ist auch, ob Porsche im Herbst 2008 finanziell in der Lage war, VW-Aktien zu kaufen. Härter selbst sagte in dem gegen ihn gerichteten Kreditbetrugsprozess, dass 19 Milliarden Euro, die er für die Finanzierung der 75 Prozent benötigt hätte, nicht zu bekommen waren. „Viele Banker haben mir gesagt: Herr Härter, stellen Sie die Kreditgespräche zurück. Das macht im Moment keinen Sinn.“

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