Neuer Chef legt Strategie vor Ex-VW-Manager läutet die „Renaulution“ ein

Der Generaldirektor des französischen Autoherstellers Renault, Luca de Meo, präsentiert die neue Strategie. Quelle: dpa

Seit dem Sturz von Autoboss Carlos Ghosn ist Frankreichs Autogigant Renault nicht aus der Krise gekommen. Topmanager Luca de Meo steckt noch höhere Ziele – und will das Unternehmen zu einem Technologiekonzern umbauen.

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Der französische Autobauer Renault will mit einem schärferen Sparkurs und dem Umbau zu einem softwaregetriebenen Technologiekonzern in die Erfolgsspur zurückfinden. Der neue Konzernchef Luca de Meo erläuterte am Donnerstag sein Umbauprogramm mit dem Namen „Renaulution“, mit dem er die Ertragskraft des kriselnden Konzerns kräftig steigern will, um in der schärferen Konkurrenz um einen der vorderen Plätze in der Elektromobilität mitzuhalten.

„Wir werden uns von einem Autokonzern, der mit Technologie arbeitet, zu einem Technologiekonzern entwickeln, der mit Autos arbeitet und bis 2030 mindestens 20 Prozent seines Umsatzes mit Dienstleistungen, Daten und Energiehandel erzielen wird“, sagte de Meo, der seit Juli an der Spitze von Renault steht und davor viele Jahre bei Volkswagen gearbeitet hatte.

Der aus Italien stammende Topmanager hatte bereits deutlich gemacht, dass er weniger auf Masse setzt und stattdessen die Rendite in den Vordergrund stellt. Die Jagd auf Absatzrekorde, die der frühere Konzernchef Carlos Ghosn mit eiserner Hand verordnet hatte, wird damit endgültig der Geschichte angehören.

Statt wie noch im Jahr 2019 rund vier Millionen Fahrzeuge soll die jährliche Produktion bis 2025 auf 3,1 Millionen Autos schrumpfen. Parallel will man schrittweise die Marge steigern. 2023 soll diese auf über drei Prozent und bis 2025 auf über fünf Prozent steigen.

Im Zuge des Umbaus soll Renault das bis 2022 gesteckte Sparziel von zwei Milliarden Euro schneller erreichen und die Kosten weiter senken – bis 2025 um drei Milliarden Euro. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sollen bis dahin von zehn Prozent des Umsatzes auf unter acht Prozent gedrückt werden. Unter den bis 2025 geplanten zwei Dutzend neuen Automodellen sollen mindestens zehn reine E-Autos sein.

Insgesamt will Renault als Autohersteller einfacher, flacher und schlanker werden. Das wird sich auf die Produkte auswirken. Unter anderem wollen die Franzosen die Entwicklungszeiten von neuen Automodellen um ein Jahr auf unter drei Jahre verkürzen. In der Allianz mit Nissan und Mitsubishi wird man sich vor allem auf drei Plattformen konzentrieren, auf denen 80 Prozent der Autos und damit über sechs Millionen Fahrzeuge basieren werden. Speziell bei der Marke Renault wird zudem die Zahl der Motorenfamilien von acht auf vier sinken. Dieselmotoren wird es künftig nur noch für Nutzfahrzeuge geben.

Der Renaulution-Plan sieht außerdem die Schaffung der vier Geschäftsfelder Renault, Dacia-Lada, Alpine und den Mobilitätsdienstleister Mobilize vor. Dabei sind eine geschärfte Identität und Positionierung der drei Automarken Dacia, Renault und Alpine geplant. Renault soll sich stärker als bisher als Autohersteller des modernen Mainstreams vornehmlich mit Fahrzeugen im C-Segment profilieren, während Dacia weiter die Rolle als Budget-Marke mit einer allerdings neuen Ausrichtung beibehalten wird. Alpine wird zur reinen Elektroautomarke, die zudem für avantgardistische und zugleich sportliche Modelle steht. In diesem Zusammenhang hat Renault eine Kooperation von Alpine mit dem britischen Sportwagenhersteller Lotus angekündigt. In bereits wenigen Jahren soll aus dieser Kooperation ein rein elektrisch angetriebener Nachfolger des A110 erwachsen.

Renault plant Car-Sharing-Angebot

Bei Renault glaubt man, dass in Zukunft weniger der Besitz eines Autos als vielmehr dessen Nutzung im Vordergrund stehen wird und in einer Shared Economy vermehrt Kilometer statt ganzer Autos gekauft werden. Entsprechend will sich Renault mit der Marke Mobilize als Dienstleister rund um das Thema Mobilität etablieren. Die neuen Aktivitäten sehen unter anderem ein Car-Sharing-Angebot in Großstädten vor, für das Renault vier elektrische Fahrzeugtypen bereitstellen will. Neben einem Micro-Mobil, einer Art Twizy 2.0, soll das Sharing-Angebot mit dem Dacia Spring einen Elektro-Kleinwagen sowie eine elektrische Kompakt-Limousine und einen E-Kleintransporter für die letzte Meile umfassen.

Aus dem chinesischen Markt will sich Renault jedoch verabschieden und erst nach einer Neuausrichtung seines Geschäftsmodells wieder zurückkehren. Auch der Entwicklung autonomer Fahrzeuge erteilte der italienische Manager aufgrund des derzeit noch fehlenden Geschäftsmodells eine Absage.

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Der Hersteller steckt seit längerer Zeit tief in der Krise. Er hatte bereits im vergangenen Jahr den Abbau von weltweit 15.000 Stellen und Kosteneinsparungen von rund zwei Milliarden Euro angekündigt. Wie andere Autobauer auch war Renault im vergangenen Jahr stark von der Coronapandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen betroffen. Der Konzernabsatz sank im Gesamtjahr um gut 21 Prozent auf knapp drei Millionen Fahrzeuge. Im ersten Halbjahr 2020 verbuchte der Hersteller auch wegen tiefroter Zahlen beim japanischen Partner Nissan einen Rekordverlust von rund 7,3 Milliarden Euro. Das Renault-Management hatte im vergangenen Jahr signalisiert, an der von Ghosn geschmiedeten französisch-japanischen Autoallianz nicht zu rütteln. Renault ist mit 43,4 Prozent an Nissan beteiligt. Zu dem Bündnis gehört auch Mitsubishi.

Renault und die Autoallianz waren schon im Zuge des Skandals um den schillernden Autoboss Ghosn in die Krise geraten. Der Ex-Manager war im November 2018 in Tokio unter anderem wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Im April 2019 wurde der gebürtige Brasilianer dann unter strengen Auflagen auf Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen. Ghosn floh Ende Dezember 2019 unter dubiosen Umständen in einem Privatjet nach Beirut, angeblich in einer Kiste versteckt. Die französische Justiz untersucht eine mutmaßliche Veruntreuung von Geldern bei Renault durch Ghosn.

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