Neuer Verdacht gegen Audi: Die Ingolstädter haben einem Bericht zufolge möglicherweise auch den Dieselmotor der aktuellen Generation des Kompaktmodells A3 manipuliert, um die Euro-6-Abgsavorschriften einhalten zu können. Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) lieferten interne Labortests des Forschungszentrums Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission Messergebnisse, die technisch nicht erklärbar seien.
Um die Euro-6-Norm zu erreichen, darf ein Diesel maximal 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. Laut dem JRC hat der Audi A3 2.0 TDI diesen Grenzwert auch unterboten – aber nur nach einem Kaltstart bei rund 20 Grad Celsius, wie er im offiziellen Messverfahren vorgesehen ist. Bei anderen Bedingungen, etwa einem Start mit warmen Motor oder tieferen Temperaturen von nur noch zehn Grad, seien die Werte stark gestiegen – auf 163 Milligramm und 140 Milligramm.
„Wenn ein Fahrzeug auf dem Prüfstand deutlich höhere Werte beim Warmtest im europäischen Prüfzyklus hat als im Kalttest, dann ist der starke Verdacht, dass hier ein Defeat Device vorliegt, da dies technisch nicht zu erklären ist“, sagte Abgasexperte Axel Friedrich der Zeitung. Eigentlich sollten die Emissionen bei dieser Art von Test dann niedriger sein, da der Katalysator beim Start warm ist.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Der Vorwurf richtet sich nicht gegen den aus dem US-Dieselgate bekannten „Schummelmotor“ EA189. Dieser war in seinen europäischen Varianten für die ältere Euro-5-Norm ausgelegt, die noch 180 Milligramm Stickoxid pro Kilometer erlaubt. Der hier betroffene EA288 ist jedoch nach Euro-6 homologiert und kommt konzernweit in zahlreichen Modellen zum Einsatz.
Audi selbst betont, dass der A3 2.0 TDI in „unabhängigen Messungen seht gut abgeschnitten“ habe. Zu den Untersuchungen des JRC lägen dem Unternehmen keine Informationen vor, so ein Audi-Sprecher. Die EU teilte laut dem SZ-Bericht mit, dass die neuen Testergebnisse einschließlich der Werte für den Audi A3 intern noch geprüft würden, um zu beurteilen, ob sie technisch valide seien. Sollte sich der Verdacht erhärten, würde dies allen zuständigen Typ-Genehmigungsbehörden mitgeteilt – in Deutschland ist das das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).
Doch auch das KBA gerät in diesem Fall in die Kritik: Die Behörde hatte nach dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals Fahrzeuge verschiedener Hersteller getestet – und dabei auch bei einigen Autos zum Teil nicht erklärbare Abweichungen bei den Schadstoffemissionen festgestellt. Nicht aber beim A3: „Dieses Fahrzeug ... erfüllt die Euro-6-Anforderungen“, erklärte die Behörde in einem Bericht der deutschen Untersuchungskommission. VW habe erklärt, dass diese Fahrzeuge nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet seien. Bei allen Tests liege das Fahrzeug unterhalb der gesetzlichen NOx-Grenzwerte.
Wenn diese Aussage stimmt, hieße das im Umkehrschluss: Beim A3 hat das KBA nicht alle Tests durchgeführt, etwa den bei einer Außentemperatur von zehn Grad. Jenen Test, bei dem der A3 jetzt auffällig war. Bei anderen Fahrzeugen, zum Beispiel dem Audi A6, ist ein solcher Test in den offiziellen Unterlagen dokumentiert. Das KBA wollte sich auf SZ-Anfrage nicht äußern.