Öl als Druckmittel Können wir Putin mit Tempolimits, autofreien Tagen und E-Autos schaden?

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Viele Autofahrer möchten Russlands Kriegskurs nicht länger über ihre Tankrechnung mitfinanzieren - und wollen deshalb Spritsparen oder auf E-Autos umsteigen. Aber reicht das für eine Botschaft, die in Moskau gehört wird?

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Die Spritpreise sind auf Rekordniveau. Mit rund 1,85 Euro (Diesel, Düsseldorf) bis 1,90 Euro (Benzin, Düsseldorf) haben sie wohl noch nicht das Ende der Preisspirale erreicht, die durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde. Preise über zwei Euro könnten bald die neue Normalität sein. Denn die Tankrechnung ist längst ein politisches Dokument: Mit einem Importanteil von rund 40 Prozent ist Russland der wichtigste Rohöllieferant Deutschlands. Dass das so bleibt, darf angesichts der Embargos und des Rückzugs internationaler Ölkonzerne aus dem Land bezweifelt werden. 

Trotzdem fragen sich viele Autofahrer, wie viel Geld von ihren üppigen Tankstellenrechnungen in Russland landet und was man als Autofahrer dagegen tun kann. Langsam fahren, Fahrrad fahren oder elektrisch fahren? Und ist der Fahrstil überhaupt ein geeignetes Mittel zum politischen Protest?

Fest steht: Umsichtig zu fahren, hilft beim Spritverbrauch. „Autofahrende können ganz einfach bis zu 20 Prozent Kraftstoff sparen“, heißt es beim Automobilclub ADAC. Und zwar vor allem dadurch, dass sie vorausschauend und nicht aggressiv fahren, unnötige Kurzstrecken, überflüssigen Ballast und verzichtbaren Stromverbrauch (Heizen, Kühlen) vermeiden sowie mit Energiesparreifen und optimalem Reifendruck unterwegs sind. Den jährlichen Kraftstoffverbrauch von 52 Milliarden Liter in Deutschland könnten Autofahrerinnen und Autofahrer mit diesem Verhalten also sicherlich um einige Milliarden Liter reduzieren. 

Weniger als ein Drittel deutscher Autobahnen ist mit einem Tempolimit belegt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt trotzdem selten über 100 km/h. Eine Geschichte über Begrenzungen und Freiheiten, erzählt in Grafiken.
von Jannik Deters

Weil beim schnellen Fahren der Spritverbrauch überproportional ansteigt, könnte ein Tempolimit auf den Autobahnen den Kraftstoffverbrauch zusätzlich verringern. Laut Umweltbundesamt sinkt bei einer Obergrenze von 130 Kilometern pro Stunde der jährliche CO2-Ausstoß um 1,9 Millionen Tonnen. Das entspricht rechnerisch einer Benzinmenge von rund 800 Millionen Litern. Bei einem Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde steigt die Ersparnis auf umgerechnet 2,2 Milliarden Liter, was immerhin 45 Millionen Tankfüllungen (50 Liter) ausmacht. So gilt, ganz grob: Ein Tempolimit dürfte mindestens eine weitere Milliarde Liter Kraftstoff einsparen. 


Die Grünen-Verkehrsexpertin Susanne Menge geht noch weiter: Sie verlangt wegen des Krieges ein Tempolimit nicht nur auf Autobahnen (Tempo 130), sondern auch auf Bundesstraßen (Tempo 80) und in Städten (Tempo 30). Damit könnten, so sagt sie, jährliche Einsparungen von 9,3 Milliarden Liter Benzin und Diesel erreicht werden. 

Sparen lässt sich natürlich auch, wenn Autos ganz stehen bleiben, etwa bei kurzen Strecken in der Stadt oder durch Fahrverbote wie etwa die vier autofreien Sonntage, die es 1973 während der Ölkrise in Deutschland gab. Täglich werden hierzulande 142 Millionen Liter Kraftstoff verbrannt. Müssten einzelne Tage ohne Straßenverkehr Deutschlands Kraftstoffbedarf also nicht spürbar senken? 

So einfach ist es nicht. Denn ob autofreie Tage überhaupt den durchschnittlichen Spritverbrauch verringern oder ihn größtenteils auf die nicht autofreien Tage verlagern, ist unklar. In Zeitungsberichten aus der Zeit nach den autofreien Tagen ist von einer Kraftstoffersparnis von „sieben bis 12 Prozent“ die Rede („Die Zeit“), andere Quellen sehen aber so gut wie keine Ersparnis („Der Spiegel“). Selbst Umweltverbände sehen autofreie Tage weniger als Spritsparmethode, sondern vielmehr als pädagogisches Mittel (Leben ohne Auto) und als Möglichkeit, an bestimmten Tagen die Luft- und Lärmemissionen zu reduzieren. 

Auswirkungen der Ölkrise im November 1973: Mit dem Pferdewagen unterwegs in einer deutschen Großstadt. Quelle: imago images

Bliebe noch der Umstieg auf das Elektroauto als Botschaft an den Kriegstreiber Wladimir Putin. 11.733 Kilometer fahren deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer durchschnittlich pro Jahr und verbrauchen dabei durchschnittlich 7,4 Liter Sprit auf 100 Kilometern. Folglich verfährt der deutsche Autofahrer jedes Jahr durchschnittlich 868 Liter Sprit. Gut 500.000 reine E-Autos gab es 2021 in Deutschland, in diesem Jahr dürften mindestens 400.000 hinzukommen. Gibt es Ende des Jahres also rund 900.000 Batterieautos in Deutschland, dann senken diese den Spritverbrauch im Land um rund 780 Millionen Liter. E-Autos dürften den Spritdurst also kurzfristig um knapp eine Milliarde Liter pro Jahr verringern, bei weiterem Anstieg des E-Auto-Anteils um mehrere Milliarden Liter. 

Unterm Strich könnten deutsche Autofahrer den Kraftstoffbedarf von derzeit rund 52 Milliarden Liter also auf deutlich unter 50 Milliarden Liter drücken. Ein Rückgang des Bedarfs um fünf oder auch zehn Prozent würde Russlands Präsident Putin aber wohl kaum beeindrucken. Angesichts der verhängten Sanktionen dürfte der zusätzliche wirtschaftliche Schaden für Russland nicht ins Gewicht fallen. 

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Aber: Ein Signal wäre es. Und ein beschleunigter Einstieg in einen fossilfreien Straßenverkehr, der wegen des Klimaschutzes ohnehin nötig ist - und der Länder wie Russland zumindest langfristig ernsthaft bedroht.  

Mehr zum Thema: Der Ukraine-Krieg treibt den Ölpreis auf immer neue Höhen. Das belastet die gesamte Volkswirtschaft. Kann der Ölpreis die Konjunktur kippen lassen und den Traum vom Post-Corona-Aufschwung beenden?

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